Michael Brückner – 100 Million Miles Under The Stars
 

Michael Brückner – 100 Million Miles Under The Stars
SynGate (2012)
(7 Stücke, 78:01 Minuten Spielzeit)

Michael Brückner ist ein wahrer Workaholic, denn sein Output ist kaum noch zu überblicken. Neben in Eigenregie veröffentlichten CDR’s bringt er auch regelmäßig beim Label SynGate Scheiben auf den Markt. Seine letzte dort veröffentlichte CD nennt sich „100 Million Miles Under The Stars“. Die CDR ist aber nicht zu verwechseln mit der ebenfalls im Jahr 2012 und mit ähnlichem Cover ausgestatteten 5CD-Box „One Hundred Million Miles Under The Stars“. Den Unterschied hat Michael schon durch die Schreibweise der „100“ ausgedrückt. Allerdings gibt es vier der Stücke auch in der Box in andren Versionen.

 


Michael Brückner ist wohl der kompakteste Elektronikmusiker in Deutschland, hat er auf seinen Veröffentlichungen doch die unterschiedlichsten Stilrichtungen zu bieten. Es ist als würde man eine Wundertüte auspacken, wenn man eine CD von Michael in den Player legt, denn man weiß nie so genau, was einen jetzt erwarten wird. Und live zeigte sich Michael bei der Schwingungen Gartenparty ebenfalls von seiner spieltechnisch besten Seite, denn er hat es wirklich drauf und ist – wie Frank Gerber so treffend sagte – am besten, wenn er improvisiert. Der Mann hat wirklich Musik im Blut.

Die CD beginnt mit den beiden Parts von „Memo For Nemo“. Das 7:26minütge Part 1 ist zunächst ein sehr spaciger und schwebender Track, bei dem man die Seele baumeln lassen kann. Sehr harmonische Klangfäden durchziehen zunächst den Raum. Nach fünf Minuten ändert sich dann das Bild ein wenig und ein Rhythmus bestimmt nun das Geschehen auf dem Michael seine Klangfäden spinnt. Sequenzer kommen hinzu und das Stück nimmt kurz vor Ende durch diesen rhythmischen Part Fahrt auf. Nahtlos geht es dann in den zweiten Part über. Zwar ändern sich Klangfarben und Rhythmus ein wenig, aber die Grundstimmung führt Michael weiter fort. Es bleibt harmonisch und rhythmisch. Auch in diesem 6:22minütigen Part wechseln die Klangfarben und Rhythmen, ohne aber die Stimmung zu verändern. Das klingt alles frisch und anders. Michael hat hier einen Stil kreiert, der mit keinem anderen zu vergleichen ist.

Auch in „Cycles Of Fire“ lässt Michael Brückner keine Vergleiche zu anderen Musikern zu. Er hat seine ganz eigene Art Harmonien und Rhythmen miteinander zu verbinden. Das klingt sehr homogen und die Musik tropft förmlich in die Körperwindungen des Hörers und wird von diesem aufgesaugt. Ich empfinde die Musik von Michael unglaublich intensiv und so kann ich mich den Klängen in keinster Weise entziehen. Wie soll man diesen 12:29minütigen Track beschreiben? Michael wechselt auch hier diverse Male die Strukturen ohne aber den Spirit des Stückes zu verändern. Es sind sanfte Klänge die harmonisch durch den Raum ziehen.

„Paradox Planet“ beginnt zunächst mit recht mystischen Klängen. Dabei kann man sich schon eine gewisse futuristische Szenerie vorstellen. Es klingt, als würde Michael bewegte Bilder eines Films damit unterlegen wollen. Fast die ersten vier Minuten dieses mehr als Elfminüters baut er so zunächst nur Stimmungen auf. Erst danach kommen Sequenzen auf und es wird langsam harmonischer. Allerdings sind es weiterhin Stimmungsbilder, die sich vor dem Hörer ausbreiten. Die letzten Minuten gehören wieder den bedrohlichen Klängen, mit denen das Stück gestartet ist.

„Monokosmos“ ist genau so lang wie sein Vorgänger und beginnt ebenfalls mit Stimmungsbildern. Dieses Mal ziehen nur langsam verändernde Synthieflächen durch den Raum und scheinen einen schwebenden Teppich zu bilden. Es dauert geschlagene sieben Minuten bis dann endlich ein Sequenzerrhythmus diesen Synthieteppich untergräbt. Allerdings ändert sich an den Flächen nichts, nur die Rhythmusmuster verleihen dem Ganzen eine neue Klangfarbe.

Das 13minütige „Waves Are Chasing The Wind“ ist dann wieder melodischer. Hier kommen flötenartige Klänge auf, die ein asiatisches Flair verbreiten. Herrliche Harmonien und Melodien treffen auf einen treibenden, im Hintergrund liegenden Rhythmus. Im zweiten Teil zieht Michael den Rhythmus dann etwas an und legt diesen dann auch gleichberechtigt mit den Flöten in den Vordergrund. Den Abschluss bildet dann das mehr als 15minütige Titelstück. Aufgrund der Klänge habe ich anfangs das Gefühl mich unter Wasser zu bewegen. Das ändert sich aber nach wenigen Momenten. Dann wird es mysteriös, denn die Klänge, die durch den Raum wabern sind psychedelischer Natur und bauen eher Stimmungen auf, als das sie melodisch sind. Im zweiten Teil wird es dann aber doch noch melodisch und harmonisch.

Michael Brückner hat mit „100 Million Miles Under The Stars“ ein faszinierendes Album hingelegt, das so in keine Schublade passen will. Es ist erstaunlich, was dieser Musiker für unterschiedliche Musikstile kreieren kann und das zeigt sich auch auf diesem Album. Neben harmonischen und sehr melodiösen Parts sind es auch reine Stimmungsbilder, die Michael aus seinen Gerätschaften zaubert. Und das unglaublichste daran ist, dass die Scheibe ungemein homogen wirkt. Ich kann selbst nicht sagen woran das liegt. Als Elektronikfreund sollte man sich dieses Werk unbedingt anhören.

Stephan Schelle, August 2013

 
   

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