Marboss – Fukushima Daiichi
 

Marboss – Fukushima Daiichi
Dreaming Music / Just For Kicks Music (2011)
(6 Stücke, 34:58 Minuten Spielzeit)

Der Franzose Stéphane Marchal; der unter dem Pseudonym Marboss elektronische Musik veröffentlicht, hat sich lange Zeit nach seinem 2008’er Werk „Electrotherapies“ gelassen, denn im Juni 2011 erscheint mit „Fukushima Daiichi“ (Daiichi heißt aus dem japanischen übersetzt so viel wie Nr. 1 oder die erste), seine dritte CD. Wie man dem Titel der CD unschwer ablesen kann, hat sich Stéphane der Natur- und Atomkatastrophe in Japan gewidmet. Die neue CD ist nicht besonders lang ausgefallen und kommt mit ihren knapp 35 Minuten allerdings eher einer EP gleich.

 


Die sieben Stücke, die Marboss auf dem Album zusammengestellt hat, sind während eines Benefiz-Konzertes für die Opfer in Japan, das in Metz (Frankreich) stattgefunden hat, mitgeschnitten worden. Hatte Marboss auf „Electrotherapies“ noch traditionelle Elektronikmusik mit Elektropop, Wave und Techno vermengt, so sind auf „Fukushima Daiichi“ über weite Strecken Soundscapes zu hören, wie etwa im eröffnenden „News, 11th March 2011“ oder in „Reactor #1“.

Die CD beginnt mit „News, 11th March 2011“ das als Opener auch noch einige Informationen zu der bzw. den Katastrophen in englischer Sprache bereit hält. Die folgenden Stücke sind alle „Reactor #1“ bis „Reactor #6“ benannt. Gerade Reactor #1“ klingt äußerst bedrohlich, so als ob sich eine Art Strahlung langsam ausbreiten würde. Das ganze ergänzt Marboss dann um einige japanisch anmutende Klänge und weitere gesprochene Informationen. Auch einige rhythmische Elemente werden in diesen Track mit eingebunden.

Atmosphärisch und mit technoartigen Rhythmen, die ein wenig auch nach Kraftwerk klingen, geht es dann in „Reactor #2“ weiter. Auch die perlenden Klangkaskaden erinnern stark an Kraftwerk. In „Reactor #3“ hat man als Hörer das Gefühl, als ob man einer hektischen Situation gegenüber stehen bzw. sie beobachten würde. Da erklingen auch schon mal elektronische Alarmzeichen (wie eine Art Sirene).

„Reactor #4“ ist durch seinen Rhythmus und seine recht melodische Struktur ein wenig freundlicher und sogar tanzbar. Für mich der beste Track, der auch Ansätze der aktuellen Tangerine Dream aufweist, sie aber noch technoider aufbereitet. Ambient und atmosphärisch sind dann auch die letzten beiden Parts.

Marboss ist mit „Fukushima Daiichi“ eine atmosphärische, musikalische Verarbeitung des Reaktorunglücks im japanischen Fukushima gelungen (auch wenn sich das jetzt komisch liest). Ich finde aber dass die Musik den Hörer in diese Situation hineinversetzt und man vor den Boxen geistig in diese beklemmenden Geschehnisse transportiert wird. Marboss ist damit eine ansprechende und würdige Auseinandersetzung mit dem Thema gelungen.

Stephan Schelle, Mai 2011

 
   

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