Klaus Schulze - Irrlicht
 

Klaus Schulze - Irrlicht
MIG Music (1972 / 2016)

(
4 Stücke, 74:27 Minuten Spielzeit)

Das 1972’er Frühwerk „Irrlicht“ war Klaus Schulzes erstes Soloalbum. Im Jahr 2006 erfuhr es bei Revisited Records seine zweite Geburt und erschien im sechsseitgen Digipack mit dem 24minütigen Bonustrack „Dungeon“ und einem 16seitigen Booklet mit zahlreichen Fotos und Linernotes. Am 18.03.2016 ist die 2006’er-Version erneut bei MIG Music erschienen. Statt des sechsseitigen Digipacks, kommt die 2016’er-Version nun als vierseitiges Digipack auf den Markt.

 

 


Das seinerzeit auf dem Ohr-Label erschienen Debütalbum Schulzes wandelte noch mehr auf den Pfaden der Musique Concréte als in der Sparte der elektronischen Musik. Schulze hatte Anfang der 70’er noch keinen eigenen Synthesizer. Vielmehr nutzte er neben einer Orgel einen defekten Verstärker, der nach den Aufnahmen für das Album „Irrlicht“ endgültig den Geist aufgab. Durch das Drehen am Lautstärkeregler erzeugte dieser ein internes Feedback, einen Sinus. Mit dem Tremolo hat Schulze dann den Verstärker zwitschern lassen. Die Orgel modifizierte er so, dass sie nicht nach einer normalen Orgel klang.

Eine weitere Besonderheit bestand in dem Orchester, das Schulze mit in seine Musik einbaute, in dem er die Aufnahme, die er mit einem Kassettenrecorder und einem billigen Mikrophon mitschnitt, später rückwärts laufen ließ. Aufgenommen hat Klaus Schulze das Colloquium Musica Orchester in der Freien Universität in Berlin. Er konnte die Aufnahme machen, ohne sie bezahlen zu müssen, was ansonsten sein damaliges Budget überschritten hätte.

Die Stücke des Albums sind in drei Sätze unterteilt. Im 23minütigen „1. Satz: Ebene“ treffen sphärisch, psychedelische Klanggebilde auf sakrale Klangformen, die in einen ekstatischen Teil münden, während es im fast sechsminütigen „2.Satz: Gewitter (Energy Rise, Energy Collaps)“ recht futuristisch zugeht. Das hat was von einem Soundtrack oder von Theatermusik. In der letzten Hälfte ziehen dann sanfte Orgelschwaden durch den Raum. In „3. Satz: Exil Sils Maria“ werden symphonische Parts mit verstörenden Klangkaskaden verbunden.

Das Bonusstück hat der Musikverleger Klaus-Dieter Müller, der das Musikarchiv von Klaus in- und auswendig kennt, auf einem Tape gefunden, das zwei Longtracks von einem Konzert in Reims aus dem Jahr 1976 enthält. Das Ursprungsdatum dieses als „Dungeon“ betitelten Stückes ist allerdings nicht bekannt.

Mit „Irrlicht“ begann die musikalische Solokarriere des Elektronikpioniers Klaus Schulze. Dieses Album erschien am 18.03.2016 erneut in der bereits 2006 veröffentlichten Fassung. Wer es noch nicht hat und an experimenteller Elektronikmusik interessiert ist, bekommt mit diesem Werk ein Zeitdokument.

Stephan Schelle, Mai 2016

 
   

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