Klangwelt – Here And Why
 

Klangwelt – Here And Why
Spheric Music (2022)
(12 Stücke, 77:48 Minuten Spielzeit)

Der deutsche Elektronikmusiker Gerald Arend veröffentlichte unter seinem Pseudonym Klangwelt im Jahr 2002 sein Debütalbum „Weltweit“. Am 21.10.2022 erscheint nun sein fünftes Album „Here And Why“ als Nachfolger des 2018’er Werkes „The Incident“. Die Musik von Klangwelt ist bestimmt von einem hervorragenden Sounddesign und melodischer Elektronikmusik. Da ist es auch kein Wunder, dass Stücke von „The Incident“ in Amerika ausgiebig im Radio gespielt wurden. 

 

 


Erst vor wenigen Wochen war das Album „Earth Express“ von Roger Universe, dem Pseudonym von Ulrich Muehl bei Spheric Music erschienen. Gerald war mit Ulrich lange befreundet und hatte nach seinem Tod dafür gesorgt, dass das Album veröffentlicht wurde. „Here And Why“ hat Gerald Ulrich Muehl gewidmet, der nicht nur sein Freund, sondern auch sein wichtigster Kritiker in Sachen Musik war.

Stilistisch tauchen bei Geralds Stücken auch immer mal wieder Elemente auf, die an Jean-Michel Jarre erinnern. Und das ist auch auf dem neuen Album der Fall, das in einem vierseitigen Digipak erscheint und ein Dutzend Stücke mit Laufzeiten von 4:44 bis neun Minuten Spielzeit enthält und damit wieder mal die Kapazität der CD voll ausreizt. Gerald hat aber kein Füllmaterial auf dem Silberling, vielmehr strotzt das Album wieder voller sehr gut auskomponierten und klanglich auf hohem Niveau gehaltenen Stücken. Aufgrund von Sounds, Melodik und eingeflochtenen Samples rangieren die Stücke dabei zwischen traditioneller Elektronik und Progressiverock (in dem ja auch die Tasteninstrumente oft dominant zu Werke gehen).

Gestartet wird mit dem 6:31minütigen „Propaganda“. Langsam kommen hier aus dem Off einige Klangtupfer, die sich in Samples aus marschierenden Schritten, Sirenen, Hubschraubergeräuschen und Hundegebell mischen. Dann kommt eine recht melancholische Pianomelodie auf. Gerald zeichnet damit musikalisch ein Bild, dass uns alle in diesen Zeiten von Krisen und Kriegen bewegt. Akzentuierte Klänge und Samples von gesprochenen Texten unterstützen die Stimmung. Der Track wirkt auf eine gewisse Weise bedrückend, allerdings auch hochgradig spannend und nimmt nach etwas mehr als vier Minuten Fahrt auf. Hier sorgen dann Rhythmus und Klänge für eine proggige Atmo, die an Pink Floyd & Co. denken lassen.

Mit dem 8:04minütigen „Cold War Child“ geht es fast nahtlos weiter. Flächige Sounds eröffnen dieses Stück, die nach wenigen Momenten durch pulsierende Sequenzerrhythmen einen unwiderstehlichen Beat bekommen und doch eine leichte Dramatik ausstrahlen. Auch in dieses Stück hat Gerald Sprachsamples eingebaut.

Das 6:26minütige „Corium“ wird von Sounds eingeleitet, bei denen vor dem geistigen Auge eine fremde Welt mit Urwaldlandschaften auftaucht. Das hat was von einem Science Fiction-Soundtrack. Nach ca. einer Minute schält sich dann aber langsam eine Melodielinie heraus, die von perlenden Klaviermotiven bestimmt wird. Diese unterlegt Gerald dann mit herrlichen Mellotron-Chören und akzentuierter Rhythmik. Hier kommen dann auch erstmals Sounds auf, die ein wenig an Jarre erinnern.

Rhythmisch geht es dann im sechsminütigen „Futurist“ weiter. Dieser Track erinnert am ehesten an die rhythmische Phase von Jarre und bietet herrliche Sequenzen. Ein toller Track, der jedem Jarre-Fan gefallen wird. Das 6:25minütige „Noir“ bietet perlende Synthklänge und Sequenzen, die ebenfalls in Richtung Jarre weisen, aber genug eigene Handschrift tragen.

Das 5:34minütige „Information“, das mit einer Rhythmik beginnt, die an einen Fernschreiber erinnert, geht dann mehr in Richtung Synthpop und Kraftwerksound. Hier setzt Gerald als weiteres Stilmittel Vocodergesang ein. Schillerartige Klänge kommen dann zu Beginn des 6:06minütigen „Escape“ auf. Gerald wechselt aber nach diesem Intro in seinen eigenen Modus, der rhythmische Elemente mit Harmonie- und Melodietupfern verbindet. Dazu kommen wieder Geräuschsamples, die eine besondere Stimmung erzeugen. Im Verlauf des Stückes wird es dann dynamischer und melodischer.

Das neunminütige „Attic“ beginnt dann mit einer sehr melancholischen Pianomelodie und entwickelt sich weiter zu einem sehr besinnlichen Stück, das auch wieder einige Jarre-Momente aufweist. Ab Mitte des Stückes wird es dann rhythmischer und kraftvoller ohne die besinnliche Stimmung zu verlieren. Das 6:33minütige „Muse“ vermischt elektronische Klänge mit atmosphärischen Gitarrensounds sowie Gesangssamples, die ein wenig an die irische Sängerin Enya erinnern. Ein atmosphärisch dichter Track.

Im fünfminütigen „Ago“ erinnern die Sounds dann an den leider in diesem Jahr verstorbenen Griechen Evangelos Odysseas Papathanassiou, der Vielen besser als Vangelis bekannt ist. Eine sehr schöne Hommage an den wegweisenden Musiker. Mit dem 7:17minütigen „An Explanation Of Life“ endet dann das Album. Hier hat Gerald erneut den Sound von Jarre aufgenommen und ihn in seiner ganz eigenen musikalischen Handschrift fortgeführt. Dabei hat er einige ethnisch wirkende Gesänge in den Track eingebaut, was hervorragend funktioniert und dem Sound eine weitere Ebene öffnet.

Gerald Arend hat sich auf seinem neuesten Album „Here And Why“ von der Artenvielfalt europäischer Elektronikmusik inspirieren lassen. Diese Stilistik hat er aufgenommen und mit seiner ganz eigenen Handschrift versehen. Dabei geht er in den Stücken sehr harmonisch und melodisch vor und hat sie mit einem sehr guten Klangdesign ausgestattet. Das zusammen macht den Reiz und die Qualität dieses neuen Albums aus.

Stephan Schelle, Oktober 2022

 
   

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