Kellerkind Berlin – Sun And Snow … And Other Things
 

Kellerkind Berlin – Sun And Snow … And Other Things
Kissing Sounds (2019)
(8 Stücke, 63:43 Minuten Spielzeit)

Kellerkind Berlin, das ist das Pseudonym des in Berlin lebenden Elektronikmusikers Christian Gorsky. Den Namen hat er sich gegeben, da er in den frühen Jahren, in denen er in Berlin bei seinen Eltern lebte, anfing im Heizungskeller Musik zu machen. Seine Inspirationsquellen finden sich in so großen Namen wie Tangerine Dream, Robert Schroeder, Andreas Vollenweider und Jeff Wayne’s Album „War Of The Worlds“. Nach dem 2017’er Album „Colorful Thoughts“ flatterte mir kürzlich seine neue CD mit dem Titel „Sun And Snow … And Other Things“ ins Haus.

 

 


Christian leitet den Text im vierseitigen Digipack mit folgenden Worten ein: … mit recht verschiedenen Stücken, die aber dann doch in der von mir gewählten Reihenfolge ein geschlossenes Ganzes ergeben.

Die CD startet mit dem 6:24minütigen Stück „From 1982 To 2019“. Dieses Stück ist eine Neuinterpretation des Bonustracks der CD mit dem Titel „Early Tape 1982“. Während der letzte Track recht roh klingt und klanglich deutlich in den 80’er Jahren (Zeitalter von frühen Computern) verortet ist, hat Christian den Track im Opener einer Frischzellenkur unterworfen. Es ist schön, die beiden Versionen und ihre unterschiedliche Klangqualität zu hören. Das Stück beginnt zunächst flächig, auf die sich dann eine Basslinie sowie eine Melodie setzen. Das klingt locker und leicht. Nach anderthalb Minuten wechseln dann die Melodieführung und der Sound, was dem Stück mehr Drive verleiht. Christian geht dabei sehr melodisch zu Werke. Vor allem die Parts, in denen eine Art Akustikgitarrenklang verwendet wird, begeistern.

Zum Bonustrack „Early Tapes 1982“ schreibt Christian im Booklet: Der Bonustrack ist ein Original aus dem Heizungskeller in Berlin … anno 1982. Mit „höchst präziser“ Aufnahmetechnik: zwei baugleiche Tapedecks, viele Kabel und einem Casio CZ-3000. Alles live nacheinander aufgenommen … gruselige Qualität. Mit „From 1982 to 2019“ ist der damals entstandene Track in die Neuzeit geholt und mit der heutigen Technik aufgenommen worden. Den Casio CZ-3000 verwende ich noch immer …

Dem folgt dann das fast neunminütige „Sun And Snow“. Die perlenden Klänge, mit denen der Track beginnt wirken wie sich reflektierende Sonnenstrahlen auf gleißendem Schnee. Ein leicht pumpender Rhythmus und Synthiechöre sowie einsetzende programmierte Drums führen zu einer Melodielinie hin. Bei diesem Stück kann ich mir gut vorstellen durch eine tief verschneite Winterlandschaft zu stapfen.

Zum nächsten Stück schreibt Christian in der CD: „Zu Besuch bei Freunden“ kommt durch einen tatsächlichen Besuch bei lieben Freunden zustande und zudem durch die Verwendung von schon einmal verwendeten Arpeggios … Der 7:34minütige Track zeigt sich von seiner rhythmischen Seite und mit schönen Sequenzerparts. Ein klasse Stück bei dem Christian mehrere rhythmische Elemente aufeinander geschichtet hat.

Die „Kleine Spielerei“ hat mir zum zweiten Platz bei dem „Der eigene Weg“ der Schallwelle-Awards verholfen, also darf dieser Track hier nicht fehlen. Diese Spielerei bringt es aber immerhin auf satte 10:56 Minuten und ist damit der längste Track des Albums. Das Stück bietet einige technoartige Rhythmen, die aber eher sanft angelegt sind. Auch Klangfarben, die an Tangerine Dream erinnern sind darin auszumachen. Während der Rhythmus stoisch voranschreitet, setzt Christian einige Harmonien und Melodielinien darauf. Auch Streichersounds, die dem Ganzen einen hymnischen Charakter verleihen, hat er mit eingebaut. Das hat insgesamt eine hypnotische Ausstrahlung.

Sounds, die an Robert Schroeders Musik erinnern, finden sich dann im Stück „Tense“. Christian bietet hier Schlagzeugrhythmen aus dem Drumcomputer auf die er dann seine Melodie spielt.

Mit ambienten Klangmustern startet das 7:42minütige Stück „Coincidence“. Nach etwa zwei Minuten kommt dann aber ein Rhythmus auf, der sich über die ambienten Flächen legt und um einige Harmonien ergänzt wird. Darauf platziert Christian einen melancholisch/romantischen Pianopart. Auch ein Gitarrensolo ist auszumachen. Ein sanfter und ruhiger Track.

Der offizielle Teil der CD schließt dann mit dem siebenminütigen „Zeilen aus einem Buch“. Christian dazu: Das letzte Stück „Zeilen aus einem Buch“ ist ein mit Klang unterlegter, von mir gesprochener Text aus dem Buch „Johannes“ von Heinz Körner. Diese Zeilen begleiten mich seit meiner späten Jugend und rühren mich immer wieder an. Das Blättern von Seiten und ein Herzschlagartiger Rhythmus bieten zu Beginn eine intensive Atmosphäre auf die dann der eindringliche Text von Heinz Körner gesetzt wird. Ein außergewöhnliches Stück, das durch Text und die zunächst eher zurückhaltenden Klänge für eine intime Stimmung sorgt. Dann werden die Flächen lauter, so dass man sich schon auf den Text konzentrieren muss um ihn zu verstehen.

Das neue Album auf CD von Kellerkind Berlin bietet wieder einige unterschiedliche Stücke die insgesamt aber sehr stimmig sind. Ein lohnenswertes Album, bei dem vor allem die Stücke „Zu Besuch bei Freunden“, „Kleine Spielerei“ und „Zeilen aus einem Buch“ herausstechen.

Stephan Schelle, Oktober 2019

 
   

CD-Kritiken-Menue