John Kerr – Embracing The Inevitable
 

John Kerr – Embracing The Inevitable
Groove Unlimited (2016)

(
5 Stücke, 68:39 Minuten Spielzeit)

Für alle Freunde der elektronischen Musik kam es am 30.12.2015 überraschender Weise zu einem Konzert von Ron Boots zusammen mit John Kerr, der bis dahin gut 20 Jahre seine musikalischen Aktivitäten ad acta gelegt hatte. Nach einem weiteren Auftritt und einer StudioCD, die Kerr zusammen mit Ron Boots veröffentlichte, erscheint im Herbst 2016 ein Sololalbum des britischstämmigen Elektronikmusikers unter dem Titel „Embracing The Inevitable“. 

 

 


Der Albumtitel bedeutet soviel wie Umarmung des Unausweichlichen und spiegelt die Situation des Musikers wider, der seit Jahren mit Krankheiten zu kämpfen hat. Auf der Rückseite der CD ist dann auch zu lesen, dass es sich bei dem Album um sein persönlichstes, emotionalstes und möglicherweise sein letztes Album handelt. Das heißt aber nicht, das John Kerr mit dem Leben abgeschlossen hat.

Unterteilt ist das Werk in die beiden Parts „The Embrace“, das den 34minütigen Track „Confrontation, Realisation And Acceptance“ beinhaltet und „The Inevitable“, das aus vier Tracks besteht. Thematisch beschäftigen sich die Stücke mit den negativen Situationen, die das Leben mit sich bringt sowie der Fokussierung auf die positiven Dinge im Leben.

Langsam anschwellende Flächen werden zu Beginn von „Confrontation, Realisation And Acceptance“ mit Sounds, die an ein Stimmengewirr erinnern, kombiniert. In diesem Stück thematisiert Kerr, die Stimmungen, die einen treffen, wenn man mit einer negativen Situation wie einer schweren Krankheit konfrontiert wird, diese für sich realisiert und schließlich akzeptiert, weil man keine andere Wahl hat. Die Flächen ziehen durch den Äther und werden von Molltönen bestimmt, die eine gewisse Melancholie erzeugen, was dem Titel entsprechend angebracht ist. Nach etwas mehr als vier Minuten kommt eine weitere Synthiestimme auf, die diese Stimmung unterstützt. Eine sanfte Melodie bestimmt nun das Bild. Wenn man sich nicht der Ernsthaftigkeit des Titels gewiss wäre, könnte man sich gut in diese Klangkomposition fallen lassen. Im Verlauf steigert Kerr die Dynamik dieses Stückes, ohne die melancholischen Parts zurückzufahren. Die Musik wirkt dabei wie ein sanfter Soundtrack. Nach 15 Minuten kommen dann auch die für Kerr typischen Pianopassagen auf. Ein typisches Kerr-Stück, so wie es die Freunde seiner Musik lieben. Zum Ende hin wird das Stück wieder von sanften Flächen bestimmt.

„The Inevitable“, dessen vier Stücke nahtlos ineinander übergehen, beginnt mit dem fast 13minütigen Stück „What’s Mine Is Yours“. Es zeugt davon, das John in diesem Part die Situation vertont hat, wie wichtig es in diesen Momenten ist, alles mit seinem Partner zu teilen. Mit typischen Klavierklängen beginnt dieses Stück um nach knapp einer Minute in einen dröhnenden, basslastigen Synthiesound zu münden, der fast eine Minute anhält. Darauf folgt eine hymnische Melodie, die er auf diese immer noch dröhnenden Klangwolken legt. Zusätzlich kommen nach einigen Minuten auch die Klavierklänge wieder mit hinzu und verstärken diesen hymnischen, orchestralen Sound. Dem schließt sich dann das nicht ganz dreiminütige „Let’s Go Have A Party Man!“ an. Dieses beginnt wie eine Feier mit lauten Stimmen und einer Stimme, die den Titel ausspricht. Dann setzt ein pumpender Beat ein und es folgt ein für John recht unüblicher Track, der nur so vor Lebensfreude sprüht.

Dieser Rhythmus und die Stimmen werden dann in den nächsten Track „Return To Reality“ übernommen und in ein wieder sehr melancholisches, sehnsuchtsvolles Stück überführt. Durch die Klangfarben hat es an einigen Stellen fast so etwas von einem Schlaflied für Kinder. Es drückt aus, welche Achterbahnfahrt an Gefühlen jemand durchmacht, der an einer Krankheit leidet deren Gesundung aufzukommen scheint, um dann später zu merken, dass sie nicht besiegt ist.

Der letzte, elfminütige Track heißt „Repetition And Enhancement“. Dieses ist zugleich ein melancholischer, wie versöhnlicher Track. Während dieser im ersten Teil aus typischem John Kerr-Stil besteht, wird er nach etwa vier Minuten sehr leise und ambient. Hoffnung macht, dass das Stimmungsvolle Bild des Covers von John selbst als Sonnenaufgang und nicht als Sonnenuntergang bezeichnet wird.

Mit „Embracing The Inevitable“ hat John Kerr in der Tat ein sehr persönliches und emotionales Album geschaffen (erkennt man an den Titeln der Stücke). Lässt man die Thematik beiseite kann man sich in den melancholischen Sounds verlieren. Hat man die Thematik vor Augen, kann man mit John mitfühlen. Ich wünsche mir, dass es nicht sein letztes Album ist und er seinen Lebensmut behält.

Stephan Schelle, Oktober 2016

 
   

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