Ian Boddy - Pearl
 

Ian Boddy - Pearl
DIN (2010)
(28 Stücke, 150:54 Minuten Spielzeit)

Einer, wenn nicht gar der wichtigste britische Elektronikmusiker bringt im Herbst 2010 eine Retrospektive seines bisherigen Schaffens heraus. Die Rede ist von Musiker und Labelchef Ian Boddy. Neben zahlreichen Soloveröffentlichungen und Kollaborationen mit weiteren Musikern hat er vor allem auf seinem DIN-Label Elektronikmusikern aus aller Welt eine Plattform für ihre Musik gegeben. Sein Output und seine Stilvielfalt lassen sich auf der jetzt erschienenen DoppelCD „Pearls“ gut nachvollziehen.

 


Die Stücke auf dem auf 1.000 Kopien limitierten Album umfassen einen Zeitraum von 1980 bis ins Jahr 2008. Die beiden prall gefüllten Silberlinge sind in die DIN- und in die anderen Labelveröffentlichungen unterteilt.

Während auf der ersten CD vor allem die frühen Jahre abgehandelt werden – es sind auch vier Stücke aus diesem Jahrtausend darunter – ist die zweite Seite seinem DIN-Label vorbehalten, auf dem er ab 1999 den Hauptteil seiner Musik herausbringt. Auf dieser Compilation beschränkt sich Ian aber nicht nur auf die reinen Soloarbeiten, sondern hat auf der zweiten CD auch einige Stücke seiner Kollaborationen mit Musikern wie Mark Shreeve (als Arc), Markus Reuter, Robert Rich oder Bernhard Wöstheinrich, um nur einige zu nennen, zu bieten. Bis auf seine 2006’er CD „Elemental“, von der gleich zwei Titel auf dem zweiten Silberling zu finden sind, hat er lediglich pro Album einen Track auf „Pearl“ platziert. Und es finden sich wahre Perlen auf dieser DoppelCD, denn jeder wird für sich genau das richtige entdecken können.

Vor allem in der Anfangsphase war Ian’s Musik sehr melodisch angelegt, was sich in Stücken wie „Hyperion“ oder dem sehr eingängigen „Aquanaut“ zeigt, mit dem CD Nummer 1 beginnt. Man kann sehr gut die Entwicklung von Ian Boddy anhand der enthaltenen Stücke nachvollziehen, auch wenn er sie nicht ganz chronologisch angelegt hat. Ian ist bei der Platzierung aber so geschickt vorgegangen, dass diese Retrospektive wie ein organisches Gesamtwerk funktioniert. Das liegt unter anderem auch daran, dass einzelne Stücke mit tonalen Brücken zusammengehalten werden und so kein Bruch entsteht.

Ein mit stampfendem Beat unterlegtes „Sequence In Blue“ findet sich genauso auf diesem Album, wie ein sphärisches „Floating“ oder ein symphonisches, spaciges „Beyond The Event Horizon“ (wirkt wie eine Spaceopera mit pulsierenden Rhythmen und Vocoderstimmen). Und auch Vangelis-Like (orchestral mit Chören) geht es beispielsweise bei „Who Controls Who?“ aus dem Jahr 1998 zu.

Auf CD Nummer 2 zeigen sich dann vor allem auch die hypnotischen, teils vertrackten Rhythmen, die Ian im neuen Jahrtausend in seine Musik eingewoben hat. Aber auch experimentelle Klänge sind in den Stücken des Briten zu finden. Am ungewöhnlichsten ist sicherlich das Stück „Atomicity“ von Dub Atomica, das er zusammen mit Nigel Mullaney betrieben hat. Hier kommen dem Projektnamen Dubrhythmen zum Vorschein, die so bisher in seiner Musik nicht auszumachen waren.

Mit „Pearl“ hat Ian Boddy eine sehr gelungene Werkschau seines jetzt gut 30jährigen Musikerdaseins abgeliefert. Die CD eignet sich sowohl für den Neuling, der sich erst einmal Appetit aus dem reichhaltigen Oeuvre des britischen Elektronikmusikers holen will, wie auch für den geneigten Elektronikfreund, der noch nicht alle Alben – was bei der Vielzahl auch schwierig ist – sein Eigen nennt. Eine tolle Zusammenstellung, die Spaß macht.

Stephan Schelle, Oktober 2010

 
   

CD-Kritiken-Menue