Harald Grosskopf – Synthesist 2010
 

Harald Grosskopf – Synthesist 2010
MellowJet Records (2010)
(11 Stücke, 77:13 Minuten Spielzeit)

Harald Grosskopf ist wohl der Schlagzeuger der Elektronikmusik-Szene schlechthin. Unter anderem hat er mit Klaus Schulze und Ash Ra getrommelt und hat sich darüber hinaus auch durch seine Eigenkompositionen einen Namen gemacht. Vor allem mit seinem Solodebüt „Synthesist“ aus dem Jahr 1980 war er sehr erfolgreich. Ein Umstand war sicherlich sein Stück „So weit, so gut“, das jahrelang von Winfrid Trenkler als Titelstück seiner Radiosendung „Schwingungen“ genutzt wurde.

 


30 Jahre sind vergangen und Harald hat sich nach weiteren vier Soloalben zu einer Fortsetzung unter dem Titel „Synthesist 2010“ entschlossen. Aber ist es wirklich eine Fortsetzung des 80’er Jahre Albums? Nun zunächst fällt das Cover auf, bei dem der junge Grosskopf posiert. Die Aufnahmen scheinen aus der Fotosession zu stammen, die für das 80’er Debüt gemacht wurden, denn Haralds Gesicht glänzt – wie beim Debüt – im silbrigen Outfit. Im aufgeklappten, vierseitigen Booklet ist dann aber ein aktuelles Bild von Harald zu sehen, das ihn hinter seinem Schlagzeug agierend zeigt.

Hier sei schon mal erwähnt, dass diejenigen, die ein zweites „Synthesist“ erwarten, enttäuscht sein werden, vielmehr erleben wir Harald, so wie er in den letzten Jahren live zu sehen war. Es handelt sich quasi um einen modernen Synthesisten.

Druckvoll und hypnotisch geht es auf den fast ein Dutzend Stücken zu. Den Beginn macht „Vivacissimo Con Moto“, bei dem ich zunächst das Gefühl habe, Ashra wären am Werk, so atmosphärisch kommen Synthies und Gitarrensounds aus den Boxen. Doch nach etwa einer Minute kommt der rhythmische Grosskopf hervor und pumpende Beats mit ekstatischem Schlagzeugspiel sowie Synthiesounds, die einer „Akte“-X-Folge gerecht würden, perlen aus den Boxen. Toller Einstieg in ein tolles Album.

Es folgt ein zehnminütiges „Andante Amoroso“, bei dem Harald, der im Übrigen komplett allein an die einzelnen Stücke herangegangen ist, mehrere Synthies übereinander geschichtet hat. Ein fast monotoner Grundsound bietet die Basis für diesen hypnotischen Track, der über weite Strecken ohne Schlagzeugrhythmus auskommt. Erst nach gut sechs Minuten kommt Haralds Schießbude zum Einsatz, allerdings sehr gemäßigt, was diese hypnotische Wirkung unterstützt.

„Allegro Con Fuoco“ beginnt mit Perkussion, die den Hörer auf einen arabischen Markt versetzt. Doch nach wenigen Momenten wird diese Perkussion durch pumpende Beats und eine Pianolinie, die von Synthiesounds unterlegt ist, abgelöst. Sehr leichtfüßig geht dieser Track ab.

Mit einem sehr tiefen und herrliche Bass legt „Largo Con Dolore“ los. Auch hier pumpt der Rhythmus den Track auf. Doch dieser Track ist etwas düsterer, als die vorhergehenden. Vor meinem geistigen Auge entwickelt sich hier eine futuristische Szenerie. Wesentlich leichter und lockerer geht es dann in „Moderato Giusto“ weiter. Akzentuiertes Schlagzeugspiel und ein Sound der wieder zur „Akte-X“ passen würde, bestimmen hier das Bild.

Spinettartig geht es in „Vivace Risoluto“ zu. Das erinnert zunächst auch an Musik von Klaus Schulze, ist aber mit modernen Dance-Rhythmen unterlegt. Und „Vivacissimo Con Brio“ startet im Wave-Format um dann bei einem pumpenden Rhythmus und einer herrlich eingängigen Melodielinie zu einer tanzbaren Nummer zu mutieren. Das kann ich mir gut auf dem Dancefloor vorstellen, denn man kann kaum seine Beine dabei ruhig halten. Und so geht es auch auf den restlichen Stücken druckvoll und tanzbar weiter.

Harald Grosskopf hat auf „Synthesist 2010“ nicht einfach eine Kopie oder Fortsetzung seines erfolgreichen Debütalbums herausgebracht, vielmehr zeigt das neue Album einen modernen Musiker. Harald agiert bei den Stücken sehr rhythmusbetont und elektronisch und versetzt diesem Sound noch eine gehörige Portion Worldmusic. Das Ergebnis ist eine überaus hypnotisch, ekstatische Melange, der man sich nicht entziehen kann.

Stephan Schelle, November 2010

 
   

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