Fanger & Schönwälder feat. Lutz Graf-Ulbrich – Analog Overdose 6
 

Fanger & Schönwälder feat. Lutz Graf-Ulbrich – Analog Overdose 6
Manikin Rekords (2021)

(12 Stück, 77:02 Minuten Spielzeit)

Im Mai 2014 geht die Serie der „Analog Overdose“ in die sechste Runde (mit den weiteren Zwischennummern und speziellen CDs machen sie hiermit eigentlich schon das Dutzend voll). Feste Konstante dabei sind immer Thomas Fanger und Mario Schönwälder. Auf den Produktionen haben die beiden sich mehrfach einen musikalischen Gast an die Seite gestellt. Neben dem leider schon verstorbenen Klaus Hoffmann-Hoock ist es dieses Mal der Berliner Lutz „Lüül“ Graf-Ulbrich (Agitation Free, Ash Ra Temple, Ash Ra, 17 Hippies). Er begleitet die Band bereits zum dritten Mal (auf dem Debüt und auf „Analog Overdose 5“).

 

 


Ein Dutzend Stücke mit Laufzeiten von 1:55 bis 13:28 Minuten Spielzeit sind entstanden, die auf der CD, die im sechsseitigen Digipack erscheint, Platz fanden. Ein Teil der Stücke wurde mit Orten oder Plätzen in Berlin betitelt. Thomas Fanger spielt Synthesizer und E-Bass, Mario Schönwälder Synthesizer und Lutz Graf-Ulbrich elektrische und akustische Gitarren, E-Bow, Ukulele und Banjo.

Mario Schönwälder ist für seine Interpretation der „Berliner Schule“ bekannt und beliebt. Zusammen mit Thomas Fanger sorgt er darüber hinaus für tolle Beats im Sound. Lutz Graf-Ulbrich bringt zusätzlich eine recht krautige Variante ins Spiel. Dieses Mal finden sich daher neben den Elementen und Sounds der „Berliner Schule“ auch die der Düsseldorfer Variante in ihren Stücken wieder. Das erinnert dann auch ein wenig an Bands wie Neu! und Harmonia.

Das Album beginnt mit „Oberbaumbrücke“ bei dem Thomas wieder unwiderstehliche Beats kreierte und nach wenigen Momenten Lutz mit tollen atmosphärischen Gitarrenlicks einsetzt, die an Ash Ra bzw. Manuel Göttsching erinnern. Das nimmt sofort gefangen und klingt einfach saugut. Hier wird man sofort durch diesen hypnotischen Sound weggebeamt. Dem folgt das mit 1:55 Minuten kürzeste Stück „Kosmischer Kiez 3:45 Uhr“, das von perlenden, atmosphärischen Klängen durchzogen ist. Ein kurzes Zwischenspiel.

„Görlitzer Park“ geht dann mit seinen atmosphärischen, teils repetitiven Gitarrenlicks und einem herrlichen Beat wieder mehr in die krautige Ecke. Da kommen deutlich die Bands der Düsseldorfer Szene ins Spiel, was die Drei dann aber durch sehr schöne Harmonie- bzw. Melodielinien ergänzen.

Einen großen Touch Ash Ra / Manuel Göttsching-Sound enthält dann das herrlich groovende „Eichkamp“. Wer Ash Ra’s End70’er Alben mag, erhält hier den perfekten Stoff. Lutz versteht es auf ganz besondere Weise diese Atmosphäre einzufangen und mit neunen, fesselnden Harmonien und Klängen fortzuführen. Die Rhythmusmuster passen perfekt dazu und sorgen erneut für eine hypnotische Stimmung. Einfach grandios.

Das Stück „Tränenpalast“ ist der ehemaligen Ausreisehalle der Grenzübergangsstelle Bahnhof Friedrichstraße in Ost-Berlin im historischen Stadtviertel Dorotheenstadt des Ortsteils Mitte gewidmet, die so vom Berliner Volksmund bezeichnet wurde. Eine gewisse Melancholie ist dem Stück nicht abzusprechen, das trotzdem wieder eine hypnotische Wirkung erzeugt.

Trockene, repetitive Beats in „Sportmolle“ verstärken das krautige Feeling. Im neunminütigen „Nachtbus“ nehmen uns die Drei dann mit auf eine Fahrt durchs nächtliche Berlin, bei der man die beleuchteten Häuserfassaden vor dem geistigen Auge vorbeiziehen sieht. Im 6:30minütigen „Teufelsberg“ lassen sie dann auch erstmals so richtig den Sequenzer im Stile der „Berliner Schule“ los. Da kommen dann zeitweise Tangerine Dream-Sounds der 70’er auf.

Das 13:28minütige „Entlastungsstraße“ verbindet dann die beiden Stile aus Berlin und Düsseldorf erneut perfekt miteinander. Mit dem 3:24minütigen „Endhaltestelle“ endet dann die Reise von „Analog Overdose 6“ sehr atmosphärisch und man ist als Hörer geneigt gleich wieder an der „Oberbaumbrücke“ in den Bus einzusteigen.

Mit „Analog Overdose“ ist Fanger & Schönwälder feat. Lutz Graf-Ulbrich wiederum ein hervorragendes Album gelungen, das die „Berliner Schule“ mit der „Düsseldorfer Schule“ (hier im Besonderen die krautrockigen Sounds von Bands wie Harmonia und Neu!) perfekt miteinander verbindet und etwas gänzlich Neues kreiert. Das Gitarrenspiel von Lutz Graf-Ulbrich sorgt dabei ein ums andere Mal für besondere Akzente, die einige Male an den Sound von Ash Ra / Manuel Göttsching erinnern.

Stephan Schelle, Juni 2021

 
   

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