Blanko
 

Erik Seifert - Core
Pleasure Sound Music (2009)
(7 Stücke, 75:25 Minuten Spielzeit)

Der Elektronikmusiker Erik Seifert widmet sich auf seinem neuesten Album, das im Herbst 2009 erscheint und den Titel „Core” trägt, dem milliardenteueren Teilchenbeschleuniger der CERN (Europäische Organisation für Kernforschung). Mit dieser in der Schweiz gelegenen unterirdischen Anlage, versuchen die Wissenschaftler durch die Beschleunigung von Protonen, die dann aufeinander prallen, den Zustand zu erzeugen, der unmittelbar nach dem Urknall herrschte.

 


Die faszinierende Vorstellung von der Erzeugung von Materie / Antimaterie die oft auch als Gottesteilchen bezeichnet wird, hat schon einige Menschen beschäftigt. So bildet beispielsweise diese Forschung in Dan Brown’s Roman „Illuminati“ (der Film ist gerade auf DVD erschienen) die Grundlage für seinen Thriller und Douglas Preston hat das Thema, das er allerdings in die USA verlegte, ebenfalls in seinem Buch „Credo – Das letzte Geheimnis“ verarbeitet. Nun hat sich Erik Seifert, den es bisher musikalisch ins All bzw. nach Neuseeland verschlagen hat, ebenfalls dieses Themas angenommen.

Bereits im Jahr 1989 war Erik an einem Image-Film für das CERN als Ton-MAZ-Techniker beteiligt. Ihn faszinierte dieses unglaubliche Bauwerk und die dahinter stehende Technik. Doch erst Jahre später, nach dem Aufbau seines digitalen Studios war es ihm möglich, diese Eindrücke musikalisch zu verarbeiten. Er selbst sagt dazu: „Ich wollte die Energie, die Power, und auch die technische Schönheit der Anlage in meiner Musik wieder finden. Des Weiteren hatte ich vor, dem Projekt aber auch einen Soundtrack ähnlichen Charakter zu geben. Es sollte bombastisch klingen, durfte aber unter keinen Umständen den synthetischen Klang vernachlässigen.“

Das, was Erik oben beschreibt, ist ihm ausgesprochen gut gelungen, denn er schafft es vom ersten Ton an den Hörer in die Welt des Teilchenbeschleunigers hineinzuziehen. Seinen Soundtrack hat er dabei in sechs Eigenkompositionen sowie einen Remix des Stefan Erbe Stückes „Wunderwerk“ (von der CD „Club Generica“) aufgeteilt. Die Stücke gehen aber nahtlos ineinander über, sodass eine 75minütige Reise vor dem geistigen Auge des Hörers abläuft.

Los geht es mit „LHC (Large Hedron Collider)“, das mit technischen Sounds beginnt, so als ob eine Maschine angeschaltet würde und hochfährt. Im Hintergrund sind dann schon die ersten Synthieklänge zu hören, die recht sphärisch klingen. Ich sehe vor mir noch kleine, schwebende Partikel, die auf den Start warten bzw. eine Szene aus einem Kontrollraum. Dann kommen einzelne Pianotupfer hinzu und eine erwartungsvolle Stimmung macht sich breit. Nun sehe ich quasi einen Kameraschwenk über die technische Einrichtung. Sequenzerartige Tonfolgen, die mich an blinkende Lichter erinnern, werden hinzugefügt und das Stück entwickelt sich langsam. Eine Melodie schält sich nach einigen Minuten heraus und ein Rhythmus unterlegt diesen sehr schönen Track. Zum Ende hin wird es wieder ruhiger, wie am Anfang des Stückes.

Diese Stimmung geht nun in den nächsten Track „Alice (A Large Ion Collider Experiment)“ über. Zunächst aufkommende pulsierende Klänge werden von einer sehr schönen Harmonie mit eingängigem Rhythmus abgelöst. Hier zeigt sich der Stil von Erik, den man auch von anderen CDs kennt. Wieder wird eine technisch klingende Atmosphäre als Brücke in den nächsten Track genutzt. Nun ist es „Isolde“ (Isotope On-Line Detector)“, bei dem ich das Gefühl habe als rauschen die Protonen rasend schnell durch den Lichtkanal. Und so geht es bei den anderen Stücken ebenfalls recht bildhaft weiter. Mal hat man das Gefühl den Protonen zuzusehen, dann kommt, durch gesampelte Stimmen, eine Szene wie in einem Kontrollraum auf.

Den Abschluss bildet „Wunderwerk“, ein Remix eines Stefan Erbe Stückes. Man kann den Spirit des Erbe-Stückes noch gut erkennen, Erik hat aber weitere Elemente mit in den Track gebracht, der jetzt technologischer klingt und gut in das Gesamtbild des Albums passt.

Mit dem fünften Album „Core“ zeigt Erik Seifert, dass er ein wahrer Soundtüftler ist, der es versteht Stimmungen und imaginäre Soundtracks zu erschaffen, um so vor dem geistigen Auge des Hörers Bilder zu erschaffen. Die drei Jahre Produktionszeit haben sich wahrlich gelohnt, denn das Thema CERN ist klasse umgesetzt. Ich habe beim Hören tatsächlich die Bilder des Teilchenbeschleunigers vor meinem Auge. Eine tolle CD, die ich allen Freunden guter Elektronikmusik nur wärmsten empfehlen kann.

Stephan Schelle, November 2009

 
   

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