Erez Yaary – Memoria Technica
 

Erez Yaary – Memoria Technica
MellowJet Records

(
9 Stücke, 48:28 Minuten Spielzeit)

Der aus Israel stammende Elektronikmusiker Erez Yaary veröffentlicht seit Jahren elektronische Musik, die bei MellowJet Records eine neue Heimat gefunden hat. „Memoria Technica“ ist sein mittlerweile achtes Album. Das letzte Werk, Delta“ wurde zunächst 2019 herausgebracht und Ende letzten Jahres dann bei Mellowjet als Kollaboration mit Bernd „Moonbooter“ Scholl unter dem Titel „Delta Evolution“ erneut veröffentlicht. Die Kombination beider Musiker lag an der kurzen Spielzeit von knapp 30 Minuten, die Erez für „Delta“ eingespielt hatte.

 

 


Jetzt, nicht ganz an halbes Jahr später, erscheint das neueste Werk des israelischen Musikers. Auf „Memoria Technica“ nimmt er uns auf eine Reise der Gedanken und Emotionen, die die Kernelemente des zukünftigen Lebens berühren wenn es unmöglich sein wird, das Echte vom Unechten zu unterscheiden mit. Und stellt die Frage: Wie wird sich eine dystopische Welt anfühlen, die von Post-Menschen bewohnt wird, die Organisches und Maschinelles miteinander verschmelzt?

Erez Yaary präsentiert wieder sehr melodische und rhythmische Elektronikmusik und würzt einige Stücke dabei mit einer leichten Prise Kraftwerk, was ja zu dem utopischen Thema durchaus passt.

Das Album startet mit dem viereinhalbminütigen Titeltrack (die Zeitanzeige ist auf dem Cover nicht ganz korrekt). Mystische Klänge wie für einen „Terminator“-Film gemacht, eröffnen dieses rhythmische Stück. Der Rhythmus sowie einige Sounds und Sequenzen erinnern dabei so ein wenig auch an Tangerine Dream der Endsiebziger. Dahinein mischt Erez ein paar Kraftwerk-Elemente wie zum Beispiel eine Aufzählung mit Vocoderstimme. Der Track ist aber kein Clon der „Berliner-“ oder „Düsseldorfer-Schule“, vielmehr hat Erez hier einen ganz eigenen Stil entwickelt.

Der zweite, 6:12minütige Track nennt sich „Posthuman“. Langgezogene Synthieakkorde leiten in diesen Track. Das klingt sehr mystisch und ich muss unweigerlich an den Film „Blade Runner“ denken, obwohl hier nichts nach Vangelis klingt. Aber Erez trifft hier diese dystopische Stimmungslage sehr gut. Nach etwa zwei Minuten kommt eine Leadstimme auf, bei der mir nun der Film „Unheimliche Begegnung der 3. Art“ in den Sinn kommt. Hier zeigt sich das futuristische Thema in seiner Musik. Nach gut drei Minuten wird das Ganze durch einen pulsierenden Beat egänzt. Gemächlich zieht dieses Stück durch Raum und Zeit.

Leichtes Kraftwerk-Feeling kommt dann im fast sechsminütigen „Singularity“ auf. Der Track startet aber in den ersten 30 Sekunden noch recht monoton und entwickelt danach eine sehr schöne Melodielinie. Nach zwei Minuten wechselt der Track dann in einen rhythmischen Part, der sich dann mit den herrlichen Harmonien verbindet. Im 4. Stück, dem 5:18minütigen „Algo Rhythmus“ baut Erez dann gar einige Electropop-Strukturen ein. Der Track hat den Charme der frühen 80’er, versehen mit einem Rhythmusmuster und mit Effekten, die erneut an Kraftwerk denken lassen.

Dem folgt dann das 6:43minütige „Dystopia“, bei dem Erez keine Melodien spielt, sondern mehr den Fokus auf Stimmungsbilder legt. Das wirkt wie ein Fiebertraum. Mit einem spacigen Anfang geht es dann im 6:28minütigen „Homeostasis“ weiter. Weite, teils düster wirkende Flächen sind als erstes zu Hören. Nach nicht ganz einer Minute kommen rhythmische Elemente und Harmonien auf und wechseln ab Minute Zwei in einen zunächst Morse artigen Rhythmus, der dann mit einem pumpenden Beat erweitert wird. Hierauf setzt Erez nun sehr eingängige Melodien und Harmonien.

Mit 3:36 ist „Collective“ das kürzeste Stück des Albums. Zu einem Eingangsrhythmus lässt Erez es zischen und zirpen und sorgt dann mit einer wunderbar sanften Melodie für ein entspanntes Feeling. Das abwechslungsreiche, 5:31minütige „Mnemonic Encoder“ sowie das rhythmische, melodiöse und tanzbare „Carbon Black“ beenden dann sein Album. Ein klasse Abschluss dieses sehr schönen Werkes.

Erez Yaary lässt sich in den letzten Jahren etwas Zeit mit seinen Veröffentlichungen. Das Warten lohnt sich aber, denn er schafft es immer wieder sehr melodiöse Instrumentalstücke einzuspielen. Auf „Memoria Technica“ hat er dabei eine sehr futuristische Stimmung eingefangen.

Stephan Schelle, Mai 2021

 
   

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