Dreamcontrol - Zeitgeber
 

Dreamcontrol - Zeitgeber
Planetware Records (2017)
(
10 Stücke, 77:40 Minuten Spielzeit)

Steve Schroyder und Zeus B. Held sind zwei Urgesteine der Elektronikmusik bzw. des Krautrock. Diese beiden Musiker haben sich unlängst zusammengetan, um unter dem Titel Dream Control ein neues musikalisches Projekt in der Elektronikszene aus der Taufe zu heben. Als erste Dokumentation der Zusammenarbeit ist in 2017 die CD „Zeitgeber“ erschienen, die auch auf Vinyl erhältlich ist. Musikfreunde älteren Semesters werden Steve Schroyder noch von Tangerine Dream, Ash Ra Tempel und dem Star Sound Orchestra her kennen. Zeus B. Held ist neben seinen frühen Soloalbern vor allem durch sein Mitwirken bei der deutschen Band Birth Control im Gedächtnis geblieben.

 

 


Was passiert also, wenn zwei solche Musiker aufeinandertreffen? Laut eigenen Aussagen möchten sie mit ihren Erfahrungen aus den Anfängen deutscher Rockmusik und der Pionierarbeit hin zur weltweiten Elektromusik neue und alte Pforten der Wahrnehmung öffnen. Ziel ist es, so Zeus B. Held, „bisher ungehörte Musik erklingen zu lassen. Es gibt keine musikalischen Vorgaben und wir gehen über ein kontemporäres und gewöhnliches Improvisationsverständnis hinaus“. Steve Schroyder, der sich in seinem Schaffen viel mit der Spiritualität von Musik auseinandergesetzt hat, ergänzt: „Die Wahrnehmungsebenen eines Traumes sollen den Menschen ein musikalisches Erlebnis bieten. Wir brechen gemeinsam aus den Strukturzwängen des Alltags aus“.

Was kommt nun dabei heraus, wenn zwei Urgesteine der Elektronik-/Rockmusik nun ein gemeinsames Album machen? Musik im Stile der 70’er? Weit gefehlt, denn was hier geboten wird ist eine Mischung aus tribalartigen Rhythmen und Beats (die Stücke weisen BPM von 69 bis 138 auf) sowie modernen Klangstrukturen, die allerdings auch mit Sounds der 70’er verbunden werden. Ähnlich hat es Steve Schroyder auch schon auf seinem Album „Qigong Dancing“, das er 2012 zusammen mit Alien Voices eingespielt hat, vollzogen. Und auch Felix Mönnich und Kolja Simon, die das Duo Alien Voices darstellen, sind mit ihrem Obertongesang bei einigen Stücken vertreten.

Neben neun eigenen Stücken findet sich auch eine Version von Birth Control’s „Gamma Ray“ auf dem Album, mit dem Steve und Zeus B. Held den leider schon verstorbenen Musikern und Birth Control-Mitgliedern Bruno Frenzel und Bernd „Nossi“ Noske gedenken.

Eines der Highlights des Albums haben die beiden mit „Eyes And Ears“ gleich an den Anfang der CD gesetzt. Nach sanften Flächen und Klangfarben die durch die Orgel eine leichte Rocknote bekommen und die Synthies teilweise auch an Tangerine Dream erinnern, geht es dann nach 53 Sekunden so richtig los, denn nun setzt ein treibender Rhythmus ein. Das ist schon fast tanzbar und verbreitet sofort gute Laune. Hier bekommen die beiden eine perfekte Melange aus klassischer Elektronik, House und Rockmusik hin. Das mit einem Sprachsample beginnende „Time Out“ startet nach wenigen Momenten auch mit herrlichen Rhythmen, die von Synthieflächen durchzogen sind. Der Vocodergesang erinnert dabei ansatzweise an Kraftwerk & Co. Auch dieser Track verströmt eine mystische Atmosphäre.

„Go Forward“ ist dann der erste Track bei dem die Stimmen von Alien Voices zum Einsatz kommen. Wenn man sie nicht schon gesehen hat, kann man nicht genau erkennen was aus dem Synthie kommt und was aus den Kehlen der beiden Stimmakrobaten. Musikalisch fällt dieses ruhig gehaltene Stück allerdings ein wenig ab. Rhythmischer wird es dann wieder in „To Tomoro“ (ja die Schreibweise ist richtig), das die Handschrift von Zeus B. Held’s Solowerke trägt und von Steve’s triebenden Beats angetrieben wird.

„Kant Can Dance“ beginnt mit herrlichen Gesangspassagen von Alien Voices, die für den mystischen Effekt sorgen. Das erinnert sehr stark an das tolle Album „Qigong Dancing“. Außerdem haben Dream Control noch mit Anne Zeides eine weibliche Gesangsstimme hinzugefügt, die dem Track noch einmal eine ganz besondere Note verleiht und ihn in Popgefilde führt.

Das 14:20minütige „Doors Of Perception“ bewegt sich mit seinen Stimmungsbildenden Klangformationen eher im Ambient und in der Spacevariante der elektronischen Musik. Erst nach ca. der Hälfte kommen dann leichte Rhythmen auf, die wieder eine Spur Rockmusik beinhalten ohne aber in diese abzudriften.

Nach dem durch Pianosounds und von Oberton Gesang sowie ethnischen Klängen getragenen „Tomaga“, das auch einige sakrale Sounds beinhaltet, aber nach etwas mehr als einer Minute in einen unwiderstehlichen, tanzbaren Part übergeht (dieser Track gehört für mich ebenfalls zu den Highlights des Albums), haben die beiden eine 5:15minütige Version von „Gamma Ray“ platziert.

„Gamma Ray“ ist wohl das bekannteste Stück von Birth Control und gehörte auf so mancher Rockfete in den 70’er Jahren zum Standardprogramm. Diesen Track haben Dream Control in ein recht elektronisches Stück mit treibenden Beats verwandelt, das man am Anfang noch nicht wirklich erkennt. Der Originalorgelsound wird dann mit technoartigen Beats verschmelzt und mit Vocoderstimme versetzt. Das ist zwar außergewöhnlich, kann das Flair des Originals aber nicht erreichen. Hier sollte sich jeder sein eigenes Bild machen. Mit dem 16:23minütigen „Blick aus meinem Fenster“ endet dann das Album.

Dream Control ist ein hochgradig interessantes Projekt von zwei Altmeistern aus den Bereichen Elektronik und Rock. Mit „Zeitgeber“ haben sie ein Album eingespielt, das spannende Elektroniksounds und Melodien mit rockigen Elementen vereint. Allerdings werden die Fans von „Gamma Ray“ auf eine harte Probe gestellt, denn Dream Control’s Version ist gewöhnungsbedürftig.

Stephan Schelle, Oktober 2017

 
   

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