Cosmic Ground - 0110
 

Cosmic Ground - 0110
Eigenvertrieb / Studio Fleisch (2020)
(
5 Stücke, 78:14 Minuten Spielzeit)

Fast genau ein Jahr nach dem Album „5“ von Cosmic Ground legt Dirk Jan Müller, der ansonsten mit seiner Psychedelic-/Krautrockband Electric Orange unterwegs ist, ein neues Elektronikalbum seines Projektes mit dem Titel „0110” nach. Der Titel ist dabei passend gewählt, denn „0110” ist die binäre Zahl 6 und dieses Album das Sechste von Cosmic Ground. Dieses Mal ist er sehr stark im Umfeld der „Berliner Schule” der 70’er Jahre unterwegs, denn die fünf Tracks mit Laufzeiten von 10:29 bis 20:15 Minuten Spielzeit werden durch repetitive Soundstrukturen sowie Sequenzerrhythmen bestimmt.

 

 


Das Album, das in einem Jewelcase mit vierseitigem Booklet erscheint, in dem aber keinerlei Informationen abgedruckt sind, startet mit dem 10:29minütigen Stück „Parasite”. Ob dieser Track in Zeiten der Covid 19-Pandemie dem Virus und der damit verbundenen schwierigen Zeit gewidmet ist, lässt sich daher nicht herauslesen bzw. -hören.

Flächen kommen zu Beginn des Openers langsam aus dem Off in den Vordergrund. Dirk unterlegt die sich nur langsam verändernden Flächen mit einem im Hintergrund sanft tuckernden Sequenzerrhythmus, der langsam an Dynamik gewinnt. Das ist bester Stoff aus dem Klassenzimmer der „Berliner Schule” der 70’er Jahre, da die Sounds hypnotisch durch Raum und Zeit ziehen. Melodien sucht man hier allerdings vergeblich. Die sind bei dieser hypnotischen Stimmungserzeugung aber auch nicht erforderlich.

Der zweite Track „Procreation” bringt es auf 17:18 Minuten Spielzeit und startet ebenso wie „Parasite” mit sehr ruhig angelegten Flächen. Jetzt addiert aber Dirk noch einige atmosphärische Gitarrensounds hinzu, die akzentuiert gesetzt werden. Auch dieser Track schwebt förmlich dahin und bringt durch Orgelähnliche Sounds einen gewissen Retrotouch mit sakralem Flair ins Spiel. Das hat was von frühen Tangerine Dream. Auch hier erzeugt die Musik durch ihre zeitlupenartige Entwicklung und Veränderung eine sehr hypnotische Sogwirkung. Nach etwas mehr als fünf Minuten wird es dann besonders für die Freunde Sequenzer orientierter Musik interessant, denn nun startet Dirk eine stoische Rhythmussequenz, an die sich die Flächen und Harmonien anschmiegen. Das besondere Flair entsteht dann durch wiederum gut platzierte Gitarrensounds und die Dynamikveränderungen.

Dem folgt dann das elfminütige „Sorrows Of Venus”, das sofort recht rhythmisch mit Sequenzer beginnt. Dieser treibende Beat zieht sich dann auch durch das komplette Stück. Es ist erstaunlich welche Faszination Dirk mit nur wenigen Veränderungen in Sound und Klangfarbe hier erzeugt. Ich kann ihn in diesem Stück förmlich an den Drehregelern schrauben sehen. Dann kommen nach einigen Momenten herrliche, harmonische Flächen auf. Dirk treibt das Stück nun immer weiter voran um es dann am Ende sanft ausklingen zu lassen. Toller Track.

Mit „Wrong Planet?”, das mit 19 Minuten zu Buche schlägt, geht es dann genau so weiter, wie in den vorangegangenen Tracks. Die Frage stellt sich, ob Dirk Jan Müller sich auf dem falschen Planeten fühlt, da sich die Weltlage derzeit drastisch verändert. Dieser Track mit seinem unterschwelligen Rhythmus ist recht düster gehalten. Hier bewegt sich Dirk zunächst im Darkambient-Umfeld. Es dauert einige Minuten bis der Sound etwas heller wird, ohne aber wirklich positiv zu wirken. Das Stück ist vor allem durch die leichte Veränderung der Rhythmusmuster geprägt. Das letzte, 20:15minütige Stück „Cosmic 72” beschließt dann das Album. Ob dies ein Stück aus 1972 oder an die Zeit angelehnt ist, ist der CD auch nicht zu entnehmen. Der Synthie zu Beginn des Stückes ist nicht so glasklar wie bei den anderen Stücken. Hier ist anfangs ein gewisses Grundrauschen in den sich langsam, zeitlupenartig ausbreitenden Flächen zu hören. Auch dieser letzte Track weist Darkambient-Elemente auf und wirkt dadurch vor allem in der ersten Hälfte recht düster. Im zweiten Teil wird es dann gar etwas experimentell.

Dirk Jan Müller hat die fünf Tracks seines neuesten Cosmic Ground-Albums „0110” in den Jahren 2019/2020 aufgenommen. Er bewegt sich auf den Tracks im Umfeld der „Berliner Schule” der 70’er Jahre und fügt daneben auch noch Darkambient-Passagen hinzu. Vor allem die ersten drei Stücke bieten eine hohe hypnotische Wirkung, während die letzten beiden Tracks doch recht düster aus den Boxen drängen. Alle Stücke werden aber von sich repetitiv verändernden Klangstrukturen und Rhythmen bestimmt. Damit bietet das neueste Cosmic Ground Werk für Freunde von ambienten Klangmustern mit Sequenzer orientierten Rhythmusstrukturen wieder besten Hörstoff.

Stephan Schelle, Dezember 2020

 
   

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