Bernd-Michael Land - Rodgau Field
 

Bernd-Michael Land - Rodgau Field
Elektro Kartell (2021)

(29 Stücke, 147:14 Minuten Spielzeit)

Wer die Veröffentlichungen des in Rodgau-Hainhausen lebenden Elektronikmusikers Bernd-Michael Land kennt, der weiß, dass hier ein Klangkünstler am Werk ist. Land ist nicht darauf spezialisiert Songs an seinem elektronischen Instrumentarium einzuspielen, sondern nimmt vielfach in so genannten Field Recordings (Feldaufnahmen) Umweltgeräusche auf, die er durch seine elektronischen Geräte laufen lässt und diese dann in seine Stücke integriert. Im Frühjahr 2021 erscheint das neue Album von Land unter dem Titel „Rodgau Field“.

 

 


Bernd Michael Land beschreibt seine Musik selbst als „Elektronische Ambientmusik mit Field Recording und Bioakustik“. Sein erklärtes Ziel war es, von der Umgebung der Stadt Rodgau ein akustisches Portrait zu kreieren. Es sollte aber keine rein auditive Collage geschaffen werden, welche nur aus den atonalen Geräuschen der Außenaufnahmen mit Mikrofonen besteht, sondern auch musikalische und harmonische Kompositionen enthalten. Die Kombinationen von elektronisch erzeugten Klängen aus Synthesizern mit akustischen Soundscapes, evozieren meditative Klangskulpturen. Die komplexen abstrakten Klangphänomene, verbinden sich in neuem Kontext und lassen nicht immer klar definiert auf die Ursprungsquelle schließen.

Bei den Feldaufnahmen ist vor allem Geduld gefragt. So ist auf der Internetseite von Bernd-Michael Land zu erfahren, dass er den Ruf eines Rotmilans erst nach dem vierten Anlauf realisieren konnte, da Tiere nunmal ihren eigenen Tagesablauf haben und sich nicht daran störten, ob jemand ihre Stimme aufnehmen möchte. Ein weiteres Beispiel war die Aufnahme des Rauschens eines vertrockneten Maisfeldes. Hier schreibt Land auf seiner Seite:

Der Jahrhundertsommer 2018 - das Rauschen der vertrockneten Maisfelder ist schon von weitem zu hören.

-Erster Versuch. Es hat in der Nacht zuvor leicht geregnet. Die Maisblätter waren noch feucht und raschelten leider nicht.
-Zweiter Versuch. Mikrofon aufgebaut, alles bereit, aber wo bleibt der Wind?
-Dritter Versuch. Es fing plötzlich an zu nieseln, also abbrechen und einpacken.
-Vierter Versuch. Eine Stunde zu spät, das Maisfeld wurde gerade abgemäht.
-Fünfter Versuch. Ein anderes Maisfeld in der Nähe vom Neubaugebiet. Die Baustellengeräusche machten eine Aufnahme jedoch unmöglich.
-Sechster Versuch. Wind, viel zu viel starker Wind. Die Aufnahme war komplett unbrauchbar.
-Siebter Versuch. Alles vorbereitet und aufgebaut, plötzlich ging wieder der Baulärm los.
-Achter Versuch. Der Mais war wieder schön trocken, es wehte ein laues Lüftchen und die perfekte Aufnahme war endlich im Kasten.

Über sieben Stunden Aufwand für 4 Minuten Maisfeld.

Das zeigt, wie viel Aufwand in der Erstellung elektronischer Musik-/Klangerzeugung stecken kann. Elektronische Musik ist nicht einfach nur auf ein paar Knöpfe drücken und fertig ist die Sache.

Bereits im Sommer 2018 startete Land das Projekt mit den ersten Feldaufnahmen, dessen Produktionsbeginn im Dezember 2020 startete. Zunächst musste Bernd-Michael das ganze Material, was sich in den letzten drei Jahren angesammelt hatte sichten und von nicht gewünschten Nebengeräuschen, wie z. B. Wind, befreien. Darauf aufbauend entwickelten sich dann insgesamt 29 Stücke mit Laufzeiten von 1:15 bis 9:49 Minuten Spielzeit, die auf das Doppelalbum gepackt wurden. Das Doppellalbum erscheint in einem Jewelcase mit 28seitigem Booklet.

Alle Stücke zu beschreiben macht hier keinen Sinn, daher beschränke ich mich auf den Gesamteindruck bzw. einige Beispiele. Bernd-Michael Land hat hier einige sehr schöne Harmonien erstellt, wie im eröffnenden „Vogelperspektive“, die er hier immer wieder mit rhythmischen Sequenzermustern verziert. Das klingt sehr luftig und eingängig. In „Rainer Maria“ mischt er dann kräftiges Vogelgezwitscher mit elektronischen Melodielinien. „Linie S-01“ ist dagegen recht technologisch angelegt, da hier Geräusche einer vorbeifahrenden S-Bahn Grundlage für dieses Stück sind. „Tanz der Fledermäuse“ zeigt sich demgegenüber als Klangcollagen in der die Aufnahmen von Fledermäusen durch elektronische Sounds und Echoeffekte verstärkt werden.

„Pulsschlag“ wiederum ist ein fast schon loungeartiger, melodischer Track. Wasser spielt dann in der fast schon Theatermusik/Klangkollagen-mäßigen „Die Rodau“ die Hauptrolle. In „Honigatelier“ steht dann, wie man am Namen schon ablesen kann, das Bienenvolk im Vordergrund. Witzig ist auch das surreale „Das Grillfest“, bei dem Bernd-Michael die Klänge so verfremdet hat, das man nur einige Stimmen erahnen kann. Wenn man sich dann „Maisfeld“ anhört und die oben beschriebenen Schwierigkeiten bei den Feldaufnahmen berücksichtigt, bekommt man noch mal einen ganz anderen Zugang zu den Sounds. Das sind einige Beispiele für dieses außergewöhnliche Album.

Mit „Rodgau Field“ schauen wir durch die Augen/Ohren des Elektronikmusikers Bernd-Michael Land und erleben seine Heimatstadt und Umgebung auf eine ganz besondere musikalische Art. Dabei wechselt er immer wieder zwischen sehr harmonischen und schon melodiösen Passagen, naturverbundenen, surrealen und experimentellen Klangformationen. Lässt man sich auf diese Klangreise mit seinen verschiedenen Stimmungslagen ein, erlebt man hochgradig spannendes Kopfkino.

Stephan Schelle, April 2021

 
   

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