Bernd Kistenmacher - Disintegration
 

Bernd Kistenmacher - Disintegration
MIRecords (2017)

(
8 Stücke, 62:48 Minuten Spielzeit)

Im März 2017 erschien das neueste Werk des Berliner Elektronikers Bernd Kistenmacher. Es trägt den Titel „Disintegration“, was soviel wie Zerfall, Auflösung oder Zusammenbruch bedeutet. Im Jahr 1989 veröffentlichte die britische Band The Cure ein Album gleichen Titels, das aber mit dem neuesten Output von Bernd Kistenmacher bis auf den Albumtitel keine Gemeinsamkeiten aufweist. Bernd, der nach einer mehrjährigen Pause seit 2009 wieder aktiv ist, veröffentlicht damit sein sechstes Studioalbum („Let It Out ! + Compressed Fluid“ nicht mitgerechnet) im neuen Jahrtausend.

 

 


Schaut man sich das Cover des Albums an, auf dem Baumstämme und Äste in einem Gewässer liegen, das im Nebel zu verschwinden scheint, so liegt die Bedeutung Zerfall schon am Nächsten. Das Cover wirkt damit ein wenig trostlos.

Das neue Album, das Bernd auf analogen und digitalen Synthesizern eingespielt hat, ist ein Konzeptwerk in acht Abschnitten. Den ersten Abschnitt stellt das eröffnende „Disintegrated World“ dar, das in seinen 3:14 Minuten eine für Bernd Kistenmacher recht düstere Stimmung verbreitet. Es klingt durch den Einsatz der Sounds recht mystisch und vermittelt den Eindruck durch eine verlassene Landschaft, die auch noch im Nebel zu liegen scheint, zu wandeln. Das ist Musik die auch gut in einem Horrorstreifen Verwendung finden könnte. Dieser erste Track passt gut zum Albumcover.

Erst mit Beendigung dieses ersten Stückes und dem Beginn des nahtlos folgenden „Lost In Time“ erhellt sich die Stimmung, denn nun kommen Sequenzerrhythmen sowie herrliche Melodiebögen und Flächen auf. Zwar bleibt eine gewisse Mystik bestehen doch schafft es Bernd ab hier den Hörer in seinen neuen Klangkosmos zu ziehen.

Das folgende „Running Backwards“ kann wörtlich genommen werden denn hier herrscht – nach einem verhaltenen Beginn - „Berliner Schule“ in bester hypnotischer Form vor. Sich stetig wiederholende Rhythmusformen werden durch die Aufschichtung von Sounds und Strukturen kombiniert. Das verbreitet den unwiderstehlichen Charme von Bernd’s Frühwerken. Das knapp dreiminütige „Sand In The Desert“ wirkt dagegen wie eine schimmernde Fatamorgana mit seinen flirrenden Sounds und der weiblichen Stimme, die durch den Soundnebel weht.

„Refleting Ice“, mit seiner Laufzeit von 11:21 Minuten, wirkt dagegen gar nicht so unterkühlt, wie es der Titel vielleicht suggeriert. Langsam zieht dieses Stück in den ersten beiden Minuten seine Kreise mit sanften basslastigen Synthiesounds, die den harmonischen Unterboden darstellen. Danach kommen Flächen auf und der Rhythmus legt eine Spur zu, so dass jetzt eine relaxte loungige Atmosphäre entsteht. Das ist Musik, in die man sich gerne fallen lässt und seinen Gedanken freien Lauf lassen kann. Stoisch treibt Bernd dieses Stück über die volle Laufzeit dahin.  

Sanfte hohe Klänge erwarten einen dann im 7:20minütigen „On The Edge Of Existance“, das nach einigen Momenten mit symphonischen Klangfarben fortgeführt wird. Streichersounds ziehen dabei langsam durch den Äther, wie Wolkenschleier am Himmel. Dieses Stück vermittelt aus meiner Sicht eine gewisse orchestral/sakrale Atmosphäre.

Das 10:22minütige „Frozen Magic“ zieht in den ersten fünf Minuten recht nebulös durch den Raum, was an den Klangfarben liegt, die Bernd hier gewählt hat. Danach kommen Flächen und Klänge auf, die bei mir den Eindruck erwecken, als würden sie eine Landschaft aus Eiskristallen beschreiben, die in einer Höhle in allen Farben glänzt. Das wird durch die weiten Flächen und teils hellen Sounds erzeugt, die immer wieder eingestreut werden.

Das 13:39minütige Titelstück bilden dann den Abschluss dieser neuen CD von Bernd Kistenmacher. Klackende Soundeffekte eröffnen den Titeltrack, der dann durch Harmonien, die lang gezogen sind, in einen mystisch/erhabenen Part übergehen. Damit hat er erneut einen Track auf dem Album, in den man sich fallen lassen kann, auch wenn er nicht in allen Bereichen harmonisch ausgebaut ist. Zum Ende hin kommen weitere ungewöhnliche Sounds auf, die dem Stück eine erneute Portion Magie verleihen. Und ab Minute Zehn wird es dann sogar richtig rhythmisch mit symphonischen Elementen, was diesem Track einen Soundtrackcharakter verleiht.

Mit „Disintegration“ hält der Berliner Bernd Kistenmacher seinen hohen Standard, den er seit vielen Jahren innehat, aufrecht. Auch Dieses Werk ist wieder voller hypnotischer Sounds, Klangfarben und Strukturen und zieht den Hörer schnell in seinen Bann.

Stephan Schelle, August 2017

 
   

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