Auto-Pilot – The Atlantic Machine
 

Auto-Pilot – The Atlantic Machine
9Volt Records (2013)
(10 Stücke, 61:17 Minuten Spielzeit)

Auto-Pilot nennt sich ein Elektronikduo aus Großbritannien. Die beiden Protagonisten sind Adrian Collier (Synthesizer, Gitarre, Gesang) und Shaun Herbert (Synthesizer, Samples), die man in Deutschland erstmals beim diesjährigen Electronic Circus-Festival in Gütersloh erleben durfte. Bereits seit 1996 gibt es Auto-Pilot, die eine Mixtur aus treibender Rhythmik, atmosphärischem Prog, New Wave, Synth-Pop und traditioneller Elektronik bieten. Das Duo lässt sich da gar nicht auf ein Genre festlegen und schaut über den Tellerrand hinaus immer nach neuen Möglichkeiten.

 


„The Atlantic Machine“ scheint das dritte Album dieses Projektes zu sein, denn über ihre Internetseite sind auch noch zwei ältere Alben („Out There“ und „Ocearina“) zu beziehen. „The Atlantic Machine“ ist ein Konzeptalbum, das bereits im Jahr 2012 erschienen ist. Auf diesem Album, das sich mit den dunkleren Seiten der menschlichen Emotionen befasst, haben Adrian und Shaun bei zwei Stücken mit weiteren Musiker gearbeitet. Zum einen hat sich der Bassist Malcolm Brown im Stück „Golden Touch“ eingebracht, zum anderen singt der kanadische Rapper SHAM den Track „Do Not Resuscitate“. Diese Zusammenarbeit macht die grenzüberschreitende Denkweise der beiden Musiker deutlich.

Der Opener des Albums, dessen Stücke ineinander übergehen, heißt „Sunrise Over“. Das Stück beginnt - wie bei traditioneller Elektronik üblich - mit weiten Synthieflächen. Aber schon der harte Rhythmus lässt erahnen, dass sich die Musik auf diesem Album anders darstellt, als für gewöhnlich. Schon früh kommen Sounds auf, die auch an New Wave und Electropop erinnern. Adrian erklärte mir auf dem Electronic Circus-Festival das er die Musik seines Projektes in der Schnittmenge von Human League, Tears For Fears und Pink Floyd sieht. Und die ersten Klänge zeigen zumindest schon mal eine Mischung aus Tears For Fears und elektronischer Musik. Das ist sehr atmosphärisch, rhythmisch und eingängig.

Nach einer Art Donnerschlag folgt dann das nächste Stück „After The Big One“, das zunächst mit einigen stillen Momenten beginnt, die dann von einer perkussiven Rhythmik unterbrochen werden. Im weiteren Verlauf kommen dann noch Flächen hinzu und nach zweieinhalb Minuten sorgt Adrian an der E-Gitarre für Gänsehaut, denn diese eindringliche Harmoniefolge geht sofort unter die Haut. Hier werde ich unweigerlich an David Wright und seine Musik erinnert. Immer dynamischer und treibender wird dieser Track vorangetrieben. Bis dann Funkverkehr oder etwas Ähnliches die Stimmung durchbricht.

Ein Herzschlag eröffnet „Do Not Resuscitate“, bei dem schnell Rapper SHAM die Oberhand gewinnt und nun einen Hip Hop-Song vorträgt. Das ist für ein Projekt, das sich im elektronischen Bereich sieht, schon recht ungewöhnlich. Aber auch dieser Song ist sehr melodisch und passt so gut in das Gesamtkonzept.

Uhrticken und ein lautes einatmen führen in „Stop The Clock“ ein. Die simple Melodie, die zunächst im Hintergrund liegt, kommt langsam hervor und wird um einen E-Drum-Rhythmus erweitert. Sehr gut gefällt mir auch die Basslinie im zweiten Teil des Tracks. Musikalisch bewegen sich Auto-Pilot hier in der traditionellen Elektronik.

Das Bild wandelt sich dann im nächsten Stück „Life“, das mit E-Gitarre und Gesang eine andere Richtung vorgibt. Dieses Stück kommt an die atmosphärischen Klänge eines Steven Wilson heran und zeigt sich von seiner zerbrechlichen Seite. Die Gitarre wird nur von herrlichen Flächen untermalt. Eine Pianomelodie sorgt im weiteren Verlauf für Gänsehaut.

Das Titelstück ist mit zehn Minuten der Longtrack des Albums. Wellenrauschen und eine zarte Synthiemelodie die mit Echoeffekten versehen sind, sorgen hier für Gänsehautstimmung. Auch wenn der Track im weiteren Verlauf einen trockeneren Klang bekommt (durch das Schlagzeug), so verliert er doch nichts von seiner Faszination. Der Übergang zum nächsten Track „Golden Touch“ wird durch einen Sendersuchlauf hervorgerufen. Dieser Track ist ebenfalls wieder mehr im Rock-Pop-Bereich angesiedelt, da er mit Gesang versehen ist. Auch wenn ich im Moment nicht drauf komme, so kommt mir diese Tonfolge und der Echohafte Gesang doch bekannt vor. Das ist ebenfalls perfekt gemacht und verbreitet eine gewisse melancholische Stimmung.

Das traumhafte „My New Friend“ mit seinen herrlichen Flächen und dem sanften Gesang, das Electropop-Stück „Project 89“ und die stampfende fast technoartige Nummer „Level One“, die ebenfalls nach Electropop klingt, beschließen dann das Album.

Auto-Pilot haben mit „The Atlantic Machine“ eine ausgesprochen schmackhafte Mischung aus Prog, New Wave, Synth-Pop und traditioneller Elektronik entwickelt, die es so noch nicht gab. Das ganze Album ist fesselnd, lässt alle musikalischen Grenzen verschmelzen und lässt einen so schnell nicht wieder los. Ein klasse Werk das man haben muss.

Stephan Schelle, Oktober 2013

 
   

CD-Kritiken-Menue