Interview mit Lupo und Milla im WDR 1 (Musikszene West) vom 28.02.1986

 

Ansage von Ulrike Gruner:
16 Jahre auf der Bühne, 12 Langspielplatten, so sieht die Erfolgsbilanz der Hagener Gruppe Grobschnitt aus. Heute Abend um 20 Uhr beginnt in der Kulturhalle Menden/Hüingsen das Auftaktkonzert ihrer 86‘er Tournee. Andreas Huub (AH) hat sich vorher mit den Musikern unterhalten.

(Während des Interviews läuft im Hintergrund eine Aufnahme von der Probe des Stücks "Sonnentanz".)

AH:
Freunde der Band haben es sicher gleich erkannt. Das ist "Solar Music", Dreh- und Angelpunkt in jedem Grobschnitt-Konzert seit vielen, vielen Jahren. Wenn heute Abend in Menden der Startschuss für die 86‘er Tournee der Band fällt, ist natürlich auch dieses Stück dabei. Was sonst noch, erzählt Gitarrist Lupo.

Lupo:
Wir haben 1982, ’84 und ’85 so 2 ½-Stunden-Konzerte gemacht und dieses Jahr kracht es also wieder richtig im Gebälk. Unser Programm ist 3 ½ Stunden lang. Also ich muss sagen, es macht einen Spaß bei der Probe, es ist nicht auszuhalten. Wir spielen Auszüge aus "Rockpommel’s Land", wir spielen Auszüge aus der "Jumbo"-LP, wir spielen neues, unveröffentlichtes Material, "Solar Music". Wir machen eine neue Show.

AH:
Ein Querschnitt durch 16 Jahre Grobschnittmusik wird es also geben. Und selbst uralte aber beliebte Klamauk- und Shownummern wie die Sahara werden wieder aus der Mottenkiste geholt. Mit neuem Selbstbewusstsein gehen die sechs Hagener im Jahre eins nach ihrem 15jährigen Dienstjubiläum wieder auf die Bühne. Zu Zeiten der "Neuen Deutschen Welle" sah es so aus, als sei diese Ära der Rockmusik endgültig vorbei und die "Rockopas" hätten abgedankt. Heute sieht Bassist Milla Kapolke seine Band wieder im Aufwind.

Milla:
Ich glaube eigentlich, dass es für uns in den letzten Jahren leichter geworden ist. Und ich glaube dass das, was wir machen bei den Leuten im Moment ziemlich angesagt ist. Das merkst du gerade auch bei Tourneen, dass die Leute wieder verstärkt in unsere Konzerte kommen, weil bei Grobschnitt viel Musik und viel Show geboten wird. Diese Zeit, wo Gruppen eben so ne halbe Stunde schnell runtergespielt haben, die ist eigentlich vorbei. Ich glaube auch das es in der gesamten deutschen Szene so ist. Es sind ja auch viele Leute, die jetzt bekannt geworden sind,  schon unwahrscheinlich lange dabei. Ob das Herbert Grönemeyer, Wolf Maahn oder so ist .....

Lupo:
Früher waren wir vielleicht sehr unberechenbar. Das heißt, die Gruppe hatte wirklich , hart ausgedrückt, nur Scheiße im Kopf. Also nur Späße machen. Ach, wenn ich die ganzen Geschichten erzähle, von früher, ja. Also früher haben wir ab und zu mal Krach mit dem Hausmeister gehabt. Es war also oft genug, wo wir wirklich die Hausmeister aus ihrer eigenen Halle rausgeschmissen haben. Die mussten dann die Halle verlassen, oder wir haben sie mal kurz im Nebenraum eingesperrt. El Blindo hatte in Ludwigsburg irgendwo den Hausmeister an den Kragen gepackt und ihm gesagt: "Also wenn du jetzt nicht ruhig bist, hänge ich dich da oben an die Traverse". Und dann war ruhig. Der hat dann den Chef angerufen und dann kamen sofort zwei Mannschaftswagen der Feuerwehr. Ja, und dann waren wir still. Aber gespielt haben wir dann noch.

AH:
Keine Angst liebe Hausmeister, die sie uns gerade zuhören, das war vor zehn Jahren und mehr und heute lacht man bei Grobschnitt über solche Anekdoten. Verrückt sein, meinen die Musiker, müsse man zwar genau wie früher, sonst sei das schließlich kein Rock ‘N‘ Roll, aber heute bestimmt in erster Linie harte Arbeit das Geschehen. So hat sich die Band bereits zwei Wochen vor Tourneebeginn in der Mendener Kulturhalle einquartiert um dort zu proben. Ein großer technischer und finanzieller Aufwand, ohne den es aber nicht zu gehen scheint. An der Musik selbst kann man zwar im Probenraum arbeiten aber ...

Milla:
...dann kommt alles zusammen. Wir proben richtig mit Licht. Das ganze Licht muss aufgebaut werden. Wir machen also nicht so eine Lightshow mit ein paar bunten Birnen, sondern es ist schon sehr genau ausgeklügelt. Es werden Lichtbilder erstellt. Das Licht ist bei uns immer ein sehr wichtiger optischer Faktor. Da muss jeder Lichteinsatz auf jedem Ton und bei jedem Break ganz genau synchron sein, muss ganz genau stimmen. Das ist eine Sache, die sehr viel Zeit erfordert. Hinzu kommen die ganzen Showeinlagen mit Kostümierung usw. Das kann man eigentlich auch nur auf einer richtigen Bühne entwickeln. Dann machen wir auch sehr genau und penibel Tonübungen, das heißt, unser Geheimrat Günstig muss auch üben. Das kann er bei uns im Übungsraum nicht. Es gibt viele Bands, die so die ersten zehn Auftritte eigentlich schon mal abhaken und sagen: "Das sind unsere Übungsauftritte und ab da werden wir ganz gut". Wir versuchen halt immer schon bei unserem ersten Auftritt wirklich auch optimal zu sein.

AH:
Der eben erwähnte Geheimrat Günstig ist nebenbei bemerkt der Soundmixer bei Grobschnitt. Und das manches in dieser Gruppe anders läuft als bei anderen, lässt sich schon an den leicht verschrobenen Namen wie Lupo, Wildschwein oder Toni Moff Mollo festmachen. Es gibt wohl auch keine andere Band, die auf die merkwürdige Idee verfiele, ein und dasselbe Stück, zumindest vom Namen her, zum dritten Mal auf Platte zu veröffentlichen. So geschehen bei "Sonnentanz", der aktuellen Live-LP, hinter der sich natürlich nichts anderes als das berühmte "Solar Music" verbirgt, wenn auch in seiner wahrscheinlich 795zigsten Version. Warum dieser Hattrick, verrät Lupo.

Lupo:
Die erste Liveversion ist 1978 rausgekommen. Wir haben diese Platte eigentlich jetzt nur rausgebracht, also ursprünglich wollten wir es gar nicht ..... Aber seit exakt 1981 ist eine derartige Nerverei nach den Konzerten am Bühnenrand, wenn die Leute dort stehen und guten Tag sagen und das ein oder andere Autogramm haben wollen. Dort gibt es immer nur eine Frage "Wann kommt diese Version von Solar Music, die ihr gerade gespielt habt, auf Platte?". Und dieses Jahr haben wir uns überlegt, da es ja sieben Jahre her ist, jetzt riskieren wir es einfach mal und haben es dann gemacht. Ich will das nicht ausschließen, dass 1992 noch mal eine kommt (lacht).

AH:
Kein utopischer Gedanke angesichts der Begeisterung, die Grobschnitt heute genauso wie früher im Publikum auslöst. Immerhin kamen über 100.000 Zuhörer zur letzten Tour. Und das sind keineswegs nur die Fans von gestern, die ihrem untergegangenen Freakparadies ein paar nostalgische Tränen nachweinen wollen, sondern das sind immer mehr auch ganz junge Leute. Grobschnitt also in den nächsten Wochen unterwegs. Es sind zu viele Konzerte um alle hier aufzuzählen. Aber wenn irgendwo die Funken fliegen und die Feuerwehrleute nervös werden, dann könnt ihr sicher sein, da fackeln gerade die Verrückten aus Hagen mal wieder die Sahara ab.

 

Pressetexte-Menue