Zeitungsartikel vom 22.11.1975

 

Als die ungewöhnlichste deutsche Rock-Gruppe wird Grobschnitt aus Hagen/Westfalen bezeichnet.

SÖLDNERHORDE MIT KRATZGERÄUSCHEN

"Grobschnitt ist die ungewöhnlichste deutsche Rock-Musik-Gruppe. Grobschnitt hat man entweder zum Freund oder zum Feind. Grobschnitt ist einzigartig auf der ganzen Welt. Wenn Sie von Kanonenschlägen geweckt werden, wenn Ihr Licht flackert und im Radio merkwürdige Kratzgeräusche die Musik zerfetzen, wenn das Wasser aus Ihrer Leitung grün fließt und urplötzlich dichte Nebelschwaden die Blumen im Vorgarten zusammensinken lassen, dann ist mit Sicherheit Grobschnitt in Ihrer Nähe" – Soweit der Anfang eines fast sechs Seiten langen Schreibsels der Plattenfirma Metronome, die auf diese Weise (schlimmer geht es kaum noch) die deutsche Gruppe Grobschnitt anpreist. Grobschnitt wird nämlich am 28. November (Freitag) bei "Meyer Zur Post" in Bassum-Neubruchhausen spielen. Veranstalter ist der Stadtjugendring Bassum, dessen Mitglied Christoph Lanzendörfer ebenfalls etliche Zeilen über die Sache schrieb und die – weil sie sich "normaler" anhören – hier in Auszügen gedruckt werden:

"Es wird immer etwas geboten im Kreis. Unter dem Motto "Endlich mal was los hier" veranstaltet der Stadtjugendring Bassum am 28.11. in Bassum-Neubruchhausen ein Rock-Konzert. Es wurden zwei Gruppen für das Konzert gewonnen, die sowohl den Eingeborenen des Kreises als auch den "Zuagroasten" längst Begriffe sind: Grobschnitt und Jazz-Well.

Jazz-Well vorstellen zu wollen hieße, den Leser zu langweilen und den Wert der Gruppe zu mindern. Ohne Jazz-Well ist die "Bassumer Szene" überhaupt nicht vorstellbar. Gut in Erinnerung ist noch das Konzert mit Jazz-Well vom April dieses Jahres (das ebenfalls der SJR veranstaltete), bei dem schon eine Stunde vor Beginn die Türen geschlossen werden mußten, weil die Aula der Realschule sonst geplatzt wäre.

Grobschnitt aus Hagen hingegen dürfte den meisten nur von der Platte bekannt sein, deren vier die Gruppe bisher herausgebrachte. Grobschnitt - das war einst der Name einer musizierenden Söldnerhorde aus Westfalen. Heute ist es der Name einer Rockband, die von sich selbst behauptet, die verrückteste Show-Band der Welt zu sein. Nämlich völlig entgegen der üblichen, manchmal lächerlich ernsthaften Musiziererei veranstaltet Grobschnitt einen Höllenklamauk auf der Bühne, der dem Zuschauer und den Mitgliedern oft selbst vor Lachen das Wasser in die Augen treibt.

Gegründet wurde die Gruppe 1966 von Joachim Ehrig, Stefan Danielak und Gerd Kühn, die noch heute Schlagzeug, Rhythmus- und Sologitarre bedienen. Sonst noch gehören zur Band Volker Kahrs (Klavier, Orgel), Wolfgang Jäger (Baß) und Rainer Loskand, der die 30.000-Watt-Lichtanlage zu bedienen versteht. Übrigens gab es wegen dieser Gewalt-Lichtanlage noch einige Aufregung für die Veranstalter: die Stromanschlüsse bei Post-Meyer waren einfach zu klein. Sie mußten eigens für Grobschnitt umgebaut werden!

Das Konzert selbst läuft fast ab wie ein Film. Theatralische Einlagen und Szenen voller Ironie wechseln ab mit spontanen Gags und einer Unzahl ausgereifter musikalischer Kompositionen. Optische Effekte wie Nebel, Feuer und Schnee gehören ebenso fest zum Programm, wie plötzliche Tonbandeinspielungen. Das leicht blasphemisch anmutende Schauspiel "Am Ölberg" erschütterte bereits 1972 die Grundfesten des religiösen Denkens in Deutschland, während die "Sahara-Show" mehr die Zwerchfelle der Zuschauer erschüttert.

Das ganze Rock-Konzert hat trotz Jazz-Well und Grobschnitt allerdings auch seine Schattenseite: und das ist der horrende (Scherzkeks! - die Red.) Eintrittspreis von sage und schreibe fünf Mark! Über den kann man wirklich nur noch seinen Kopf schütteln. Aber obwohl Grobschnitt bereits auf zwei Drittel seiner sonst üblichen Gage verzichtet hat, schwitzen die Verantwortlichen des SJR schon jetzt, ob sie nicht doch ein Minus machen"

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