Rundschau Wochenend vom 26.07.1980

 

"Nur Nina kommt nicht aus Hagen" - mit dieser flotten Werbeanzeige weisen die Stadtväter von Hagen auf einen bunten Tupfer in ihrer Kulturszene hin: rund 60 Rockgruppen haben ihre Heimat am Eingang zum Sauerland gefunden. Damit kann sich Hagen durchaus mit Großstädten wie Düsseldorf oder Hamburg messen. Nur die berühmte Rocklady Nina Hagen hat nichts mit der gleichnamigen Gemeinde gemeinsam.

Über Hürden zur Spitze

Rock - made in Hagen

Von Klaus Bröking

Bisher kannte es die immer größer werdende Gemeinde der Rock-Anhänger nur aus Großstädten. In Hamburg, Berlin Düsseldorf und München sprachen die Eingeweihten schon lange von einer "Szene" der harten Musik. Seit einem Jahr haben sich auch die jungen Musiker aus Hagen in den Reigen der großen Namen eingereiht. Die heimischen Bands sind keine Geheimtips - sie sind mit an der breiten Spitze der Beliebtheitsskala des Rocks in Deutschland. Namen wie "Grobschnitt", "Eroc", "Ramblers", "Stripes" und "Extrabreit" haben sich ihren festen Platz im Geschäft mit Platten und Tourneen erstritten. Sie sind Stars in ihrem Gewerbe. Rund 300 weitere Talente aus ihrer Heimatstadt stehen noch im Schatten.

Warum in Hagen die Bands wie Pilze aus dem Boden schießen, ist selbst für Mitglieder unerklärlich. Übungsräume, die so schalldicht sind, daß die lauten Töne nicht an das Ohr ruheliebender Nachbarn dringen, gibt es fast keine. Die "Stars" wie "Grobschnitt" haben keine Möglichkeit mehr, in ihrer Heimatstadt auf der Bühne zu stehen. Die Hallen, die zur Verfügung stehen, sind wesentlich zu klein für die groß gewordene Bewunderer-Gemeinde.

"Hagen ist ein lahmes Kaff, stinklangweilig", drückt Rainer Kitzmann, Gitarrist der Gruppe "Stripes", seinen Ärger aus. Und Jürgen Mensendiek, Leiter des Werbe- und Informationsamtes der Stadt, räumt ein: "Bei uns haben noch viele Einwohner starke Vorbehalte gegen Rockmusik."

Zaghafte Versuche, den Gruppen in ihrer Heimat eine echte Heimat zu geben, scheiterten kläglich. Bei einem Festival wurde die Aula eines Schulzentrums in arge Mitleidenschaft gezogen. Der ausgelegte Teppichboden war nicht auf rauchende Rockfreunde eingerichtet. Die Platzanweiserinnen des Stadttheaters Hagen waren von Besuchern niedergerannt worden, als die Gruppe "Grobschnitt" vor drei Jahren zum letztenmal dort spielte. Das Publikum der Rocker ist eben mit den Freunden der Oper nicht unter die buchstäblich eine Decke zu bringen. Bei den Bands wird nicht nur gehört, sondern auch getobt.

So bleibt den Anführern der "Hagener Szene" nur der Ausweg in die Nachbarstädte.

 

Musiker greifen zur Selbsthilfe

Dortmund mit der Westfalenhalle, Bochum mit der Ruhrland-Halle und die Siegerlandhalle in Siegen bieten eher die richtigen Voraussetzungen als die Hagener Ichelandhalle. Dort sind die Planer nur auf die Interessen der sporttreibenden Jugend eingegangen.

Die für die Stadt werbewirksamen Musiker greifen zur Selbsthilfe, um sich ihre Wünsche zu erfüllen. Mittlerweile gibt es eine Musiker-Initiative, die unter anderem zwei große Rock-Festivals im Jahr organisiert. Ein kommerzieller Musikverlag sorgt dafür, daß talentierte Gruppen nicht nur im Dachkämmerchen proben, sondern die Chance erhalten, einen der vielbegehrten Schallplattenverträge zu ergattern.

Mittlerweile hat der "Rock aus Hagen" auch im Ausland offene Ohren gefunden. Die neuesten Aufnahmen der westfälischen Gruppen wurden von den britischen Soldatensendern in der Bundesrepublik gesendet. Die Heimkehrer nahmen die Platten mit auf ihre Insel, wo die Stücke auf offene Ohren stießen. Tourneeangebote aus England und sogar aus Amerika liegen bei einigen Gruppen auf dem Schreibtisch. Inzwischen gibt es bei der Stadt Hagen bescheidene Ansätze, den "Rockern" unter die Arme zu greifen. Meist kommen die jungen Musiker zum Werbe- und Informationsamt mit ihren Problemen. Jürgen Mensendiek will versuchen, den Gruppen leerstehende Fabrikhallen als Übungsräume zu vermitteln. Ab und zu werden von der Stadt Festivals unter freiem Himmel veranstaltet. Dabei greifen die Verantwortlichen aber lieber auf "Stars" aus anderen Metropolen zurück. Der Prophet gilt halt wenig im eigenen Lande.

Den Vorwurf, Hagen sei nur ein "Kaff" und habe kein Herz für die Rockmusik, halten die Beamten für mehr als übertrieben. Mensendiek will davon nichts hören: "Hier ist schon etwas los. Aber die Leute würden sicher auch Athen für lahm halten, obwohl jährlich Tausende Touristen dort hinfahren."

Daß in Hagen eine Menge los ist, meinen auch die Experten der Rockmusik. Sie beziehen sich dabei aber nicht auf das Angebot der Stadtväter, sondern die Initiative der jungen Bürger: Rockmusiker aus Hagen zu sein, ist langsam zu einem "Markenzeichen" geworden.


Gruppe "Grobschnitt" bei der Aufnahme der neuen Langspielplatte.

"Grobschnitt" ist ein Name mit Tradition. Schon eine Hagener Blaskapelle hatte Anfang des Jahrhunderts denselben Namen. Die Rockgruppe besteht seit zehn Jahren. Neun Langspielplatten haben die acht Künstler herausgebracht. Auf der Bühne gibt es neben Musik eine Lichtschau und viel Theater.

"Stripes" ist eine der neueren Hagener Gruppen. Bereits sechs Monate nach der Gründung wurde die erste Schallplatte mit dem Titel "Ecstasy" aufgenommen. Die Mitglieder, Nena Kerner, Frank Röhler, Rainer Kitzmann und Rolf Brendel, sind zwischen 19 und 20 Jahre alt. Sie sind bereits Profis geworden.

"Extrabreit" ist eine der wenigen Rockgruppen, die sich der deutschen Sprache verschrieben haben. "Hart wie Marmelade" und "Wann hört der Wahnsinn endlich auf?" sind die Titel ihrer ersten Veröffentlichung. In Hagen gelten die sechs abenteuerlichen Jungs mehr oder weniger als Lokalmatadore.

"The Ramblers" wurden vor ?? gegründet. Sie präsentieren unkomplizierten Rock ‘n‘ Roll. Ihre Schallplatten wurden bisher in 15 Ländern verkauft. Konzerttourneen wurden durch die Benelux-Länder, die Schweiz und ?? veranstaltet. Musik ist für sie Beruf.

Probenplausch: Keiner will nach New York

"Zündapp unterm Arrrsch" tönt es aus der kleinen Scheune. Die Gruppe "Grobschnitt" nimmt ihre neue Langspielplatte auf. Zwischen leeren Bierflaschen, Resten vom Frühstück und einem Haufen Musikinstrumente ist ein komplettes Studio aufgebaut. Um in Ruhe arbeiten zu können, sind die "Stars" der Hagener Szene in die Nachbargemeinde Sprockhövel ausgewichen. Dort, auf einem Bauernhof, fanden sie die idealen Bedingungen, um ihre Musik zu machen.

"Grobschnitt" hat es geschafft. Die jungen Musiker bringen regelmäßig Schallplatten auf den Markt und spielen in ausverkauften Hallen. Schlagzeuger Joachim Ehrig - oder Eroc, wie er sich nennt - hat im Augenblick einen "Hit". Seine Solo-Aufnahme "Wolkenreise" ist in fast jeder Hitparade vertreten.

Warum es in Hagen so viele Rockgruppen gibt? Gitarrist Lupo denkt einen Moment nach: "Ich glaube, es war Punk und die New-Wave-Welle. Die Musik ist unkompliziert, und jeder kann sie spielen."

Den "Profis" kommen allerdings Bedenken, wenn sie den Übereifer einiger Kollegen sehen. Sänger Stefan Danielak, genannt "Wildschwein": "Viele Gruppen gehen zu schnell wieder auseinander."

Einige Illusionen haben Lupo und seine Freunde abgelegt. So zum Beispiel die Annahme, daß ein Schallplattenvertrag die musikalische und finanzielle Zukunft sichert. Nach der ersten Single geben einige Musiker ihren Beruf einfach auf, dabei müssen sie ?????

 

(Der Rest ist leider sehr unvollständig. Wer eine bessere Kopie des Artikels hat, melde sich bitte bei mir).

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