Musik im Westen / März 1986

Rolf Möller: Eins, Zwo, Drei, Grobschnitt, die vierte, - O.K., Band läuft.

MW: Wie reagiert ihr, wenn ihr Schlagzeilen lest, die zum Thema haben, daß es Grobschnitt immer noch gibt? Die Betonung liegt auf "noch".

Milla: Gar nicht. Es ist verständlich, daß viele Leute es für erstaunlich halten, daß eine Gruppe schon 15 Jahre existiert. Aber uns interessiert das eigentlich gar nicht, da kümmern wir uns gar nicht drum.

MW: Aber irgendwie habt ihr doch das Alte-Herren-Image. Lauft ihr nicht unter "Alte Herren"?

Lupo: Das ist schon eine falsche Frage ...

MW: ... falsche Fragen gibt es gar nicht.

 

 

 

 


Lupo:
Es ist aber heutzutage scheinbar so, daß man schon, wenn man länger als drei Jahre in einer Band spielt, als Altrocker bezeichnet wird. Da können wir gar nichts mit anfangen und das kriegen wir auch gar nicht so mit. Das liest man zwar ab und zu mal, aber da sprechen wir gar nicht drüber. Für einige Journalisten scheint das Thema ganz interessant zu sein, aber es geht ja eigentlich gar nicht um das Alter, sondern darum, wie lange die Band schon zusammen ist. Mick Jagger oder Pete Townshend sind alle älter als wir und sind nach wie vor keine Frage des Alters, im Gegenteil. Wenn wir jetzt eine Band mit neuem Namen gründen würden, wäre das auch kein Thema mehr. Wir sind halt eine Band, die sehr lange zusammen ist und das finden wir auch toll. Das finden wir richtig gut.

MW: Die neue Live-Platte ist der dritte Aufguß von Solar Music. Wäre es nicht sinnvoller gewesen, aktuelleres Material als Live-Version zu veröffentlichen?

Lupo: Also das war überhaupt kein Aufguß, um das mal klarzustellen: Das einzige, was diese Fassung mit der ursprünglichen Version noch verbindet, ist der Titel. Das Musikstück an sich hat sich völlig geändert. Es stimmen keine drei Sekunden auf der Platte mit der letzten veröffentlichen Version von 1978 überein. Aber wir spielen nach wie vor Solar Music, weil die Leute einfach drauf warten. Und auf diese Version warten sie seit 1981. Das ist sachlich genau richtig. Wir hatten einfach keine Lust mehr, die ursprüngliche Version zu spielen und haben dann das Stück seit 1981 bewußt geändert. Den Titel haben wir nur beibehalten, weil es in den letzten Jahren immer nur abschnittweise erneuert wurde, aber zwischendurch weiterhin als Solar Music angesagt worden ist. So haben wir auch keinen Grund gesehen, diesem neuen Stück einen neuen Namen zu geben.

MW: Was ist aus alten Gruppenmitgliedern geworden? Sind die ins bürgerliche Leben zurückgekehrt? - Eroc zum Beispiel.

Rolf Möller: Eroc ist Künstler geworden, würde ich sagen. Der ist nicht mehr Musiker, der ist Künstler geworden.

MW: Hat er Grobschnitt irgendwann mal satt gehabt?

Lupo: So kann man das nicht sagen. Das war eine Trennung in Liebe und Freundschaft. Es war nicht eine der üblichen Trennungen, wo man in Streß auseinandergeht, sondern sein Ausscheiden war schon 15 Monate vorher bekannt und dadurch konnte sich sein Nachfolger viel gründlicher vorbereiten. Grobschnitt ist halt ein Streßjob. Grobschnitt heißt 12 Monate im Jahr arbeiten und Eroc möchte gerne zweidrei Monate im Jahr in Urlaub fahren, weil er im Frühjahr immer Heuschnupfen hat. Aber im Frühjahr hat Grobschnitt immer die Haupttourzeit und da kann man bei uns keinen Urlaub machen.

MW: (Kicher, kicher)

Milla: Ja sicher, hättse mal sehn sollen.

MW: (Hihihi)

Rolf Möller: Ja ist kein Witz, ist Tatsache. Der geht immer nach Norwegen oder Dänemark und macht hier dann drei Monate dicht.

MW: Was hat man bei der neuen Tournee zu erwarten? Gibt es effektiv was neues von Grobschnitt?

Lupo: Ja ... also ... Milla, sach du auch mal was dazu ... Bin ich denn hier der Hermann ?!

Milla: Weiß ich nicht. - Jedes Jahre gibt es bei uns eine ganze Menge an neuen Sachen. Wir machen nie die gleiche Tour zweimal. Es gibt wieder eine völlig neue Show, wir spielen eine ganze Stunde länger als wir letztes Jahr gespielt haben. Letztes Jahr haben wir zweieinhalb Stunden gespielt, dieses Jahr werden wir so dreieinhalb Stunden spielen. Letztes Jahr haben wir mit wesentlich kleinerem Aufwand gearbeitet. Die Show steht wieder stärker im Vordergrund als im letzten und vorletzten Jahr. Konkret heißt das, daß, wenn wir in diesem Jahr Musik machen, im Hintergrund fast immer irgendeine Show abläuft, alles also viel stärker miteinander verflochten sein wird. Aber vor allen Dingen werden schon Stücke gespielt werden, die erst auf der kommenden Platte veröffentlicht werden.

MW: Wie ist euer Publikum strukturiert? Habt ihr das Gefühl, daß Grobschnitt alle Jahre wieder auf die alten Fans bauen kann, oder kommen ständig neue Fans hinzu?

Milla: Wenn nicht ständig neue kommen würden, hätten wir leere Säle. Denn man kann nicht damit rechnen, daß alle Leute jedes Jahr wiederkommen, das heißt, es müssen einfach neue Leute kommen und es kommen tatsächlich immer wieder welche, die uns noch nie gesehen haben, obwohl wir schon so lange existieren. Das ist das gute, es kommen unwahrscheinlich viele junge Leute. Es spricht sich scheinbar immer wieder rum, daß wir eine Band sind, die live wirklich einzigartig ist. Grobschnitt im Konzert ist nach wie vor mehr als eine normale Rockband auf der Bühne. Da rücken sogar Teenies an, obwohl wir gar keine Bravo-Band sind.

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