Artikel aus Wuppertaler Rundschau 01.10.2000

 

Über allem schwebt der Ton des Saxophons

In der deutschsprachigen Erstaufführung von "Side Man" glänzten Musiker als Darsteller

Die letzten Töne sind verklungen, da tritt der Saxophonist Gene (Wolfgang Schmidtke) an die Rampe, begrüßt die Besucher der "Melody Lounge", nennt den Titel seiner Komposition. Anfangs- und Endszene in Holk Freytags Inszenierung von "Side Man", zwischen denen sich in knapp zwei Stunden das Drama um einen Musiker und seine Familie entwickelt. Gleichzeitig erzählt Warren Leight in "Side Man" vom Aufstieg und Untergang des Jazz, der im Amerika der 50-iger dem Rock weichen muss - der finanzielle und persönliche Ruin vieler Musiker.

Eigentlich eine kleine, alltägliche Geschichte aus dem Milieu der Clubs und Bars, der Tourneen und der flüchtigen Liebe. Und so erzählt sie Holk Freytag auch im wunderschönen Bühnenbild von Wolf Münzner, das mit seinem farbigen Lichtspiel an die Bilder Edward Hoppers erinnert.

In schnellen, filmähnlichen Schritten werden Facetten aus dem Leben der Musiker Gene (Wolfgang Schmidtke), Al (Harald Eller), Ziggy (Kurt Bilker) und Jonesy (MikeRafalczyk) dargestellt, der Weg ihrer Karriere, ihr Abstieg, die Zeit, in der sie nur noch aus der Erinnerung leben, sich dem Suff und anderen Drogen hingeben. Gene, dessen Rolle als junger Musiker mit dem Schauspieler Wolfgang Vogler besetzt ist, lernt Terry kennen (Anya Fischer), man verliebt sich, sie bekommt einen Sohn, Clifford, (Torsten Hermentin), vom Vater zeitlebens nicht beachtet.

Und eben dieser Clifford führt durch die Handlung, berichtet vom Leben der Familie, von der Alkoholsucht der Mutter (wird im Alter von Christiane Hecker gespielt), die sie in die Irrenanstalt bringt, vom Scheitern der Ehe, von der Arbeitslosigkeit, von seinen Bemühungen, Vater und Mutter zusammenzuhalten, und von seiner Freundschaft zur Barfrau Patsy (Andrea Witt). Trotz einiger Doppelbesetzungen gelingt es der Regie, keine Verwirrung aufkommen zu lassen, klar zu strukturieren und die Handlung voranzutreiben. Und in noch einem Punkt hat Regisseur Freytag Geschick bewiesen, nicht die Sprache, sondern die Musik bestimmt die Handlung. Wolfgang Schmidtkes (musikalische Leitung) Saxophon gibt das Leitmotiv, das wird von den anderen Musikern aufgegriffen, verändert, vermischt sich mit Sprache, bestimmt den Rhythmus.

Das hätte eigentlich wunderschön werden können, zumal Musik und Musiker fantastisch sind. Doch leider kann außer Andrea Witt keiner der Darsteller überzeugen. Sie bleiben hölzern, künstlich, schrill und einfach unglaubwürdig, stellen keine Persönlichkeiten dar.

Und so sind es dann auch wieder die Musiker, die als Schauspieler das bessere Bild abgeben. Sie bringen den Text nuancenreich rüber, sind authentische Persönlichkeiten, denen man Gefühle, Zweifel und innere Zerrissenheit abnimmt. Das erkannte auch das Premierenpublikum und feierte sie stürmisch

Sabina Bartholomä

Harald Eller