|
Eulenspiegels Rock-Phantasien
Grobschnitt in der Neuen Welt
Aufsteigender Nebel, in Mönchskutten gehüllte Gestalten,
im Hintergrund die Umrisse einer überdimensionalen Plumpsklo-Tür mit dem unvermeidlichen
Herzchen. Eine als prallbusige Frau verkleidete Figur wendet ihr nacktes Gesäß dem
Publikum zu und verabschiedet sich Küsse mimend von ihm. Der phantastischen Bühnenshow
von Grobschnitt aus dem bäuerlichen Westfalen haftet der schwere, derbe Humor des
Spätmittelalters, haften die Späße Till Eulenspiegels auch dort an, wo zeitgenössische
Motive - wie der Auftritt eines bebrillten amerikanischen Fabrikanten - in die
Slapstick-Folge eingebaut werden. Die Bühnenpräsenz der fünf Musiker kommt bei virtuos
eingesetzten Lichteffekten zur Geltung; zwei kostümierte Roadies und eine Ballerina
sorgen für weitere Abwechslung. Grobschnitt gehört zu den ganz wenigen Rockgruppen in
Deutschland, die professionell zu unterhalten wissen. Jedenfalls im optischen Bereich.
Die Musik - gespielt wurde vom Material der jüngsten LP sowie ein
umfangreicher Querschnitt aus dem Konzertalbum "Rockpommel' Land" - besitzt eine
in der Lautstärke wenig abgestufte Schwere, und insofern untermalt sie die Derbheit der
Bühneneinfälle bestens. Doch neigt sie wiederum auch zu kulturbeflissenen Höhenflügen
in Klang und Text, so daß mitunter der seltsame Eindruck entsteht, als säße man vor
einem Stummfilm von Stan und Ollie und hörte dazu eine symphonisch atmende Komposition
von Yes oder Genesis. Dabei mag es an der Mikrophoneinstellung liegen, daß die
schwerflüssige Klangmasse häufig zu einem undifferenzierten Klangbrei zu werden droht;
die Einzelstimmen lassen sich auf den Studioplatten der Gruppe wesentlich genauer
zergliedern. Schade, daß der Leadsänger der vorherrschenden Unart der meisten deutschen
Rocksänger folgt und seine Töne durch ein unausgesetztes Gleiten (Portamento) und durch
Vibrabto verunklart.
Ein Teil des Rockpublikums gleicht darin dem Schlagerhörer, daß er
immer wieder das hören möchte, was er bereits kennt, statt sich unbefangen für die
neueste Entwicklung eines Musikers zu interessieren. Der Schlagzeuger Joachim H. Ehrig, der intellektuelle "Clown" der Band (seine drei Eroc-Alben
empfehlen sich jedem Grobschnitt-Kenner), wußte da zwischen aktuellem Spielmaterial und
hartnäckigen Publikumswünschen diplomatisch zu vermitteln. Das lange, abwechslungsreiche
und in der Hauptsache ungetrübte Konzert dürfte der sympathischen Gruppe aus Hagen neue
Berliner Freunde gewonnen haben.
Tibor Kneif
|
|