Artikel aus der Zeitschrift spotlight aus 1981

 

INTERVIEW

GROBSCHNITT 81-82

Ein paarmal haben wir Grobschnitt schon auf dem Titel gehabt, mehrmals haben wir schon über Grobschnitt geschrieben, immer war der Anlaß unsererseits die Erkenntnis, daß Grobschnitt zu den Ausnahmeerscheinungen der - leider allzuoft unprofessionellen - deutschen Szene gehört. Wir haben über den Sound von Grobschnitt geschrieben, haben versucht darzustellen, woher der Erfolg dieser Hagener Band kommt, haben die Konzerte reflektiert und sonstiges Wissenswerte berichtet.

Vor einiger Zeit ging die diesjährige Tournee der Band zu Ende. In der Essener Grugahalle fand ihre bisher erfolgreichste Tour ihren krönenden Abschluß. Die bis zum letzten Platz besetzte Halle tobte,

es gab reichlich Grobschnitt-Musik und eine Show, die keinen Vergleich mit internationalen Top-Acts zu scheuen brauchte, sondern einige dieser Top-Acts reichlich in den Schatten stellte. Ein Resultat der verbissenen Ernsthaftigkeit, mit der Grobschnitt schon immer an ihrer Repräsentation gearbeitet hat. Man will perfekt sein. Dem Zuschauer und dem Zuhörer perfekten Sound und perfekte Show bieten, ohne jedoch leblos und klinisch zu wirken. Es ist dabei nicht immer alles was Grobschnitt macht auch für alle interessant und wichtig. Manch einem gefallen die Slapstick-Einlagen vielleicht nicht, manch einem geraten die Clownereien zu langatmig, aber dennoch sind sich die Fans einig, daß die Summe dieser Aktivitäten erst Grobschnitt ausmacht. Am Vorabend der Vorbereitung zu den - neuen Grobschnittaktivitäten sprachen wir mit Lupo und Toni Moff Mollo darüber, wo es denn künftig langgehen soll.

"Wir werden die Linie, die wir mit dem "Illegal" Album angefangen haben nun konsequent weiter fortsetzen. Wie wir erkannt haben, an den Besucher unserer Konzerte, sind es doch heutzutage - wesentlich jüngere Fans, die zu Grobschnitt-Konzerten kommen. Die Fans aus den Jahren 1971 und so werden immer weniger. Der Anteil der 14 bis 16-jährigen, die sich bei dieser Tour vor der Bühnenmitte drängten, zeigt uns deutlich, daß wir eine neue Fanschar gewonnen haben, die Grobschnitt von heute mag".

Liegt es daran vielleicht, daß die Musik eingängiger geworden ist? Gerade die letzte LP "Illegal" zeigt ja deutlich auf, daß Grobschnitt sich wegentwickelt hat von den stundenlangen Melodiebögen und nun kürzere, einprägsamere Musik macht, die jedoch der Grobschnittcharakteristik treu geblieben ist.

"Mag schon sein, genau wissen wir es nicht. Etwas, das wir oft gehört haben war, die Kids hatten Grobschnitt im Radio gehört, "Silent Movie" vielleicht, und sie kamen nun ins Konzert, um sich die Band und ihre Musik einmal intensiver vorzunehmen".

Wenn man Grobschnitt einmal nüchtern betrachtet, weniger mit den Augen eines Musikfans, dann fällt als erstes auf, daß Grobschnitt ja schon ein richtiger kostenintensiver Apparat geworden ist, daß ihr Erfolg haben müßt, um diesen Aufwand überhaupt finanzieren zu können. Es leben ja einige Leute ausschließlich von Grobschnitt.

"An sich sind es sieben Leute, die sechs Musiker und Roadie "Ballermann", die ausschließlich permanent für Grobschnitt tätig sind und daher auch von Grobschnitt leben. Dazu kommen noch einige Roadies, nicht nur während der Tour, die fast ständig für Grobschnitt im Einsatz sind".

Grobschnitt hat sich einen Bauernhof gemietet, auf dem die Vorbereitungen zu den Tourneen ablaufen, auf dem die Musik geprobt und konzipiert wird und wo auch die Arbeiten zu den Effekten und Accessoires erledigt werden.

"Ja, das stimmt, die Dekorationen, Kostüme und was sonst noch so alles bei Grobschnitt auf der Bühne erscheint, wird alles von uns selbst entworfen und hergestellt".

Und bei solchen Gelegenheiten habt ihr entdeckt, daß Toni Moff Mollo auch als Sänger einsetzbar ist?

"Ja, das war im Suff. Wenn wir einen trinken, dann singen wir immer. Und Toni Moff Mollo hat eben aus voller Brust mitgesungen und dabei ist uns das aufgefallen. Jetzt könnte man natürlich fragen, ob wir von ‘70 bis ‘79 nie gesoffen haben, aber tatsächlich ist es uns erst spät aufgefallen, daß Moff Mollo singen, gut singen kann"

An Toni Moff Mollo die Frage dann: Im Bühnenlicht hast du schon seit einiger Zeit bei Grobschnitt agiert. Als "Ernie" usw. Wie war denn der Sprung zum Sänger?

"Ach, das hat sich so ergeben. Eine Entwicklung vielleicht. Zuerst als Roadie, dann, als ich Licht gemacht habe, bin ich schon näher ins Rampenlicht gekommen und später, als ich wie du schon sagtest, den Ernie und andere Figuren auf der Bühne darstellte, kam ich der Frontsache immer näher, so daß der Sprung ins Gesinge gar nicht weiter schwierig war".

Damit wären wir wieder bei der Musik angelangt. Wollt ihr in Zukunft auch kürzere Stücke machen, so um drei Minuten, denn Stücke von 3 Minuten Dauer werden im Radio schließlich am häufigsten eingesetzt?

"Silent Movie" war sicher eine Ausnahme. Ich kann hier ganz ehrlich sagen, daß wir unter derartigen Gesichtspunkten unsere Musik nie erstellen werden. Ich meine, 7 bis 8 Minuten lange Stücke sind für uns schon kurze Stücke und die Ideen, die unserer Musik zu Grunde liegen, werden einfach ausgearbeitet, ohne auf zeitliche Grenzen zu achten, insbesondere wird kommerzielles Kalkül unsere Musik nicht beeinflussen".

Was ist denn der erste Schritt zur Grobschnittmusik? Wie entwickelt ihr die Musik und Arrangements?

"Nun, wir beginnen in kleinen Gruppen. Mollo, Wildschwein, Milla und ich sitzen zusammen. Der Organist arbeitet mit Eroc zusammen und die Rohbau-ldeen, möchte ich mal sagen, werden dann in kompletter Gemeinsamkeit in näheren Augenschein genommen. Wenn die Stücke angenommen wurden, entwickelt sich dann ganz aus dem Gefühl heraus das Arrangement. Das hat sich seit jeher bei Grobschnitt bewährt und ist auch Grundlage unserer Musik. Natürlich haben die einzelnen Grüppchen, die mit den Ideen herankommen, sich auch schon Vorstellungen gemacht, wie die Ausarbeitung erfolgen sollte. Es gibt auch schon mal mehrere Vorschläge zum Arrangement, aber gemeinsam entscheiden wir und arbeiten wir auch aus. Der einzige Unterschied zu unserer früheren Arbeit liegt darin, daß wir früher diese "Grüppchenarbeit" nicht gemacht haben, sondern da hieß es einfach, um 14 Uhr ist Probe und dann ging's auch punktum los, alle zusammen und die Ideen flossen natürlich auch nur so zusammen. Die Gruppenarbeit haben wir bei der Vorbereitung zu "Illegal" angefangen, und sie hat sich bewährt, also werden wir auch so weitermachen".

Die neue LP soll Anfang Januar auf der Markt kommen, und dann soll wohl auch eine Tournee folgen.

Einblicke in die neue Show, soweit schon konzipiert, haben wir ja gerade erleben können. (Grobschnitt hatte ein Video mitgebracht, auf dem Passagen der Grobschnitt'schen Zukunft festgehalten waren. d. Red.) Soll's dann auch ins Ausland gehen? Die Zeit wäre doch wohl reif dafür.

"Nun, die Schweiz machen wir ja schon, soweit Angebote vorliegen. Nach Holland aber möchten wir gerne. Wir bekommen soviel Post aus Holland, daß wir wissen, es könnte dort wirklich für uns abgehen".

Und worin liegen die Schwierigkeiten?

"Zuerst einmal darin, daß wir keinen Veranstalter haben. Wo bekommen wir einen seriösen Veranstalter her, der uns ordentliche Konzerte managt? Angebote für klitzekleine Clubs haben wir schon gehacht, aber wenn Bühne und Raumgröße nicht so ist, daß wir grobschnittgerecht auftreten können, müssen wir absagen, denn einen negativen Eindruck wollen wir keinesfalls hinterlassen. Wir bestehen nicht auf große Hallen mit vielen Leuten, nur eben auf Bedingungen derart, daß wir gut auftreten können, um einen guten Eindruck zu hinterlassen".

Wie hoch liegen die Kosten denn für Grobschnitt bei einem einzelnen oder zwei Konzerten, so etwa 300 km von Hagen weg, außerhalb der Tournee?

"Das kann man nicht so genau sagen. Unsere Kosten pro Konzert sind während der Tournee natürlich bedeutend geringer als sie für ein oder zwei einzelne Konzerte wären. Allein die Bereitstellung des Personals, vom Mixer angefangen, der Auf- und Abbau unserer Anlage, die ganze Grundarbeit ist ja wie für eine Tour zu sehen, kostet immenses Geld. Aber am Geld liegt es nicht. Wir würden schon spielen, auch wenn die Kosten nicht gedeckt wären, wenn nur die Konzertbedingungen in Ordnung wären. Für unsere holländischen Fans und auch aus Promotionsgründen würden wir schon einiges an Risiko eingehen".

Nun, diesen Artikel werden einige Leute in Österreich, Schweiz, Holland und Belgien, Dänemark und Luxemburg lesen, von den Exemplaren, die nach CSSR, DDR, Polen und Ungarn gehen, einmal ganz zu schweigen, denn schließlich ist "spotlight" die weitverbreitetste Musikerfachzeitschrift, und einige dieser Leute werden vielleicht ein Konzert mit Grobschnitt veranstalten wollen. Was nun würdest du ansetzen als Forderung um derartige Konzerte möglich zu machen?

"Ich kann nur noch einmal sagen, es kommt immer darauf an, wo und bei welcher Gelegenheit. Grundsätzlich ist Grobschnitt bereit, Opfer und Risiko zu tragen, um derartige Konzerte möglich zu machen. Mit Zahlen kann ich leider nicht aufwarten. Aber Risikobereit sind wir. So haben wir in diesem Jahr auch auf einem Festival gespielt und ich muß auch sagen, es hat uns riesigen Spaß gemacht Vielleicht machen wir doch .noch einige Festivals in diesem Jahr, wenn entsprechende Angebote kommen. Früher, als die Szene doch reichlich anders war, haben wir des öfteren Festivals gespielt, so mit Eloy oder anderen deutschen Gruppen und immer noch zwei oder drei Amateurbands dazu. Immer waren die anderen die Top-Acts und wir spielten vor ihnen, auch des öfteren vor Eloy und die denken alle mit Schrecken an diese Zeit zurück.

Ich kann ohne Übertreibung sagen, daß keine Band, die nach uns auf einem Festival gespielt hat, je ein Bein auf die Erde gekriegt hat. Aber heute spielen wir auf Open Air Festivals nicht vor 22 Uhr, weil es dann wenigstens einigermaßen dunkel ist und unsere Lightshow, die ja wesentlicher Bestandteil eines Grobschnitt-Konzertes ist, erst dann zur Geltung kommt. Ich erinnere mich noch genau an unser letztes Festival 1976, damals waren noch Nektar der Top-Act in der Philipshalle und wir hatten noch nicht einmal ein eigenes PA und doch haben wir allen die Show gestohlen; auch den Scorpions! Ich glaube, die werden noch heute blaß, wenn ihnen einer sagt, die sollen mit Grobschnitt spielen. Dabei sagen sie immer, wir wären der reinste Kindergarten. Das mag ja richtig sein, wenn man ihre professionelle Coolheit als Maßstab aller Dinge ansieht, aber bei uns ist einfach immer was los. Da probieren wir die Revolver aus, die Gags werden noch einmal angespielt und mit "verbissen-noch-einmal-die-letzten-Gitarrenläüfe-oder-Soli-probieren" ist nicht. Bei uns herrscht Stimmung in der Garderobe. Das konnten die natürlich alle nicht begreifen. Ein Fall in Meschede, da waren die Scorpions ganz schön genervt. Wir spielten vor ihnen und plötzlich war mitten in Solar Music der Saft weg. Wir konnten natürlich nichts beweisen, aber jeder in der Halle wußte wohl, daß wir uns nicht selbst den Saft weggedreht hatten. Nun denn, danach kam dann der Top-Act. Die hatten damals immer noch drauf, "Hey Yeah, seid ihr alle da." nur es war keiner mehr da, vielleicht 300 Leute oder so und die Scorpions haben nur noch 20 Minuten gespielt. So ist es Eloy auch schon ergangen".

Von der Vergangenheit zurück in die Gegenwart. Zur Zeit habt ihr den größten Erfolg eurer Karriere, verkauft reichlich Platten, habt eine 45 Städte Tour mit jeweils tausenden von Zuschauern hinter euch, aber keinen Plattenvertrag. Was ist los?

"Nimm ruhig zur Kenntnis, daß uns das nicht stört. Wir sind zur Zeit völlig frei. Wir können machen, tun und lassen was wir wollen und die Entscheidung, die wir zwangsläufig treffen müssen, werden wir nach sorgfältiger Prüfung treffen".

Nach den bisherigen Erfahrungen der Gruppe mit Plattenfirmen sind sicherlich neue Gesichtspunkte aufgetreten, die in einen neuerlichen Vertrag einfließen sollten. Was würdest du von einer Plattenfirma heute verlangen?

"Es müßte sich schon einiges ändern, zu dem wie es bisher war. Da ist zum Beispiel die Pressearbeit für Grobschnitt, die einfach besser werden muß. Auch die Verdeutlichung der Gruppe, dessen was Grobschnitt ist und bedeutet, muß einfach besser sein. Meiner Ansicht nach ist Grobschnitt immer noch eine Gruppe die sich zu einem wesentlich hohen Anteil selbst hochgearbeitet hat, die also den Erfolg durch eigene Auftritte und daraus resultierende Mund zu Mund Reklame erlangte. Hier müßte der Hebel angesetzt werden. Die Medienpropaganda muß eindeutig verstärkt werden. Unsere Bedeutung als Gruppe findet, so glaube ich, nicht den ihr entsprechenden Widerhall. In den Fachzeitschriften findet man nur hin und wieder was von Grobschnitt, allein die Musikfachzeitschriften wie "spotlight" u. a. machen da eine Ausnahme. Allgemein könnte man noch mehr sagen. Deutsche Gruppen müßten viel mehr im Fernsehen berücksichtigt werden, denn die Politik, die das Fernsehen betreibt, ist doch allgemein betrachtet eine Verleugnung der deutschen Gruppen".

Aber nun haben wir uns doch ein Video angesehen, die Aufzeichnung des Grobschnitt-Konzertes in Essen, und darüber ließe sich doch eine visuelle weitere Verbreitung von Grobschnitt erzielen; Wofür oder warum habt ihr das Video erstellt?

"Nur für private Zwecke. Um uns unsere Show selbstkritisch vor Augen zu führen. Um herauszufinden, was wir besser machen müssen oder auch was uns besonders gut gelungen ist. Antworten zu finden auf die Frage, weshalb ist manches gut und manches nicht so gut".

Warum macht ihr diese Arbeit zur Bewertung und Kritik erst am Ende der Tournee? Wäre es nicht besser, ihr würdet schon vor der Tour euren Auftritt überprüfen?

"Haben wir ja auch gemacht. In der Halle in der wir unser Programm und den Auftritt geprobt haben, haben wir auch mit Video gearbeitet und dabei kontrolliert, wie Musik, Show und Einlagen funktionieren und in den Augen des Betrachters ablaufen. Diese Arbeit war äußerst interessant und für unser Programm positiv, denn deutlich sahen wir dabei, daß einiges drastisch geändert werden mußte. Diese Kontrolle mit der Videoanlage können wir nur allen Gruppen empfehlen, denn man lernt Sachen dabei, über die man sich zuvor kaum ein Bild gemacht hat. Und so aufwendig ist die ganze Chose auch nicht".

Nun aber habt ihr ein Video von mehr als 3 Stunden Länge, das optimal darstellt was Grobschnitt ist. Zusammengeschnitten könnte man doch daraus auch ein 45 Minuten Video für den kommerziellen Markt machen?

"Jetzt, nachdem wir die Aufzeichnung gesehen und geschnitten haben, sind wir von der Qualität überrascht und denken auch über die weitere Verwendung des Materials nach. Aber zum jetzigen Zeitpunkt kann ich dazu nichts sagen. Allerdings für Veranstalteranfragen aus dem Ausland, die Grobschnitt noch nicht kennen, wollen wir schon einen Zusammenschnitt erstellen, damit er sich ein Bild von uns machen kann. Das ist schon klar, was wir aber noch weiter damit machen können oder wollen, darüber haben wir noch nicht nachgedacht".

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