Ein paarmal haben wir Grobschnitt schon auf dem Titel gehabt, mehrmals
haben wir schon über Grobschnitt geschrieben, immer war der Anlaß unsererseits die
Erkenntnis, daß Grobschnitt zu den Ausnahmeerscheinungen der - leider allzuoft
unprofessionellen - deutschen Szene gehört. Wir haben über den Sound von Grobschnitt
geschrieben, haben versucht darzustellen, woher der Erfolg dieser Hagener Band kommt,
haben die Konzerte reflektiert und sonstiges Wissenswerte berichtet.
Vor einiger Zeit ging die diesjährige Tournee der Band zu Ende. In der
Essener Grugahalle fand ihre bisher erfolgreichste Tour ihren krönenden Abschluß. Die
bis zum letzten Platz besetzte Halle tobte,
es gab reichlich Grobschnitt-Musik und eine Show, die keinen Vergleich
mit internationalen Top-Acts zu scheuen brauchte, sondern einige dieser Top-Acts reichlich
in den Schatten stellte. Ein Resultat der verbissenen Ernsthaftigkeit, mit der Grobschnitt
schon immer an ihrer Repräsentation gearbeitet hat. Man will perfekt sein. Dem Zuschauer
und dem Zuhörer perfekten Sound und perfekte Show bieten, ohne jedoch leblos und klinisch
zu wirken. Es ist dabei nicht immer alles was Grobschnitt macht auch für alle interessant
und wichtig. Manch einem gefallen die Slapstick-Einlagen vielleicht nicht, manch einem
geraten die Clownereien zu langatmig, aber dennoch sind sich die Fans einig, daß die
Summe dieser Aktivitäten erst Grobschnitt ausmacht. Am Vorabend der Vorbereitung zu den -
neuen Grobschnittaktivitäten sprachen wir mit Lupo und Toni Moff Mollo darüber, wo es
denn künftig langgehen soll.
"Wir werden die Linie, die wir mit dem "Illegal"
Album angefangen haben nun konsequent weiter fortsetzen. Wie wir erkannt haben, an den
Besucher unserer Konzerte, sind es doch heutzutage - wesentlich jüngere Fans, die zu
Grobschnitt-Konzerten kommen. Die Fans aus den Jahren 1971 und so werden immer weniger.
Der Anteil der 14 bis 16-jährigen, die sich bei dieser Tour vor der Bühnenmitte
drängten, zeigt uns deutlich, daß wir eine neue Fanschar gewonnen haben, die Grobschnitt
von heute mag".
Liegt es daran vielleicht, daß die Musik eingängiger geworden ist?
Gerade die letzte LP "Illegal" zeigt ja deutlich auf, daß Grobschnitt sich
wegentwickelt hat von den stundenlangen Melodiebögen und nun kürzere, einprägsamere
Musik macht, die jedoch der Grobschnittcharakteristik treu geblieben ist.
"Mag schon sein, genau wissen wir es nicht. Etwas, das wir oft
gehört haben war, die Kids hatten Grobschnitt im Radio gehört, "Silent Movie"
vielleicht, und sie kamen nun ins Konzert, um sich die Band und ihre Musik einmal
intensiver vorzunehmen".
Wenn man Grobschnitt einmal nüchtern betrachtet, weniger mit den Augen
eines Musikfans, dann fällt als erstes auf, daß Grobschnitt ja schon ein richtiger
kostenintensiver Apparat geworden ist, daß ihr Erfolg haben müßt, um diesen Aufwand
überhaupt finanzieren zu können. Es leben ja einige Leute ausschließlich von
Grobschnitt.
"An sich sind es sieben Leute, die sechs Musiker und Roadie
"Ballermann", die ausschließlich permanent für Grobschnitt tätig sind und
daher auch von Grobschnitt leben. Dazu kommen noch einige Roadies, nicht nur während der
Tour, die fast ständig für Grobschnitt im Einsatz sind".
Grobschnitt hat sich einen Bauernhof gemietet, auf dem die
Vorbereitungen zu den Tourneen ablaufen, auf dem die Musik geprobt und konzipiert wird und
wo auch die Arbeiten zu den Effekten und Accessoires erledigt werden.
"Ja, das stimmt, die Dekorationen, Kostüme und was sonst noch
so alles bei Grobschnitt auf der Bühne erscheint, wird alles von uns selbst entworfen und
hergestellt".
Und bei solchen Gelegenheiten habt ihr entdeckt, daß Toni Moff Mollo
auch als Sänger einsetzbar ist?
"Ja, das war im Suff. Wenn wir einen trinken, dann singen wir
immer. Und Toni Moff Mollo hat eben aus voller Brust mitgesungen und dabei ist uns das
aufgefallen. Jetzt könnte man natürlich fragen, ob wir von 70 bis 79 nie
gesoffen haben, aber tatsächlich ist es uns erst spät aufgefallen, daß Moff Mollo
singen, gut singen kann"
An Toni Moff Mollo die Frage dann: Im Bühnenlicht hast du schon seit
einiger Zeit bei Grobschnitt agiert. Als "Ernie" usw. Wie war denn der Sprung
zum Sänger?
"Ach, das hat sich so ergeben. Eine Entwicklung vielleicht.
Zuerst als Roadie, dann, als ich Licht gemacht habe, bin ich schon näher ins Rampenlicht
gekommen und später, als ich wie du schon sagtest, den Ernie und andere Figuren auf der
Bühne darstellte, kam ich der Frontsache immer näher, so daß der Sprung ins Gesinge gar
nicht weiter schwierig war".
Damit wären wir wieder bei der Musik angelangt. Wollt ihr in Zukunft
auch kürzere Stücke machen, so um drei Minuten, denn Stücke von 3 Minuten Dauer werden
im Radio schließlich am häufigsten eingesetzt?
"Silent Movie" war sicher eine Ausnahme. Ich kann hier
ganz ehrlich sagen, daß wir unter derartigen Gesichtspunkten unsere Musik nie erstellen
werden. Ich meine, 7 bis 8 Minuten lange Stücke sind für uns schon kurze Stücke und die
Ideen, die unserer Musik zu Grunde liegen, werden einfach ausgearbeitet, ohne auf
zeitliche Grenzen zu achten, insbesondere wird kommerzielles Kalkül unsere Musik nicht
beeinflussen".
Was ist denn der erste Schritt zur Grobschnittmusik? Wie entwickelt ihr
die Musik und Arrangements?
"Nun, wir beginnen in kleinen Gruppen. Mollo,
Wildschwein, Milla und ich sitzen zusammen. Der Organist arbeitet mit Eroc zusammen und
die Rohbau-ldeen, möchte ich mal sagen, werden dann in kompletter Gemeinsamkeit in
näheren Augenschein genommen. Wenn die Stücke angenommen wurden, entwickelt
sich dann ganz aus dem Gefühl heraus das Arrangement. Das hat sich seit jeher bei
Grobschnitt bewährt und ist auch Grundlage unserer Musik. Natürlich haben die einzelnen
Grüppchen, die mit den Ideen herankommen, sich auch schon Vorstellungen gemacht, wie die
Ausarbeitung erfolgen sollte. Es gibt auch schon mal mehrere Vorschläge zum Arrangement,
aber gemeinsam entscheiden wir und arbeiten wir auch aus. Der einzige Unterschied zu
unserer früheren Arbeit liegt darin, daß wir früher diese "Grüppchenarbeit"
nicht gemacht haben, sondern da hieß es einfach, um 14 Uhr ist Probe und dann ging's auch
punktum los, alle zusammen und die Ideen flossen natürlich auch nur so zusammen. Die
Gruppenarbeit haben wir bei der Vorbereitung zu "Illegal" angefangen, und sie
hat sich bewährt, also werden wir auch so weitermachen".
Die neue LP soll Anfang Januar auf der Markt kommen, und dann soll wohl
auch eine Tournee folgen.
Einblicke in die neue Show, soweit schon konzipiert, haben wir ja
gerade erleben können. (Grobschnitt hatte ein Video mitgebracht, auf dem Passagen der
Grobschnitt'schen Zukunft festgehalten waren. d. Red.) Soll's dann auch ins Ausland gehen?
Die Zeit wäre doch wohl reif dafür.
"Nun, die Schweiz machen wir ja schon, soweit Angebote
vorliegen. Nach Holland aber möchten wir gerne. Wir bekommen soviel Post aus Holland,
daß wir wissen, es könnte dort wirklich für uns abgehen".
Und worin liegen die Schwierigkeiten?
"Zuerst einmal darin, daß wir keinen Veranstalter haben. Wo
bekommen wir einen seriösen Veranstalter her, der uns ordentliche Konzerte managt?
Angebote für klitzekleine Clubs haben wir schon gehacht, aber wenn Bühne und Raumgröße
nicht so ist, daß wir grobschnittgerecht auftreten können, müssen wir absagen, denn
einen negativen Eindruck wollen wir keinesfalls hinterlassen. Wir bestehen nicht auf
große Hallen mit vielen Leuten, nur eben auf Bedingungen derart, daß wir gut auftreten
können, um einen guten Eindruck zu hinterlassen".
Wie hoch liegen die Kosten denn für Grobschnitt bei einem einzelnen
oder zwei Konzerten, so etwa 300 km von Hagen weg, außerhalb der Tournee?
"Das kann man nicht so genau sagen. Unsere Kosten pro Konzert
sind während der Tournee natürlich bedeutend geringer als sie für ein oder zwei
einzelne Konzerte wären. Allein die Bereitstellung des Personals, vom Mixer angefangen,
der Auf- und Abbau unserer Anlage, die ganze Grundarbeit ist ja wie für eine Tour zu
sehen, kostet immenses Geld. Aber am Geld liegt es nicht. Wir würden schon spielen, auch
wenn die Kosten nicht gedeckt wären, wenn nur die Konzertbedingungen in Ordnung wären.
Für unsere holländischen Fans und auch aus Promotionsgründen würden wir schon einiges
an Risiko eingehen".
Nun, diesen Artikel werden einige Leute in Österreich, Schweiz,
Holland und Belgien, Dänemark und Luxemburg lesen, von den Exemplaren, die nach CSSR,
DDR, Polen und Ungarn gehen, einmal ganz zu schweigen, denn schließlich ist
"spotlight" die weitverbreitetste Musikerfachzeitschrift, und einige dieser
Leute werden vielleicht ein Konzert mit Grobschnitt veranstalten wollen. Was nun würdest
du ansetzen als Forderung um derartige Konzerte möglich zu machen?
"Ich kann nur noch einmal sagen, es kommt immer darauf an, wo
und bei welcher Gelegenheit. Grundsätzlich ist Grobschnitt bereit, Opfer und Risiko zu
tragen, um derartige Konzerte möglich zu machen. Mit Zahlen kann ich leider nicht
aufwarten. Aber Risikobereit sind wir. So haben wir in diesem Jahr auch auf einem Festival
gespielt und ich muß auch sagen, es hat uns riesigen Spaß gemacht Vielleicht machen wir
doch .noch einige Festivals in diesem Jahr, wenn entsprechende Angebote kommen. Früher,
als die Szene doch reichlich anders war, haben wir des öfteren Festivals gespielt, so mit
Eloy oder anderen deutschen Gruppen und immer noch zwei oder drei Amateurbands dazu. Immer
waren die anderen die Top-Acts und wir spielten vor ihnen, auch des öfteren vor Eloy und
die denken alle mit Schrecken an diese Zeit zurück.
Ich kann ohne Übertreibung sagen, daß keine Band, die nach uns auf
einem Festival gespielt hat, je ein Bein auf die Erde gekriegt hat. Aber heute spielen wir
auf Open Air Festivals nicht vor 22 Uhr, weil es dann wenigstens einigermaßen dunkel ist
und unsere Lightshow, die ja wesentlicher Bestandteil eines Grobschnitt-Konzertes ist,
erst dann zur Geltung kommt. Ich erinnere mich noch genau an unser letztes Festival 1976,
damals waren noch Nektar der Top-Act in der Philipshalle und wir hatten noch nicht einmal
ein eigenes PA und doch haben wir allen die Show gestohlen; auch den Scorpions! Ich
glaube, die werden noch heute blaß, wenn ihnen einer sagt, die sollen mit Grobschnitt
spielen. Dabei sagen sie immer, wir wären der reinste Kindergarten. Das mag ja richtig
sein, wenn man ihre professionelle Coolheit als Maßstab aller Dinge ansieht, aber bei uns
ist einfach immer was los. Da probieren wir die Revolver aus, die Gags werden noch einmal
angespielt und mit
"verbissen-noch-einmal-die-letzten-Gitarrenläüfe-oder-Soli-probieren" ist
nicht. Bei uns herrscht Stimmung in der Garderobe. Das konnten die natürlich alle nicht
begreifen. Ein Fall in Meschede, da waren die Scorpions ganz schön genervt. Wir spielten
vor ihnen und plötzlich war mitten in Solar Music der Saft weg. Wir konnten natürlich
nichts beweisen, aber jeder in der Halle wußte wohl, daß wir uns nicht selbst den Saft
weggedreht hatten. Nun denn, danach kam dann der Top-Act. Die hatten damals immer noch
drauf, "Hey Yeah, seid ihr alle da." nur es war keiner mehr da, vielleicht 300
Leute oder so und die Scorpions haben nur noch 20 Minuten gespielt. So ist es Eloy auch
schon ergangen".
Von der Vergangenheit zurück in die Gegenwart. Zur Zeit habt ihr den
größten Erfolg eurer Karriere, verkauft reichlich Platten, habt eine 45 Städte Tour mit
jeweils tausenden von Zuschauern hinter euch, aber keinen Plattenvertrag. Was ist los?
"Nimm ruhig zur Kenntnis, daß uns das nicht stört. Wir sind
zur Zeit völlig frei. Wir können machen, tun und lassen was wir wollen und die
Entscheidung, die wir zwangsläufig treffen müssen, werden wir nach sorgfältiger
Prüfung treffen".
Nach den bisherigen Erfahrungen der Gruppe mit Plattenfirmen sind
sicherlich neue Gesichtspunkte aufgetreten, die in einen neuerlichen Vertrag einfließen
sollten. Was würdest du von einer Plattenfirma heute verlangen?
"Es müßte sich schon einiges ändern, zu dem wie es bisher
war. Da ist zum Beispiel die Pressearbeit für Grobschnitt, die einfach besser werden
muß. Auch die Verdeutlichung der Gruppe, dessen was Grobschnitt ist und bedeutet, muß
einfach besser sein. Meiner Ansicht nach ist Grobschnitt immer noch eine Gruppe die sich
zu einem wesentlich hohen Anteil selbst hochgearbeitet hat, die also den Erfolg durch
eigene Auftritte und daraus resultierende Mund zu Mund Reklame erlangte. Hier müßte der
Hebel angesetzt werden. Die Medienpropaganda muß eindeutig verstärkt werden. Unsere
Bedeutung als Gruppe findet, so glaube ich, nicht den ihr entsprechenden Widerhall. In den
Fachzeitschriften findet man nur hin und wieder was von Grobschnitt, allein die
Musikfachzeitschriften wie "spotlight" u. a. machen da eine Ausnahme. Allgemein
könnte man noch mehr sagen. Deutsche Gruppen müßten viel mehr im Fernsehen
berücksichtigt werden, denn die Politik, die das Fernsehen betreibt, ist doch allgemein
betrachtet eine Verleugnung der deutschen Gruppen".
Aber nun haben wir uns doch ein Video angesehen, die Aufzeichnung des
Grobschnitt-Konzertes in Essen, und darüber ließe sich doch eine visuelle weitere
Verbreitung von Grobschnitt erzielen; Wofür oder warum habt ihr das Video erstellt?
"Nur für private Zwecke. Um uns unsere Show selbstkritisch vor
Augen zu führen. Um herauszufinden, was wir besser machen müssen oder auch was uns
besonders gut gelungen ist. Antworten zu finden auf die Frage, weshalb ist manches gut und
manches nicht so gut".
Warum macht ihr diese Arbeit zur Bewertung und Kritik erst am Ende der
Tournee? Wäre es nicht besser, ihr würdet schon vor der Tour euren Auftritt
überprüfen?
"Haben wir ja auch gemacht. In der Halle in der wir unser
Programm und den Auftritt geprobt haben, haben wir auch mit Video gearbeitet und dabei
kontrolliert, wie Musik, Show und Einlagen funktionieren und in den Augen des Betrachters
ablaufen. Diese Arbeit war äußerst interessant und für unser Programm positiv, denn
deutlich sahen wir dabei, daß einiges drastisch geändert werden mußte. Diese Kontrolle
mit der Videoanlage können wir nur allen Gruppen empfehlen, denn man lernt Sachen dabei,
über die man sich zuvor kaum ein Bild gemacht hat. Und so aufwendig ist die ganze Chose
auch nicht".
Nun aber habt ihr ein Video von mehr als 3 Stunden Länge, das
optimal darstellt was Grobschnitt ist. Zusammengeschnitten könnte man doch daraus auch
ein 45 Minuten Video für den kommerziellen Markt machen?
"Jetzt, nachdem wir die Aufzeichnung gesehen und geschnitten
haben, sind wir von der Qualität überrascht und denken auch über die weitere Verwendung
des Materials nach. Aber zum jetzigen Zeitpunkt kann ich dazu nichts sagen. Allerdings
für Veranstalteranfragen aus dem Ausland, die Grobschnitt noch nicht kennen, wollen wir
schon einen Zusammenschnitt erstellen, damit er sich ein Bild von uns machen kann. Das ist
schon klar, was wir aber noch weiter damit machen können oder wollen, darüber haben wir
noch nicht nachgedacht".