Sind schon verdammt clevere Jungs, die Burschen aus dem
Westfälischen... Bringen da ne Show auf die Bühne, die sich jeglichen
Kategorisierungsversuchen widersetzt und selbst die sonst um Worte und Schubladen nie
verlegenen Großkritiker ins Grummeln bringt, diese sich gar dabei ertappen, mit ihrem
eigenen Interpretationsversuch unzufrieden zu sein, wenn sie versuchen
Grobschnitt irgendwo zwischen Genesis, den Tubes und
Jango Edwards Friends Roadshow einzuordnen. Sch..., selbst das klappt nicht, bleibt immer
noch der (vielleicht weniger befriedigende) Weg, sich zu bescheiden um schlicht und
einfach zu konstatieren: Grobschnitt ist Grobschnitt. Basta.
Im Folgenden soll es vielmehr um ein paar Eindrücke vom Rummelplatz
gehen. Man folge mir also nach in die Welt, die noch voller Wunder und Wunderlichkeiten
ist. Franz-Josef Strauß betritt die Bühne. Ein Souvenir aus Bayern,
kommentieren die Grobschnitt-Jungs trocken. Wir haben nämlich gestern im Ausland
gespielt, in Bayern!, wird der Witz zu Ende gebracht. Na ja. Der
Ehrengast jedenfalls tut gut daran, die Plattenform schnellstmöglichst wieder
zu räumen, bevor er mit Füßen getreten und vertrieben wird. Klar, auch unsere
westfälischen Nachtigallen aus Hagen mögen FJS nicht. Discomusik übrigens auch nicht,
noch weniger Atomkraftwerke, auch wenn ihre heimatlichen Wälder von diesen noch
weitesgehend verschont geblieben sein sollen. Lupo: Da leben noch echte
Wildschweine. Und wenn die auch Stefan heißen. Jedenfalls: Dieser vage thematische
Ab-, auch Umriß, verdeutlicht: Das Besondere von Grobschnitt liegt sicherlich nicht an
den Sub- bzw. Objekten, auf die sie mit der Vielschichtigkeit, die das Begriffsfeld des
Komischen zu bieten hat, zielen. Vielmehr ist's das aufgebaute Szenenbild, die Kulissen,
die Staffage, in denen sich zwischen Licht und Musik, Wort und Gesang wahnwitzige
Charaktere und verrückte Gestalter zur gefälligen Belustigung des Publikums agieren. Na
und? Und weiter? werden jetzt einige von euch berechtigt fragen... Dazu - im Originalton -
Toni Moff Mollo, Meister der Lichttechnik, Backingsänger, Earnie und Mr. Coke in
Personalunion: Wir befinden uns hier wieder auf dem Rummelplatz, bewegt er
sich inmitten starker Männer und einer zarten Luftballonverkäuferin zur Jahrmarktsmusik.
Dann die Stimme: Es sind noch Plätze frei, steigen sie ein, steigen sie zu!
Und los geht's mit dem Merry-go-round, Grobschnitts musikalischem Beweis, daß
man sehr wohl Walzer in die Rockmusik integrieren kann. (Lupo, Gitarrist und
Manager). Musikalisch gibt sich Grobschnitt also greifbar... Wenn auch das Akustische
allein ohne die visuelle Ergänzung nur selten (LP's Jumbo, Rockpommels
Land) großen Stellenwert erlangt. Grobschnitt reproduzieren da eher, zitieren,
bieten eigene Interpretationen dieser verarbeiteten Impulse an. Neu ist die Musik nicht,
modisch und modern erst recht nicht. Da gibt es die neoromantischen
Genesis-Züge (in Rockpommel), spät-psychedelischen
Improvisationscharakter à la Pink Floyd (Solar Music) und - natürlich - auch
(hab' ich nicht vergessen!) einen Schuß Folklore aus der westfälischen Heimat (u. a. in
den Akustik-Parts). Und wenn dann ein Stück wie A.C.Y.M., nach
atmosphärischem Ausflug in Rockpommels Land, der Rock-Oper, dem Rock-Märchen
um den lederbehosten Schulbub Earnie und seinen Papiervogel Maraboo im Trockeneisnebel,
mit greifbaren Rockklängen im 4/4 Takt anfängt, dann schwenkt das Ganze sicherlich nach
wenigen Minuten in einen alles ironisierenden 3/4 um, das Grobschnitt'sche Kombinat aus
Rock und Disco (siehe: ac von ac/dc, YM von Y.M.C.A.), ein Seitenhieb auf die Discomacher
von jenseits des großen Teiches. Toni, als Indianer maskiert an der Biegung des Flusses
Gräber herrichtend: Nur ein toter Village People ist ein guter Village
People. Schön, das gefällt. Aber es schleicht sich auch so manch plattes Witzchen
ein. Klar, die Gags sind spontan, nicht eingeprobt, von daher ist's verständlich. Eroc's
(Schlagzeuger und Frühlingsrolle im Chinese-Sketch) Ansage zur Rock-Oper beispielsweise:
Unser Märchen mit Musik und viel TamTam handelt von Earnie und von Vögeln... Von,
von (betont er mehrfach) von Vögeln (Räuspern, treudoofer Blick). Das sind halt
Klischees, die immer ankommen. Weit witziger sind da die Sketche, so jener, in dem Mr.
Coke den armen Chinesen Coca-Cola-Dosen en masse verkauft. Ein Spektakel, einmalig und,
wie gesagt: es entzieht sich eigentlich jeglicher Bewertung... Wenn das nicht schon eine
ist...
Detlef Kinsler