Musik spezial 3 / 1986

 

grobschnitt

"Wir kriegen immer noch locker jede Halle voll"

Wenn man die Halle betritt, weiß man von Anfang an, wo‘s langgeht: Grobschnitt zelebriert ein rockmusikaliches Spektakel, wie es eigentlich nur aus den 70er Jahren bekannt ist. Ich sah sie im Bremer "Schlachthof", einem mittleren Club, in dem Ambros bis Zanki alles gastiert, was Rang und Namen hat. Bärtige Freaks sitzen auf den Rängen, mit Wollpullovern und dicken Tüten in der hohlen Hand, aber auch junge und noch jüngere Leute. Man erspähte gar ein oder zwei Pönks, Lupo grinste, alle sind gekommen, alle haben Bock auf Grobschnitt.

Eine für den Bremer Club unglaublich groß dimensionierte Bühne paßt zur Show hervorragend; geziemend eingerahmt von riesigen, selbstredend schwarzen P.A.-Kathedralen links und rechts eröffnet man natürlich mit Vorhang, der gleich zu Anfang des Konzertes zur Seite schwingt. Der Effekt ist voll geglückt, die Fans stehen drauf, es ist genau das richtige für ein anständiges Grobschnitt-Fest mit allem Drum und Dran. Der Abend wird lange, verdammt lange. Einige können schon bei "Rockpommel's Land" nicht mehr folgen, die Mehrzahl jedoch wird erst jetzt richtig warm. Grobschnitt mußte man einfach gesehen haben; und Einige gehen sogar nur hin, um die Show und weniger die Musik zu genießen. An der Abendkasse kostet die Karte DM 13,-. Kein Pappenstiel, aber es wird stillschweigend bezahlt. Für dieses Geld hauen die Hagener Jungs ihrem Publikum ein Konzert um die Ohren, das niemand mehr so schnell vergißt. Wer spielt schließlich heute noch 3 ½ Stunden gute Rockmusik live?

Grobschnitt macht sich seit jeher solche Superlative zum Geheimrezept. Von diesen Spezialitäten lebt die Gruppe, feiert weiterhin unbeirrt Erfolge, während vermeintliche Trendsetter argwöhnisch die Krautrockvergangenheit ans Kreuz nageln und wehleidig nach neuen Anstößen schreien. Grobschnitt zeigt ihnen die lange Nase. Diese Band hat schon alles erlebt. Und überlebt.

Die deutsche Welle haben die Hagener kaum gespürt, die neue deutsche Ehrlichkeit fällt höchstens zu ihren Gunsten aus; gegen angloamerikanische Konkurrenz schließlich konnten sie doch schon immer behaupten, das beweisen die letzten 16 Jahre. Eloy ist weg. Jane auch. Guru Guru gibt's nicht mehr, Epitaph, Karthago, Hölderlin, Triumvirat, Wallenstein und wie sie sonst noch alle heißen mögen, alle sind sie weg vom Fenster. Gone With The Wind.

Grobschnitt lebt noch. Und wie es scheint, will die 1970 gegründete Band noch recht lange weitermachen. Nahezu 800.000 Tonträger haben sie schon unters Volk gebracht, die meisten davon sicherlich im berühmten "Solar Music Live"-Cover, das erstmals den Höhepunkt jeder Grobschnitt-Live-Show offerierte. Mittlerweile gibt es (zählt man die erste Studioversion mit) drei auf Vinyl gepreßte verschiedene Mutationen (die jüngste davon heißt "Sonnentanz"), wobei allerdings die jeweils auf den einzelnen Tourneen ständig neuentwickelten Versionen gar nicht mitgezählt werden können.

Grobschnitt mag ein Überbleibsel sein. Aber ganz sicher eines, das es in sich hat; eine Show, professionell, eigenständig effekt- und eindrucksvoll, eine Musik mit einem stilistischen Querschnitt aus den letzten 16 Jahren, Menschen, die dahinter stehen und glücklicherweise noch lange nicht den ätzenden Business-Musician heraushängen lassen. Zwischen den Show-Eskapaden folgt immer wieder eine deutsche Ansage im Hagener-Downtown-Slang.

Grobschnitt macht mit den Leuten Musik, nicht über ihnen, nicht neben ihnen. Übrigens, sie touren noch bis weit in den Juni hinein ...

Text und Fotos: Christian Bitter

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