Artikel aus der Rhein-Ems-Zeitung vom 03.12.1979

 

Rock und Klamauk wie im Karneval

Grobschnitt, - Deutschlands "beliebteste live-Gruppe"

EMDEN (gs) Seit 1970 touren sie durchs In- und Ausland, doch erst jetzt ist es einem der vielen Janssens, der Kulturamts-"Janssen-Ära" in Emden gelungen, sie an Land zu holen. So stand Grobschnitt mit dem Ruf, Deutschlands beliebteste "live Gruppe" zu sein, am Donnerstag zum ersten Male innerhalb Emder Gefilde auf dem Präsentierteller in der Nordseehalle, wobei dies die 38. Station der am 2. Oktober begonnenen Deutschlandtournee war.

Grobschnitt kommt aus der Industriestadt Hagen in Westfalen und wahrscheinlich ist es die besondere Eigenwilligkeit in der sie Musik und Show miteinander verknüpfen, die ihnen bisher eine große Fan-Schar eingebracht hat. In Emden waren es immerhin rundweg tausend Jugendliche, die den Weg zum Konzert fanden.

Empfangen wurde jeder Besucher durch ein "Mammut" an technischem Aufwand, und als dann schließlich die ersten Grobschnitt-Klänge aus dem bombastischen, technokratischen Lautsprecher-Lampen-Kabel-Wirrwarr ertönten, wirkten die Musiker in Ku-Klux-Klan-Vermummung eher wie Roboter, denn wie leibhaftige Menschen.

Schon mit dem ersten Stück weckte Grobschnitt anscheinend die Sympathie vieler Anwesender: Du kannst das nicht. Du schaffst das nicht: Laß das sein! Wobei man nicht entscheiden kann, war es nun die Eindeutigkeit dieser mehrmals wiederholten Sätze oder waren es eher die sinfon-wirkende Musik und die teilweise angsteinflößende Mystik und Schaurigkeit optischer Gegebenheiten, die die Bühne nahezu als "Hexenküche" erschienen ließen.

In vollkommenem Gegensatz dazu stand im Anschluß an die musikalische Einleitung die direkte Publikumsansprache durch "Lupo", den Sologitarristen und background-Sänger. Da verschwand alle Mystik, das paßte nicht in die Schublade Starkult, hier ließ Natürlichkeit nichts zu wünschen übrig.

Die folgenden langen Konzeptstücke wurden dann immer wieder, was den musikalischen Fluß anbetrifft, durch an politisches Kabarett erinnernde Stehgreifspieleinlagen unterbrochen beziehungsweise ausgemalt. Für Intellektuelle waren diese "Polit-Sketche" wohl eher flacher Klamauk und damit nicht radikal und tiefschürfend genug.

Für "Otto-Normal-Verbraucher" aber war das ganze "Polit-Gedöns" im Karnevalsstil sicherlich belustigend und dementsprechend stark "meinungsmanipulativ": Da wurde der inzwischen schon fast zur "unbeliebt-beliebten" Komikfigur gewordene Kanzlerkandidat in spe "Franz-Josef" mit Schimpf und Schande von der Bühne gejagt; da beklagte man den Umstand, daß die guten alten Chinesen drauf und dran sind, ihre roten Bücher gegen rote Blechdosen (Coca-Cola) einzutauschen. Da nannte man den Präsidenten der USA einfach "Mr. Devil" und krümmte offen und freiherzig den Musiker-Kollegen "Village People" sämtliche "Brusthaare" indem man ihnen vorwarf, daß sie ihre Fans für dumm verkauften und frei nach der "Chauvi-Masche" absahnten. Kritik, die dann in dem Ausspruch gipfelte: "Nur ein toter Village People, ist ein guter Village People".

Mit Sicherheit ist die Grobschnitt-Musik nicht nach kommerziellen Gesichtspunkten konzipiert. Hier mag eine Band eine bestimmte Art, sich musikalisch auszudrücken und steht voll und ganz dazu. Wer die englischen Texte nicht versteht, erhält jeweils die Möglichkeit zum Verständnis des Anliegens der Band, sich entsprechende Kurzszenen anzusehen, deren Lockerheit und Einfachheit wohl jedem den entscheidenden Durchblick ermöglicht. So in etwa läßt sich das Konzept von Grobschnitt beschreiben.

Besonderer Publikumszuspruch ließ sich jeweils registrieren, wenn die Akteure, und dazu gehören bei Grobschnitt nicht nur die Musiker sondern auch sämtliche Roadies, im Rahmen ihrer "Rock-Rummelplatz-Theater-Show" nebelwolkenumschwadet lichtstarke Magnesiumfunken sprühen ließen oder die Musik mal ausnahmsweise zwischendurch echt "rockig" wurde. Bei Grobschnitt passiert auf der Bühne so allerhand und das wirkt nicht straff organisiert und durchgeplant, sondern eher locker und spontan.

Denkt man an den riesigen technischen Aufwand und die Vielzahl der Beteiligten, so ist sicherlich ein großer Kostenaufwand erforderlich, um alles am Leben zu erhalten, was die häufigen live-Auftritte und Marathon-Tourneen der Formation Grobschnitt denn auch wohl zur zwingenden Notwendigkeit werden läßt.

Alles in allem ist Grobschnitt zu den deutschen Spitzenformationen zu rechnen und das nicht zuletzt wegen ihres einwandfrei exzellenten wohl auch international konkurrenzfähigen P.A.-Sounds. Sechs LPs gibt's auf dem Markt. Die letzte heißt "Merry-go-round" und wird mit diesem Titel (Fröhliches buntes Treiben) wohl dem live-Treiben der Gruppe am ehesten gerecht.

Bliebe abschließend noch zu erwähnen, daß Eroc, Lupo, Toni (alias Earnie), Wildschwein, Mist und Popo zwar der Meinung sind, daß etwas "faul" ist im System, doch die Endlösung (Spreng-Sketch) nie sein darf, daß man alles einfach in die Luft sprengt. In diesem Sinne wäre es wünschenswert, die "Grobschnitt-Nebelschwaden-Funkensprüh-Karnevalssketch-Klamauk-Show", die so voller Leben steckt, samt ihres Dauerbrenners, der Zukunftsvision: Solar Musik bald mal wieder hier zu haben ...

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