Artikel aus der Zeitschrift Pop (?) 1978

 

Grobschnitt: Sie brauchen Ilja Richter nicht

"Wir machen nun mal keine Musik für Abiturienten, wie es eben nicht so viele Abiturienten gibt." Joachim Ehrig, genannt Eroc, ist Schlagzeuger bei Grobschnitt. Einer Band, die ein kleines "Branchenwunder" vollbracht hat.

Bei "Rockpalast-Festival" der "Nordkette" (WDR, NDR, SFB, Radio Bremen) holte sie sich den ersten Platz. Die Zuschauer gaben mehr Stimmen für Grobschnitt ab als für Rainbow, Joan Baez oder Meat Loaf.

Doch Eroc schwächt den Erfolg gleich ab: "Für uns war das doch praktisch ein Heimspiel. Die Zuschauer kannten uns alle." Allerdings: "Gerechnet hatte mit dem ersten Platz keiner von uns." Im Geschäft sind Grobschnitt seit Anfang der siebziger Jahre. Damals noch als "Underground"-Band. "Obwohl es in der Bundesrepublik nie einen Underground gab", meint Sänger Stefan Danielak (Spitzname: "Wildschwein"). Und Eroc erinnert sich: "In Berlin haben wir mal mit dem Nebel der Bühnenshow das ganze Publikum hinausgetrieben."

Von Anfang an waren sich Grobschnitt auch für die miesesten Schuppen nicht zu schade: "Wir spielten in jedem Puff." Die Folge: Grobschnitt wurden zu einem "heimlichen Bestseller". Ohne jemals im Fernsehen aufgetreten zu sein, zogen sie so viele Zuschauer an, daß sie allenfalls von Udo Lindenberg übertroffen wurden.

Kein Wunder. Denn Grobschnitts Zweieinhalb-Stunden-Show gehört wohl zum Besten, was die deutsche Rock-Szene zu bieten hat.

Theater, Effekte, Gags und vor allem Rock, der sich schon allein durch die Fülle der verwendeten Melodien wohltuend vom üblichen Einheits-Rock abhebt.

Etwas unsicher sind die Musiker noch, ob sie deutsche Texte ("Das ist an sich ‘ne Beamten-Sprache") verwenden sollen. Ihre LP "Jumbo" wurde in zwei Versionen veröffentlicht – in Deutsch und Englisch. Ergebnis: 1:0 für die englische Ausführung.

Für die nächste LP (Arbeitstitel: "Hausmusik") will die Band etwas für die Neues ausprobieren: kürzere Stücke zwischen vier und neun Minuten. Zu Lasten der ruhigen und langatmigen Nummern. Organist Volker Kahrs, der tatsächlich mit "Mist" angeredet wird: "Auf einmal haben wir gemerkt, daß wir ja auch ‘ne ganz rockige Rhythmusgruppe haben."

Die Roadies, bei anderen Bands nur für den Anlagenaufbau zuständig, wirken bei Grobschnitt auch auf der Bühne mit. "Man kann sich Roadies auch kaufen", erklärt Gitarrist Gerd "Lupo" Kühn, "aber das hält nicht." Und Wolfgang Jäger ("Pepe") weiß noch genau: "Früher wollten wir uns jede Woche trennen. Das ging bis zur Klopperei." "Aber mittlerweile", ergänzt Eroc, "haben wir so ziemlich alle Stadien einer Ehe durchgemacht. Und jetzt klappt es."

 

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