Artikel der Zeitschrift Musikertreff Ausgabe April 1985

TOURNEESTART

Rückblick auf
15 Jahre Grobschnitt

"Der Typ da gegenüber macht immer Ärger, deshalb ist hier immer schon um acht Feierabend", meint Geheimrat Günstig im großdeutschen Akzent. - Ein Austrinese? "Ja, aber Wiener bin ich nicht. Ich weiß auch nicht, wer das Gerücht in die Welt gesetzt hat." Das mußte mal gesagt werden.

Da stehen wir nun. Nach einer Irrfahrt durch die "Schützenhallen" des Sauerlandes (wird da wirklich so viel geschossen?) stehen wir endlich in der richtigen Halle. Allein in Menden gibt, es drei davon. Mein Traumpartner des Tages, Reinhold Stativ, hat heute sein optisch-journalistisches Debut. Stativ geht heute auf's Ganze: "Entweder werden ‘se heute alle was, oder drei Filme gehen für Lulu." Genau die richtige Einstellung, immer ran an den Speck.

Firma GROBSCHNITT feiert in diesen Tagen fünfzehnjähriges. Sie haben angefangen, als die Beatles aufgehört haben. Von Feiern ist jedoch nicht viel zu sehen. Alle fleißigfleißig, jeder hat zu tun.

 

Wir sehen uns in der Halle um. Die ganze Anlage ist schon aufgebaut, überall stehen fahrbare Kisten und Kästen. Leichte und schwere, volle und leere. Da wird man neugierig. Schnüffelhundmäßig tapsen wir eine Verlängerungsschnur entlang, die kein Ende nehmen will. Ich krieg ‘nen Krampf im Darm: An der Kante einer Kiste ist eine Nachttischlampe befestigt, in der aufgeklappten Kiste windet sich ein Schlafsack. Sieht aus wie ein Sarg auf Rädern. "Ist doch klar, einer muß hier immer Nachtwache halten", ruft Geheimrat Günstig runter, der gerade in den Schluchten der PA taumelt. Da alle sehr unausgeschlafen aussehen, könnte in der letzten Nacht jeder der anwesenden Herren der Nachtwächter gewesen sein. Thomas, der neue Keyboarder, stellt sich zwischen seine Sahneteilchen und drückt zum Frühstück einige eigenwillige Akkorde. Den sympathischen Hamburger hat die PEE WEE BLUESGANG in diese Gegend gelockt. Bei ihnen ist er kürzlich ausgestiegen. "Ich war nur drei Stunden arbeitslos", meint Thomas. Milla, der Bassist habe ihn angerufen, ohne von seinem Ausstieg gewußt zu haben. So habe sich das ergeben, ganz harmonisch. Er freut sich unheimlich auf die Tour, ihm juckt's schon in den Fingern.

Milla, seit fünf Jahren Bassist bei GROBSCHNITT, ist auch dabei. Er hält Rückschau: "Die letzte Show war zu distanziert." Er weiß auch jetzt - eine Woche vor Tourbeginn - schon "so ungefähr, wie die neue Show aussehen wird". "Toni kommt als Hausmeister auf die Bühne, so mit grauem Kittel und vielleicht mit ‘nem Stumpen im Mundwinkel. Macht irgendwelche Äktschn, und ständig klingelt das Telefon. Da sind dann natürlich "bekannte Leute an der Strippe." Wegen diesem Projekt wird z. Z. noch mit Stevie Wonder und Helmut Kohl verhandelt.

15 JAHRE GROBSCHNITT: Da gratuliert Prominenz und Konkurrenz. GROBSCHNITT bietet einen musikalischen Querschnitt durch 11 LPs, spielt neue, bisher unveröffentlichte Stücke und läßt das Telefon klingeln. Es darf gespannt werden. Bei Thomas steht schon ein Telefon auf dem Piano, ein weiteres bei Toni auf der anderen Seite. Man stimmt sich schon mal auf die Show ein, man klingelt sich gegenseitig an, auch während der Musik. Bestimmende Gesten, ernstes Gesicht und wildes Gerede ist an dem einen Hörer zu Sehen, Bückling, Kopfnicken und abwartendes Schweigen auf der anderen Seite. Die Untertanen lassen grüßen. Der eine redet immer wilder, hebt den angewinkelten Arm an und will erbost in die Gabel hauen, aber die Musik ist schneller. Sie bricht abrupt ab. Ein markiger Schrei wächst durch die Halle: "Auf Wiederhören!"

ute

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