Artikel der Zeitschrift Musikertreff 6/1980

Reinhold: Wie kam es, daß Du damals von der Leadgitarre zum Baß gewechselt hast?

Milla: Es war für mich ein ziemlich großes Erlebnis, als ich 1974 YES zum erstenmal in Dortmund gesehen habe. So was wie Chris Squire am Baß hatte ich vorher noch nie gehört. YES macht ja ziemlich polyphone Musik, und so spielt der Baß dabei auch ‘ne ganz andere Rolle als in der herkömmlichen Rockmusik. Das hatte mich damals ganz schön angemacht, und von da ab wollte ich nur noch Baß spielen, was sich bis heute nicht geändert hat.

Ja, und dann hab‘ ich mir sofort ‘nen Rickenbacker gekauft, weil Chris Squire auch einen hatte, und für mich ist das auch heute noch d e r Baß. Ich hab inzwischen viele ausprobiert, aber ich komm auf keinem anderen so zurecht wie auf dem Rickenbacker, und auch der Sound, den ich jetzt habe, entspricht 100%ig meinen Vorstellungen.

Reinhold: Was spielst Du denn im Moment für ‘ne Anlage?

Milla: Ich spiel‘ auf dem Baß Rotosoundsaiten, - Verstärker und Boxen habe ich von Acoustic und Dynacord.

Reinhold: Warum hast Du zwei Verstärker?

Milla: Ich gehe erst in den Acoustic und von da in den Dynacord, so habe ich mehr Klangmöglichkeiten.

Reinhold: Spielst Du eigentlich immer mit Plektrum oder auch mit den Fingern?

Milla: Ich spiele immer mit Plektrum, weil gerade der Rickenbacker ideal für‘s Plektrum ist, denn die Saiten liegen etwas näher zusammen als bei anderen. Außerdem neigt man mit Fingern dazu, Funky oder Jazz zu spielen, und das ist überhaupt nicht das, was ich unter Baßspiel verstehe und wie ich es liebe. - Ich habe inzwischen auch meine eigene Technik entwickelt, und die ist eben nur mit Plektrum möglich.

Reinhold: Welche Funktion hat der Baß für Dich?

Milla: Das kommt auf die Gruppe an. Bei GREEN habe ich immer einen reinen Rockbaß gespielt. Ich versuchte, den untermalenden, ausfüllenden Effekt zu schaffen.

Reinhold: Hat sich das bei GROBSCHNITT jetzt geändert?

Milla: Zum Teil ja. Das war auch ein Grund, warum ich nach GROBSCHNITT gegangen bin. Dort habe ich mit Mist einen Multikeyboarder um mich und brauche diese füllende Funktion nicht alleine machen. Das fand ich damals schon bei den "Sixties" gut mit Heinz Krause, und jetzt ist es noch ein bißchen extremer bei der GROBSCHNITT-Musik. Ich bin in meinem Spiel viel freier geworden, kann mehr polyphon spielen, auch mal aufhören oder über andere "rüber" spielen, ohne daß die Klangfarbe fehlt.

Ich bekomme auch von Mist viele Anregungen für mein Spiel, weil er sehr viel von der Klassik und von polyphoner Musik versteht und zudem viel Gefühl für das Baßspielen hat. Ich brauche eben nicht mehr so am Grundton zu kleben und kann öfter auch mal in der Terz spielen Das alles entspricht jetzt viel mehr meinen eigentlichen Vorstellungen.

Reinhold: Wie kam es, daß Du bei GROBSCHNITT eingestiegen bist?

Milla: Ich wußte, daß GROBSCHNITT einen neuen Baßmann sucht, hab‘ dann sofort nachgehakt, mich mit denen unterhalten und dann ‘ne Session gemacht. Danach haben sie 2 Tage überlegt, und dann haben sie mich genommen. Vor und nach mir haben auch noch andere Bassisten vorgespielt. Es hatten sich unheimlich viele Leute beworben.

Reinhold: Wie konntest Du Dich denn so schnell dazu entschließen, bei GROBSCHNITT nachzufragen und dann die Band zu wechseln? Viele Leute sagten mir damals, sie hätten das jedem zugetraut, nur Dir nicht! Man hat Dich stark mit GREEN identifiziert ... Und die Arbeit, die man in so eine Gruppe reingesteckt hat, gibt man doch auch nicht so schnell auf, wie es bei Dir den Anschein hatte.

Milla: Es ist schon richtig, daß ich mich sehr mit der Gruppe identifiziert habe, und außer GROBSCHNITT hätte mich in Deutschland auch keine andere Gruppe gereizt. Das hört sich jetzt vielleicht etwas seltsam an, aber es ist wirklich so. GROBSCHNITT war für mich immer eine Ausnahmeband, weil die Gruppe musikalisch und auch menschlich immer ihren eigenen Weg gegangen ist und sich nicht um ein kommerzielles Image etc. kümmerte. Die Einstellung zum ganzen Showbusiness ist bei GROBSCHNITT z. B. ganz anders als bei den RAMBLERS oder STRIPES, die sich durch Imagepflege und Anpassung sehr schnell hochgearbeitet haben, was bei GROBSCHNITT sehr viel mehr Zeit gebraucht hat.

Du kannst Dich sicherlich noch erinnern, wie ich damals in der GREEN-Zeit schon geflucht habe über die Vorstellungen der Leute, die gesagt haben: Ihr müßt Euch ein Image schaffen, New Wave ist jetzt in, sonst kriegt Ihr keinen Plattenvertrag, Ihr müßt deutsch singen, Haare abschneiden, alles andere ist Scheiße! - Das hat mich damals schon immer angekotzt, und GROBSCHNITT ist wohl die einzige Band, die sich immer einen Dreck um solche Sachen gekümmert hat und ihren Weg konsequent gegangen ist. Sie machen ihre Sachen, wie sie‘s wollen, ob‘s im Fernsehen oder im Radio ist. Ich glaube, sie sind bei Trenkler mal mitten im Interview rausgeflogen.

Mit diesen ganzen Schmierereien und so, die sonst an der Tagesordnung im Business sind, hat GROBSCHNITT absolut nichts zu tun.

Reinhold: Glaubst Du denn, daß GREEN sich so dem Geschäft angepaßt hätte, mit "Image", "New Wave" und so weiter?

Milla: Ich glaube nicht. Aber man hätte zumindest musikalisch Kompromisse machen müssen, und so ‘ne Musik wie GROBSCHNITT hätten wir eh nie gemacht, was heute für eine neue Band auch unmöglich ist.

Obwohl mir die Musik bei GREEN viel Spaß gemacht hat, habe ich doch gemerkt, daß ich am Baß nicht weiterkam. Das lag einerseits wohl an dem Musikstil, andererseits daran, daß ich sehr viel gesungen habe und so von vorneherein komplizierte Sachen vermieden habe.

Reinhold: Von GREEN nach GROBSCHNITT, - ist das für Dich eine große Umstellung gewesen, was das "Betriebsklima" betrifft?

Milla: Irgendwie ist bei GROBSCHNITT alles viel professioneller als bei GREEN. Das fängt schon beim Üben an. Ich glaube, es gibt kaum eine andere Gruppe, die so viel und so hart arbeitet wie GROBSCHNITT. - Wenn einer beim Üben was sagen will, sind die anderen ruhig und keiner dudelt dazwischen rum. Man arbeitet also wirklich, - nicht in dem Sinne, daß es keinen Spaß macht, sondern man hat einfach das Gefühl, alle Leute kommen zusammen, um Musik zu machen und ein bestimmtes Stück auszuarbeiten. Und dann wird auch ganz intensiv nur an diesem Stück gearbeitet. - In den ersten zwei Wochen bin ich jedesmal nach dem Üben todmüde ins Bett gefallen.

Reinhold: Wie oft übt Ihr eigentlich?

Milla: Wir üben von Montag bis Freitag jeden Tag von 14 bis 20 Uhr. Manchmal, wenn wir gut drauf sind, auch schon mal bis 22 Uhr. Dadurch daß wir viel üben, haben wir auch entsprechend viel Zeit für die einzelnen Stücke und stehen nicht unter Zeitdruck.

Reinhold: Habt Ihr zwecks Einhaltung der Disziplin bestimmte Regeln aufgestellt?

Milla: Es gibt keine Regeln, es läuft einfach. Die Leute sind alle unheimlich diszipliniert, eben alte Profis. - Ich glaube, die Disziplin ist auch mit ein Grund dafür, daß sie es so weit gebracht haben. Jeder hat auch noch seine Sachen, die er außerhalb der Gruppe machen muß. Eroc macht den ganzen Technikkram und seine eigenen Sachen. Lupo das Management...

Reinhold: Was machst Du denn außerhalb des Übens?

Milla: Ich übe zu Hause für mich. Jetzt hab‘ ich noch das Taurus Baßpedal von Moog dazubekommen, und auch am Baß selbst tue ich viel.

Reinhold: Wie gehst Du beim Üben vor? Hast Du ein Lehrbuch, oder hörst Du Dir was von Platten raus?

Milla: Ich spiele einfach, was mir so einfällt, weil ich nicht imitieren und meine eigene Technik verbessern will. Ich habe eigentlich kein bestimmtes Lernkonzept. - Und dann muß ich natürlich noch die alten GROBSCHNITT-Stücke einüben.

Reinhold: Übst Du nicht mit der Gruppe die alten Stücke ein?

Milla: Nein, im Moment machen wir nur die Stücke für die neue LP fertig.

Reinhold: Ist es schwer für Dich, die Sachen von Popo nachzuspielen, - jeder hat ja irgendwie einen anderen Stil...?

Milla: Popo hat zum Glück einen ähnlichen Stil wie ich und spielt auch mit Plektrum. Sonst wäre es wahrscheinlich schwerer geworden.

Reinhold: Ist die neue GROBSCHNITT-Musik anders als die frühere?

Milla: Das ist schwer zu sagen.

Ich habe den Eindruck, daß sie zum Teil etwas rockiger, härter geworden ist. Trotzdem kommt der typische GROBSCHNITT-Stil noch voll zur Geltung. - Ich fahre auf die neuen Sachen voll ab, und sie gefallen mir noch besser als die alten. Das mag aber auch daran liegen, daß man zu der Musik, die man selbst mitentwickelt hat, eine ganz andere Beziehung hat, als wenn man sie als Außenstehender hört. Ich mache halt jetzt die Musik, die ich immer schon machen wollte, und bin natürlich ziemlich enthusiastisch.

Reinhold: Singst Du bei GROBSCHNITT auch so viel wie bei GREEN?

Milla: Nein, in erster Linie bin ich Bassist, und ich kann mich jetzt wesentlich mehr auf‘s Baßspiel konzentrieren. Ich brauch nicht so viel zu singen, und das tut mir auch ganz gut. Bei GREEN habe ich ja in erster Linie gesungen und eigentlich nur "nebenbei" Baß gespielt. Jetzt singe ich meistens nur bei mehrstimmigen Passagen, mit Wildschwein und Toni zusammen. Das mache ich noch sehr gerne, weil ich dabei nicht die tragende Rolle spiele. Es macht einfach Spaß, weil die Leute gut sind, gesanglich und spielerisch.

Was auch sehr wichtig für mich ist, das ist Eroc am Schlagzeug. Für den Bassisten ist ja das Zusammenspiel mit dem Schlagzeuger eigentlich das Wichtigste, der Rhythmus muß rüberkommen. - Eroc ist für mich wirklich der beste Schlagzeuger, den ich kenne. Das ist natürlich Geschmackssache, aber ich finde ihn unheimlich gut, weil er wahnsinnig viele Sachen drauf hat, und ich kann noch viel von ihm lernen. Ich glaube auch, daß wir beide sehr gut miteinander harmonieren. Eroc spielt natürlich auch schon sehr lange, aber er hat auch genau den Stil, auf den ich schon immer abgefahren bin, und wie ich es mir immer vorgestellt habe. Er spielt unheimlich locker und mit so viel Tricksereien, auf die ich dann eingehen kann. Er weiß genau, was er macht, und das gibt mir auch viel Sicherheit. Es macht einfach viel Spaß, und ich bin wirklich froh, daß ich mit ihm zusammenspielen kann.

Reinhold: Glaubst Du, daß man von GROBSCHNITT irgendwann mal ‘ne Hit-Single erwarten kann?

Milla: Das kann man schlecht sagen. Wir geben uns dahingehend eigentlich nicht besonders viel Mühe. GROBSCHNITT ist mehr eine reine LP-Band. Wir verkaufen LPs, die eine breite Basis haben, und so auch noch nach Jahren gekauft werden. Allerdings würde wohl niemand eine Single schlecht finden.

Reinhold: Darfst Du über Deinen Vertrag mit GROBSCHNITT sprechen?

Milla: Bis jetzt habe ich noch keinen Vertrag mit GROBSCHNITT gemacht.

Reinhold: Wie bist Du denn finanziell abgesichert? Bekommst Du von GROBSCHNITT einen festen "Monatslohn"?

Milla: Wenn ich mal Geld brauche, gehe ich hin und bekomme es auch. Wie jetzt den "Taurus", den hat die Gruppe mir gekauft. Allerdings interessieren mich die Geldangelegenheiten auch nicht besonders. Ich bin nicht zu GROBSCHNITT gegangen, um das große Geld zu machen, wie bestimmt viele geglaubt haben, sondern weil ich hier meine musikalischen und kreativen Ideen verwirklichen kann. Wenn ich scharf auf Geld wäre, wär‘ ich nie Rockmusiker geworden, sondern würde als Lehrer jeden Monat mein Gehalt kassieren, - da könnte ich viel sicherer leben ... bis zur Rente!

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