Artikel Mainz vom 08.11.1979

 

Die sechs "enfants terribles"

Fetziger Auftritt der Pop-Gruppe "Grobschnitt" im Elzer Hof

Ein lauter, bunter, fetziger Auftritt der "Grobschnitt-People" im Mainzer Konzerthaus! Ach nein mit den "Village People" wollen sie nicht in Verbindung gebracht werden, die, so meint "Lupo" an der Lead-Gitarre, machen ja auch Disco und keine Pop-Musik so wie sie selbst, die sechs singenden, tobenden kreischenden "Enfants terribles" mit ihrer "road crew" aus Hagen. Ihr "Super-Akt" ist provozierend, aber im Grundton von charmanter Albernheit. Sie rühmt sich, die beste Live-Band Deutschlands zu sein, hat sieben erfolgreiche LPs' herausgebracht und Ende letzten Jahres den ersten Platz der TV "Rock-Palast"-Beliebtheit belegt - nicht zu bezweifeln, der Andrang des Publikums ist kaum zu halten. Vor Beginn der Show sah man Grüppchen um den Block schleichen und sich durch fremde Gittertore Eintritt in den über-ausverkauften Elzer Hof verschaffen.

Für Pop-Fans, denen eine Action-Show mit sanft eingehauchter Sozialkritik lieber ist, als die Monotonie des Disco-Gehopses, bedeutet Grobschnitt in Deutschland wahrhaftig Erlösung. Udo Lindenberg, dem Grobschnitt an mancher Stelle á la Zadék-Inszenierung nachzueifern versucht, spricht jedoch ein ganz anderes Publikum an. Grobschnitt-Fans sind zum größten Teil Schüler, was die Musiker sehr wohl wissen und auch deutlich ansprechen: "Habt Ihr dieses Mal eure Lehrer dabei? Nächstes Mal bringt Ihr dann den Direktor und übernächstes Mal den Kultusminister mit - daß die uns aber dann bloß nicht den Part zensieren...", den nämlich, wo es "Ernie", der Spaßvogel im rotkarierten Hemd, und Lederhosen, auch Toni Moff Mollo genannt, als Frau verkleidet mit dem Teufel treibt. Obszön? Dafür darf viel zu viel gelacht werden.

Das Phänomen aus Hagen samt Techniker, Tonmischer und Kostümemacher beharrt eigenwillig auf seiner Ansicht von Musik und Show, ist auf den ersten Blick alles andere als erfolgsträchtig und macht seine Musik nicht nach kommerziellen Gesetzen. Oftmalige Wiederholungen eingängiger Melodien fehlen in den bis zu halbstündigen Konzeptstücken fast vollständig, und selbst wenn einige Melodien oder Gitarrengriffe mehrmals harmonisch hintereinander gespielt werden, wird der Höreindruck durch eine bunte Themenvielfalt wieder ausgelöscht.

Grobschnitt-Stücke sind Erzählstücke, wer sie hört, ahnt das Spektakel, wer sie sieht, läßt sich gerne hineinziehen in das Jahrmarktsgetümmel aus Bühnennebel, Lightshow und maskiertem Klamauk.

bea

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