Interview der Metronome mit LUPO November 1978

Interview mit "Grobschnitt"-Mitbegründer, -Gitarrist und Manager Gerd Kühn (Lupo) am 12.11.1978

Ihr seid eine der deutschen Rockgruppen der "ersten Stunde" und in eurer jetzigen Besetzung seit 1970 aktiv. Was hat nach deinem Dafürhalten bewirkt, daß ihr heute zum Spitzenfeld der deutschen Rockszene gerechnet werdet?

Lupo: Nun, immerhin sind drei von uns ja mittlerweile seit zwölf Jahren zusammen. Daneben sind wir besonders in den letzten 2 1/2 Jahren praktisch überall da, wo es Strom gab, aufgetreten, und der gute Kontakt, den wir von der Bühne aus zum Publikum haben, hat vermutlich auch zu unserer ständig gestiegenen Popularität beigetragen. Daß wir wirklich immer beliebter geworden sind, merken wir übrigens nicht allein an unseren Plattenverkäufen, sondern ebenso sehr auch an den ständig steigenden Besucherzahlen unserer Konzerte. Ein aktuelles Beispiel dazu: Vor kurzem sind wir in der Dortmunder Westfalenhalle vor 3.500 Leuten aufgetreten. (In Essen waren es 3.900 und in Düsseldorf 2.500 Besucher). Das alles erfüllt uns schon ein wenig mit Stolz.

Im Gegensatz zu den meisten anderen deutschen Gruppen seid ihr mindestens ebenso eine "optische" wie eine "musikalische" Gruppe. Hemmt das nicht evtl. den Plattenverkauf? Tatsache ist doch wohl, daß man eure Platten im allgemeinen besser findet, wenn man euch "live" kennt, und daß es ja wahrscheinlich immer noch Fans gibt, denen das bislang nicht vergönnt war! Wie siehst du das?

Lupo: Ich kann dazu sagen, daß der höhere Plattenumsatz eigentlich mit unserer vorletzten LP "Rockpommel's Land" begonnen hat, was ja darauf schließen läßt, daß immer mehr Leute unsere Musik gut finden. Von unserer aktuellen LP "Solar Music" haben wir im gleichen Zeitraum nach der Veröffentlichung jetzt sogar schon 200 % mehr als seinerzeit von "Rockpommel's Land" verkauft. Witzig ist in diesem Zusammenhang übrigens auch, daß nach der Veröffentlichung von "Rockpommel's Land" auch die vorangegangenen drei LPs im Verkauf noch enorm angezogen haben, obwohl sie durch die Neuerscheinung ja eigentlich quasi schon "out" waren.

Wie würdest du das, was ihr macht, mit ein paar Worten bezeichnen? Theater-Rock, Rock-Theater, oder was sonst?

Lupo: Es ist Unterhaltung! Ich muß dazu sagen, daß wir unsere Show eigentlich nie proben. Ebenso wenig ist jeder Gag minuziös im voraus festgelegt. Das ist bei uns übrigens schon ‘ne uralte Sache. Wir sahen vom Äußeren früher auch schon anders aus als die anderen.

Was würdest du Leuten sagen, die eventuell mit dem Einwand zu euch kommen, daß ihr euch lieber mehr auf eure Musik konzentrieren solltet, statt soviel Show-Rummel zu machen?

Lupo: Daß sie unbedingt in eines unserer Konzerte kommen müssen, um fest feststellen zu können, daß sie schief liegen. Von den drei Stunden Programm, die wir bringen, sind mindestens 2 1/4 bis 2 1/2 Stunden Musik. Außerdem haben die Musiker der Gruppe selbst ja kaum etwas mit dem sogenannten Show-Rummel zu tun. Dafür sind größtenteils unserer Roadies zuständig, die in die verschiedenartigsten Verkleidungen schlüpfen. Wenn den Leuten, die sich eventuell beschweren wollen, das noch immer nicht reicht, sollen sie anschließend an das Konzert sofort nach Hause gehen und noch ‘ne Platte von uns nachlegen. (Lacht.)

Daß es im Prinzip nicht verkehrt sein kann, bei einem Konzert nicht nur dem Ohr, sondern auch dem Auge etwas zu bieten, beweist die Tatsache, daß auch andere Rockgruppen, unter ihnen so renommierte internationale Acts wie die früheren "Genesis" oder die "Tubes", erfolgreich zu Show-Effekten gegriffen haben bzw. noch greifen, um das Publikum optimal zu unterhalten. Wer hat euch eigentlich dazu inspiriert, Rock und Theater zu einer Einheit zu verschmelzen! Schließlich gab es bei eurem Start doch wohl noch keine Vorbilder dafür?

Lupo: Jedenfalls waren es nicht die genannten Gruppen. Auch nicht Alice Cooper, der ja mal behauptet hat, der "Erfinder" geschminkter Auftritte gewesen zu sein. Als wir damit anfingen, gab es Alice Cooper noch gar nicht. Bei uns ist das alles rein zufällig so gekommen, und zwar weiß ich sogar noch, wo das war, nämlich in Gevelsberg, in der Nähe unserer Heimatstadt Hagen gelegen. Bei einem Konzert dort spielten Eroc und Toni Moff Mollo ein bißchen mit ‘ner Trompete rum, die wir immer bei uns hatten. Daraus hat sich dann unsere erste Show "Der Gasmann" entwickelt.

Zu eurer Musik: Wenn überhaupt, welcher deutschen oder ausländischen Rockgruppe fühlt ihr euch evtl. artverwandt?

Lupo: Schwere Frage! Ich versuche sie dergestalt zu beantworten, daß ich sage, daß von fünf verschiedenen Musikern, jeder für sich eine eigene Richtung gut findet und von entsprechenden Künstlern vielleicht auch mehr oder weniger beeinflußt wird. Irgendeine Gruppe, auf die wir alle gemeinsam "können", gibt es jedenfalls nicht. Dementsprechend ist es auch mit der Artverwandtschaft.

Was hindert euch eigentlich daran, euer Glück auch in anderen Ländern zu suchen, nachdem Deutschland von euch inzwischen ja wohl so gut wie total "vereinnahmt" worden ist?

Lupo: Haben wir schon. Wir haben ein Konzert in der Schweiz gegeben! (lacht) Was andere Länder wie z. B. Amerika und England angelangt, ist das meines Erachtens nur dann sinnvoll, wenn man dort mit ‘ner Platte in den Charts vertreten ist - selbst, wenn es vielleicht auf Platz 258 oder so ist. In Amerika entspricht das immer noch l00.000 verkauften LPs. Ansonsten ist das natürlich auch ‘ne Zeit- und Organisationsfrage. Ich hänge mittlerweile sowieso schon viel zu lange am Schreibtisch rum, als daß ich Zeit hätte, jetzt auch noch ‘ne zeitraubende Auslandskorrespondenz zu beginnen.

Die deutsche Rockszene hat in den letzten Jahren eine Art Wandlung erlebt. Weg von den Teutonenklängen, stärkere Anlehnung an das, was im Ausland erfolgreich ist, scheint die Devise zu sein. Glaubt du, daß ihr in dieser Richtung irgendwann evtl. auch mal was tun müßtet oder wollt?

Lupo: Wie man's nimmt. Auf jeden Fall ist es unser nächstes Ziel, für unsere nächste LP mit einem international ausgerichteten bzw. renommierten Produzenten zu arbeiten.

Könnte es nach deinem Dafürhalten an der zunehmenden "Internationalisierung" der deutschen Rockmusik liegen, daß es der "Szene", allgemein inzwischen besser geht? Schließlich klagten deutsche Rockgruppen doch jahrelang über schlechte Geschäfte, während um sie herum gut verdient wurde!

Lupo: Der Boom kam ja eigentlich erst vor etwa zwei, drei Jahren. Er begann mit "Jane" und den "Scorpions" und dehnte sich dann auf andere Gruppen, zu denen auch wir gehören, aus. Einige von ihnen sind inzwischen ja sogar im Ausland ziemliche "Renner" geworden. Sicher liegt die Gesundung der Szene vor allem aber auch daran, daß deutsche Gruppen durch die Bank in den letzten Jahren sehr viel professioneller geworden sind.

Wie geht es weiter mit "Grobschnitt"? Wollt ihr auch im Jahre 2000 noch Rockmusik machen?

Lupo: Warum nicht - obwohl es wahrscheinlicher ist, daß wir noch mindestens zehn Jahre zusammen Musik machen werden! Es hängt eben alles auch davon ab, wie lange es uns Spaß macht. Die Geschichte macht uns nämlich w i r k 1 i c h Spaß - auch wenn wir im Laufe einer Tournee wie der jetzigen 40mal hintereinander dasselbe machen .....

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