Konzertkritik
Illegal
Deutschlands beste Live-Gruppe auf dem Kommerz-Trip?
GROBSCHNITT
Ein Bericht über ihre Auftritte in Kaunitz und Osnabrück
"Heut ist ein schöner Tag, wie Vater Schmidt ihn mag",
welcher Fan der deutschen Rockmusik kennt die Zeile aus Grobschnitts ´"Vater
Schmidt's Wandertag" nicht? Als ich meine Sachen packte, um zu Grobschnitt 81
zu pilgern, ging mir dieses kleine Stückchen nicht aus dem Kopf. Als ich vom Konzert nach
Hause strebte, hatte ich die Melodie vergessen. Denn Grobschnitt 1981, das ist nicht mehr
die Band, die mich zu fesseln wußte.
Die Gründe: l. Die Show der vergangenen Jahre - die Mischung zwischen
Theater, Komik und dufter Rockmusik - ist verblaßt. 2. Ihre originellen Texte und der
eigenartige Aufbau ihrer Kompositionen ist wohl auf Grund des Kommerzes verschwunden. Da
gibt es entweder fast schon Hardrock oder die sentimentalen Liedchen, die auch in jede
Hitparade passen - man höre "Silent movie".
Besonders enttäuscht hat mich ihr zur Legende gewordenes, teilweise
bis zu einer Stunde langes "Solar-music". Heute hat es den Titel
"Powerplay" und hört sich ganz danach an. Die duften Einfälle, die in den
letzten zehn Jahren - so lange spielen oder spielten sie das Stück - den Reiz ausmachten,
sind den harten, heroischen Gitarren unterlegen. Ich habe mir in Ruhe noch mal die
"Solar-music live LP" angehört, und mit dem heutigen Stück verglichen. Fazit:
Grobschnitt ade - oder wie aus einer Outsidergruppe ein Hitparadenstürmer wird.
Zwar behaupten die Mannen um Schlagzeuger Eroc - die Namen sind die
letzten Relikte aus alten Zeiten - daß ihr Stilwechsel nichts mit dem Hardrocktrend der
letzten Jahre zu tun hat, aber das glaube ich ihnen leider nicht.
Nach langer Zeit gab es bei Grobschnitt im vergangenen Jahr einen
Musikerwechsel. Bassist Popo mußte die Band verlassen, für ihn kam von einer unbekannten
Hagener Rockband "Milla Kapolke". Er hat sich schon nach kurzer Zeit voll in die
Gruppe integriert und beherrscht sein Instrument gut. Doch gerade er wäre besser für
eine Band à la "Scorpions" geeignet.
Doch nun zur Grobschnitt-Show 1981. Da gibt's erst mal sämtliche
Stücke der neuen und angeblich besten LP "Illegal". Der Kritiker hat wohl noch
nie was von "Jumbo" oder "Rockpommel's Land" gehört? Von der
letzteren Platte hatten sie ein Bruchstück mitgebracht. Toni Moff Mollo stellte wieder
den Ernie dar und ritt auf seinem Vogel ",Maraboo" über die Bühne. Die coolen
sind ihm ein bißchen ausgegangen, aber trotzdem noch ganz lustig. Wenn ich da vergleiche,
was andere Bands, auch die angeblichen Superstars aus den Staaten, da für das sauer
verdiente Geld der Fans bieten, ist ihre Show doch noch gut.
Der Reiz und die Spontaneität sind zwar teilweise verflogen, doch es
knallt und leuchtet die Magnesiumfeuer immer noch vor den Fans. Dann schleichen vermummte
Gestalten an den Musikern vorbei und tauchen im Trockennebel, ohne den heute wohl keine
Band mehr auskommt, wieder unter. Da rast Toni Moff Mollo mit seinem Motorrad über die
Bühne, und Pferde traben lustig daher.
Schade, daß man die Texte, Grobschnitt hat selbst Vater Schmidt halb
in englisch gesungen, nicht sehr gut versteht. Da soll es um harte Themen, wie Gewalt,
Rauschgift oder Polizeieingriffe gehen. Doch ohne Textheft ist man aufgeschmissen. Da
gibt's zwar den Polizisten, der am liebsten grünen Stoff raucht, doch warum die Szene
nach dem Song "Mary Green" kommt, versteht man nicht. Vielleicht sollten sie in
Zukunft mehr, wie früher, deutsch singen, oder noch mehr erzählen.
Als alter Fan der Band kann ich nur hoffen, daß die sechs Jungen bald
wieder von ihrem Kommerz-Trip herunterkommen. Ob sie jemals wieder die Spontaneität und
Spritzigkeit der früheren Auftritte bringen können, bezweifle ich stark. Doch jeder
empfindet so ein Konzert und das Konzept einer Band anders und vielleicht gibt es ja auch
Musikfreunde, die über Grobschnitts Wandel froh sind, ich leider nicht.
Josef Hagen
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