Artikel aus dem Fachblatt 1977

 

 

 

Leider habe ich den Artikel nur in einer sehr schlechten Kopie bekommen, daher fehlen im ersten Teil einige Worte bzw. Sätze (mit ??? gekennzeichnet). Wer den Artikel in besserer Qualität hat, melde sich bitte bei mir.

Klammheimlich hat sich in den letzten Jahren eine deutsche Rockband aufgemacht, den Himmel zu erobern. Und es scheint, als stünde die Pfortenbezwingung unmittelbar bevor.

Nachdem die Band im vergangenen Jahr ausschließlich vor fast ausverkauften Häusern spielte, nachdem sie alle bitteren und süßen Erfahrungen, die den Leidensweg einer Rockband auf dem Weg nach oben versüßen, hat machen können, kann die Band nun Professionelles ohne Zweifel vorlegen.

Eroc, Lupo, Wildschwein, Mist und Pepe, diese Namen scheinen für 1977 gleichbedeutend mit Erfolg zu stehen. Jedenfalls sprechen zur Zeit alle Zeichen dafür. So hat sich die Band ein superprofessionelles P. A. zugelegt und noch so ganz nebenbei in nahezu einjähriger akribischer Fleißarbeit ein Album eingespielt, das den Vergleich mit den besten internationalen Produktionen nicht zu scheuen braucht.

Schon auf der Kassette, die bei Drucklegung mit der Rohabmischung vorlag, ließ sich klar ablesen, daß es der Band gelungen ist, mit "Rockpommels Land" ein Album einzuspielen, das mehreren Anforderungen gleichzeitig gerecht wird. Für die Fans der Band wurde ganz besonders darauf Wert gelegt, die bekannte und beliebte Live-Atmosphäre zu erhalten, wobei aber gleichzeitig den soundverwöhnten Ohren der Hi-Fi Freaks durch den wohlproduzierten Sound Rechnung getragen wurde.

Auch für diejenigen, denen Rockmusik mehr bedeutet als Musik zum Abfahren, die in der Musik und in den Texten Interessantes und Neugesagtes entdecken wollen, bietet das neue Album Interessantes.

Hervorzuheben an dieser Produktion ist vielleicht noch, daß es der Band wirklich gelungen ist, internationale Qualität zu erzielen, ohne aber dabei ihre Eigenständigkeit, ihre Unverwechselbarkeit zu verlieren. Musikalisch besonders gelungen und für ein deutsches Konzeptalbum bisher unerreicht ist die Fähigkeit der Musik, ähnlich wie Serge Prokofjews, "Peter und der Wolf" oder Smetanas "Moldau", nahezu ohne Worte in unmißverständlicher Sprache ihre Eindrücke und Aussagen vermitteln.

GROBSCHNITT (oder Krüllschnitt) im Gegensatz zum Feinschnitt eine äußerst ???? und grobe Tabaksorte, besonders für Pfeifen geeignet. Besondere Eigenschaften: Dampfend und knisternd und ein besonderes Aroma, eine besondere Würze verbreitet, und es ist nahezu unmöglich, die Auswirkungen, die brennender Grobschnitt auslöst, zu vereinen.

Nicht anders ist es, wenn die Hagener Rockband Grobschnitt ihren Feuerzauber und ihre Musik versprüht. Zwar haben sie ihren Namen nicht nach der bekannten Tabaksorte gewählt, sondern sich durch eine vergangene Krieger- und Sängerhorde aus dem Hagener Raum inspirieren lassen; ??? sie mit dem Mittelalter nur sehr wenig gemeinsam hat und mit beiden Beinen in der Gegenwart zuhause ist, ??? als der Vergleich mit dem knisterndem und sprühenden Grobschnitt???? Denn bei Grobschnitt ??? knistert und sprüht es auch.

 

??? in denen sich die Bands bewähren müssen, in denen sie kämpfen müssen um Publikumsgunst und Erfolg. Hier fehlt der Glamour der großen Veranstaltungen, die Presseleute drängeln sich nicht in den Garderobegängen - alles geschieht fast unter Ausschluß der Öffentlichkeit. Die große Öffentlichkeit nimmt von diesen Ereignissen kaum Notiz. Kann es sein, daß deshalb viele dieser kleineren Konzerte so viel spontaner, so viel eindringlicher, so viel ehrlicher sind?

Bestimmt! Deshalb zieht es mich auch immer wieder zu diesen Konzerten. Deutlich gesagt: Ritchies Rainbow, Wakemanns British Rock Ensemble oder Tangerine Dream waren schöne, bedeutende Konzerte; es war wirklich ein Genuß, die Shows gesehen wie auch die Musik gehört zu haben.

Aber die Distanz ist oft zu groß. In einer Atmosphäre der Unerreichbarkeit spielen die Musiker für ein anonymes, ein hingeordnetes Publikum. Dagegen herrscht in den kleinen Hallen eine Atmosphäre der Zusammengehörigkeit. Schon die Distanz zwischen Bühne und Publikum ist rein optisch verlorengegangen, und wenn es dann einer Band wie Grobschnitt gelingt, eine direkte Beziehung, und direktes Gespräch mit den Kids zu führen, dann findet ein echtes Rockkonzert statt.

Dies alles wird nur allzu leicht übersehen, wie auch die Besucherzahlen dieser Konzerte allzu leicht übersehen werden. Dieser Tage las ich in dem amerikanischen Magazin "Billboard", der Bibel der Plattenbranche, unter dem Stichwort Germany:

"Die Hauptattraktion des Jahres 1976, die die meisten Tickets verkauften, waren die Rolling Stones mit 157.000, Santana mit 110.000 und Wishbone Ash mit 65.000."

Das war’s - denn nirgendwo stehen die Zahlen, die eine deutsche Rockband der oberen Spitze auf sich vereinigen kann. Da mir keine echten Zahlen vorliegen, habe ich mal eine Wahrscheinlichkeitsrechnung aufgemacht.

Nehmen wir Guru Guru: Mani sagt, wenn wir nicht mindestens 10 mal im Monat auftreten, können wir nicht überleben. Nun die Aufrechnung: Nimmt man nur einen Durchschnitt von 500 zahlenden Kids pro Konzert, das ganze dann 12 mal im Jahr, so ergibt das 60.000 Fans die sich zu Guru Guru-Konzerten einfanden. Es bleibt wohl nichts mehr zu sagen!

Grobschnitt spielte in der Neusser Schwann-Aula vor mehr als 600 Leuten. Die Aula war lange vor Konzertbeginn total ausverkauft. Mit zwei Vox AC 30, einem Acoustic Bass-Verstärker, einer selbstgebauten Böhmorgel, einem Elka-Mellotron, einem Welson Synthesizer, einem Hohner Clavinet und einem Fender Rhodes, zwei akustische Gitarren, Premier Schlagzeug, Gibson Les Paul (sehr alt), Fender Stratocaster, einem Rickenbacke Bass wird das Rockspektakel, was da Grobschnitt-Konzert heißt, über AKG-Mikrophone in die Köpfe der Zuhörer geblasen. Noch gab es für die Kids das alte Repertoire zu sehen und zu hören, denn erst wenn die Arbeiten zum neuen Album abgeschlossen sind, geht’s mit den neuen Sachen auf Tournee. Voraussichtlich soll’s damit Ende März losgehen. Dennoch gab es schon einige Neuerungen zu bemerken:

Der Sound war überraschend gut, ja nahezu perfekt; Die Grobschnittler hatten sich was einfallen lassen. Ihr bisheriges P.A. hatten sie zur Monitoranlage umgebaut, und ihr neues P.A. ist von erstaunlicher Professionalität. Mit Fug und Recht kann man behaupten, daß der Mixer, ein Glockenklang-Fabrikat, den Rahmen dessen, was bisher bei deutschen Bands zu sehen war, sprengte. Wie soundbewußt Grobschnitt auch in anderen Dingen ist, zeigte sich an den beiden P.A.-Türmen. Hier wurde auf riesige Lautsprecher, die durch ihren Schalldruck alle Trommelfelle in den ersten Reihen zum Flattern bringen, verzichtet. Statt dessen wurden nach der Bose-Logik kleinere Lautsprecher eingesetzt, die es auch den Seh- und Bühnenrandfans gestattete, ohne Ohrenschmerzen einen guten Sound zu hören. Und alle ist schon auf das neue Repertoire zugeschnitten. So hat der Mixer 40 Kanäle, wovon allein dreißig mit Instrumenten belegt sind, während die restlichen 10 Kanäle für Hall, Echo und "Pipapo-Effekte" ausgelegt sind, wie Lupo von Grobschnitt erklärt. 25.500,-- DM hat dieser Mixer gekostet, und wenn man noch all die anderen Dinge hinzurechnet, die sich bei Grobschnitt verbessert haben, so kann man leicht zu dem Schluß kommen: Der Band geht es sichtlich recht gut.

 

FACHBLATT: ????

LUPO: Es ist eigentlich sehr indiskret, ??? jetzt sage, aber ... eigentlich ist mir ja auch egal. Weißt du, die Musiker haben seit fünf Monaten nichts mehr verdient. Sie leben entweder von dem, was ??? verdienen, ab und zu kommt auch mal eine Gema-Abrechnung, aber ??? hat es seit fünf Monaten für die Musiker nicht mehr gegeben. Die Roadies sind die einzigen, die von den Einnahmen leben. Alles übrige Geld, welches von den Gagen übrig blieb, wurde voll in die Anlage investiert. Außerdem haben wir sehr intensiv an der neuen LP gearbeitet, und deshalb konnten wir im letzten Herbst auch nur 15 Konzerte machen. Erst wenn die neue LP draußen ist, wird es sich in finanzieller Hinsicht auch für die Musiker ändern. Wir sind jetzt seit November im Studio, nachdem wir den ganzen Sommer geübt und komponiert haben.

FACHBLATT: Wo seid ihr im Studio, und wer produziert das neue Album? Habt ihr euch auch ‘was Neues einfallen lassen, um die Live-Atmosphäre eurer Konzerte auch auf Platte zu bringen? Ich glaube, das war bisher ein Nachteil an euren Platten. im Gegensatz zu euren Konzerten, die ja sehr lebhaft und spontan sind, klangen eure Platten vielleicht etwas zu steril.

LUPO: Das mag stimmen. Auf der neuen LP wird es jedenfalls bedeutend besser sein. Wir werden zwar keine Live-LP davon machen, aber im Ganzen wird sie doch unheimlich spontan sein. Die LP’s vorher wurden von Frank Mille produziert, und zu der Zeit hatten wir auch noch fast keine Erfahrung, was Studioarbeit anging. Jetzt haben wir das Heft selbst in die Hand genommen. Wir produzieren selber, das heißt, Eroc macht zusammen mit Conny Plank die Abmischung, wie wir ja auch 30 tage für die LP in Connys Studio angesetzt haben.

FACHBLATT: Worum geht‘s auf der neuen LP? Werdet ihr wieder zwei Versionen herausbringen wie bei "Jumbo", einmal in englisch und einmal in deutsch?

LUPO: Die neue LP erzählt - sowohl musikalisch wie auch textlich - ein Märchen, und "leider" will ich mal in Anführungsstrichen sagen: Leider singen wir wieder in englisch, Deshalb wird es zum Album auch ein Heftchen geben in dem die ganze Geschichte sowohl in deutsch wie auch in englisch abgedruckt wird. Ich glaube, und außerdem hatte man uns auch vor die Alternative gesetzt, entweder deutsch oder englisch zu singen, daß wir mit englischen Texten eher einen Durchbruch im internationalen Geschäft schaffen, als mit deutschen Texten. Dennoch muß ich eingestehen, daß das deutsche Album von Jumbo, das ja erst ein halbes Jahr nach der englischen Version veröffentlicht wurde, heute schon in den Verkaufszahlen gleichzog. Von beiden Versionen haben wir etwa 20.000 Stück verkauft. "Ballermann" hat 25.000 Stück verkauft und unser erstes Album so etwa 17 - 18.000. Das waren die Zahlen vor fünf Monaten. Heute dürften sie also noch etwas höher liegen. Und jetzt, das neue Album ..... Nun, entweder klappt es, oder wir fallen voll auf die Schnauze.

FACHBLATT: Heißt das, daß ihr das ganze Risiko allein tragt?

LUPO: Nein, oder besser jein. Wir haben zwar von der Metronome ein Platten-Produktionszuschuß bekommen, aber der reichte gerade für 20 Studiotage. Die restlichen 10 Tage hat uns Conny dabei getan, denn sonst hätten wir es nicht schaffen können. Dafür ist die ganze Sache zu kompakt.

FACHBLATT: Lange könnt ihr diese Situation doch nicht mehr durchstehen. Studioarbeit, Tourneevorbereitungen, Soundbasteleien; und dabei noch alles, ohne selbst Geld einstecken zu können.

LUPO: Das stimmt. Länger als 8 oder 10 Tage können wir auch nicht mehr durchstehen. Ende Februar fangen wir mit den Konzerten an und dann spielen wir auch wieder 15-18 mal jeden Monat.

FACHBLATT: Wie sieht es mit den Gagen aus? Der Eintrittspreis heute abend betrug 6,50 DM, und allgemein hat sich ja ein Gagenniveau von etwa 7 - 8 DM für deutsche Gruppen eingependelt. Bleibt da wirklich noch Geld genug übrig, um zu leben und zu investieren?

LUPO: Weißt du, worauf wir wirklich stolz sind?

FACHBLATT: Nein!

LUPO: Du bist der erste Pressemann, der sich nach nun drei Jahren um uns kümmert. Alles, was wir bisher gemacht haben, haben wir alleine geschafft. Wir haben fünf Jahre lang auf einem wirklichen Schweine-P.A. gespielt, und dennoch hat man uns kennen- und liebengelernt. Unsere Durchschnittsgagen liegen bei über 3.000,-- DM, und das ist für eine deutsche Band schon nahezu sensationell. Und wir haben gespart und geschuftet. Heute haben wir nun das P.A. und die nötigen Dinge, die wir uns lange versagen mußten, und eigentlich kann es nur besser werden. Unsere Konzerte sind fast überall ausverkauft, und in Düsseldorf hat ein Veranstalter 9,-- DM für uns verlangt, und es war dennoch ausverkauft. das alles haben wir fast ohne jede Promotion geschafft. Ich meine, die Anstrengungen der Plattenfirma waren ja auch nur ein Tropfen auf den heißen Stein, und was "Sounds" oder "Musik-Express" angeht, so haben wir seit drei Jahren davon auch die Schnauze voll.

Daß wir es trotzdem geschafft haben, darauf sind wir mächtig stolz. Mit Sicherheit lag es daran, daß wir landauf und landab in nahezu jedem Club gespielt haben, und wenn du bekannt werden willst, dann kannst du dich nicht auf andere verlassen, dann mußt du selber raus an die Front, du mußt arbeiten und immer wieder überzeugen.

Wie ich schon gesagt habe, du bist seit drei Jahren der erste Pressemann, der sich um uns kümmert. Vor drei Jahren standen zweimal Sachen über uns im "Musik-Express" und in "Sounds" und ....... Mann, ich kann dir sagen, ich hatte die Schnauze gestrichen voll. Das sind dann die Leute, die sind in die "Fabrik" gefahren und haben sich den Arsch vollgefressen und gesoffen, und zum Schluß sind sie dann eben mal reingekommen, hallo, guten Tag, fertig, und dann haben sie irgendwelchen Blödsinn geschrieben, obwohl sie total stramm waren. Und da haben wir gesagt, jetzt ist Feierabend!

Wir haben sie nicht mehr eingeladen, und daher haben sie uns nicht mehr beachtet, wir haben sie auch nicht mehr beachtet, und so gab’s halt nichts über Grobschnitt zu lesen. Es war mir auch völlig egal. Ich habe ihnen nicht einmal mehr die Konzertdaten geschickt, denn und das haben wir bewiesen, es geht besser ohne Scheißartikel als mit. Daher sind wir auch immer etwas wie eine Undergroundband geblieben. Man hat zwar schon irgendwo etwas von Grobschnitt gehört, aber im Bewußtsein der Leute, speziell im Bewußtsein der Presseleute stehen andere Bands ganz oben. In einem Zeitungsladen schein dieser Umstand besonders schlimm zu sein. Die berichten fast ausschließlich über Bands, die erstens hauptsächlich amerikanisch sein müssen, und zweitens fast unbekannt sein müssen. Damit will man sich den Rahmen einer exklusiven Spezialität verschaffen und übersieht dabei, daß man sich dabei nur ignoranter Dummheit hinstellt. Aber lassen wir das. Ich habe kein Interesse daran, ihnen zu sagen, was Grobschnitt macht, was wir, unsere Show und unsere Musik für unsere Konzertbesucher in Deutschland bedeutet, und gerade deshalb freut es uns, daß wir einen solchen Anklang haben.

FACHBLATT: Du erhebst hier richtige Vorwürfe. Vielleicht solltest u einmal erklären, was du meinst, denn ich kenne die Stories auch nicht, die vor drei Jahren über euch geschrieben wurden.

LUPO: Das ist schnell gesagt. Bei der "Sounds" hat so ein Typ geschrieben, der wohl mal Teilhaber bei der "Sounds" war oder noch ist und in der Nähe von Hagen wohnte, wo wir ja zuhause sind. Dieser Typ schrieb dann unter der Überschrift "Fetzrocker aus dem Sauerland", erstmal seitenlang, welches Bier es in Hagen gibt, was wir so machen, was wir so essen und solch einen Scheiß mehr. Dabei hatte der Typ uns noch nie live gesehen und hatte überhaupt keine Ahnung von dem, was wir überhaupt machen. Und so kam denn auch nur Mist zusammen. Wir haben uns totgeärgert damals, und deshalb haben wir auch beschlossen, solchen Mist wollen wir nicht noch einmal erleben. Dabei schreien alle Leute, macht was für den Deutschrock, - ich kann das schon nicht mehr hören - aber daß man sich mal die Mühe macht, einmal zu den Konzerten zu gehen, und eine wirkliche Arbeit zu machen, das geschieht doch nicht.

Also, was soll’s, der Tag X, an dem man uns einfach ernstnehmen muß, der kommt, und dann haben wir es allein geschafft, keiner hat für uns Hype gemacht oder Hype machen müssen. Wir haben in unseren Konzerten mit unserer Musik und mit unserer Show überzeugt!

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