Interview mit Rolf Möller aus dem Heft "Epicus Doom" 1989

 

Nach dem dreistündigen Supergig im Amphitheater in Würselen stellte sich uns Rolf Möller alias Topsahne zum Gespräch zur Verfügung. Das Interview war für uns etwas schwierig und wäre zum jetzigen Zeitpunkt auch besser ausgefallen, da wir zur Zeit des Gesprächs nur eine GROBSCHNITT LP kannten. Unsere erste Frage war natürlich, warum sich die Band jetzt nach so vielen Jahren auflöst.

Rolf Möller: Tja, diese Frage haben wir natürlich schon ziemlich oft gehört. Wir wollen uns zurückziehen und über alles nachdenken. Bis zum 31.12.werden wir noch auftreten und dann werden wir uns rar machen. GROBSCHNITT hat bis jetzt immer unter einem Motto eine Tour gemacht: Fantasten-Tour, Sonnentanz-Tour, Last Party-Tour ... Vielleicht irgendwann mal "mit GROBSCHNITT in die Ewigkeit", also an einem Motto wird es nicht fehlen. Zu dem eigentlichen Thema, warum wir aufhören, kann und möchte ich eigentlich nichts sagen. Wir sind eine der wenigen Bands aus Deutschland, die immer präsent waren, immer mit so einem Aufwand auf Tour gegangen sind und immer so vielschichtige Konzerte gegeben haben. Uns gab es am 1. Januar 20 Jahre und das reicht.

Epicus Doom: Werdet ihr jetzt Soloprojekte starten?

Rolf Möller: Was heißt Soloprojekte? Wir beschäftigen uns eigentlich immer schon neben GROBSCHNITT mit anderen Projekten. Ich und Sugar (der Keyboarder) haben eine Band und Harald, der Bassmann, hat auch ein Projekt. Das machen wir aber nur, wenn GROBSCHNITT nichts zu tun hat, da die Band sehr zeitaufwendig ist, von der Planung bis zur Ausführung. Wir sind ja auch immer in Zugzwang, da man sich von Jahr zu Jahr immer ein neues Motto überlegen muß, was auch nicht so einfach ist.

Epicus Doom: In welche musikalische Richtung gehen die anderen Projekte?

Rolf Möller: Das deckt so ziemlich den ganzen Musikbereich ab. Das geht von Jazz bis zum völlig abgedrehten. Wir haben alles schon gemacht und haben alles auf Tasche. Das läßt sich schlecht aufschlüsseln, da einfach zuviel passiert.

Epicus Doom: Wie kamt ihr auf den Namen GROBSCHNITT?

Rolf Möller: GROBSCHNITT hängt mit folgender Sache zusammen:
Es gab um 1900 in Hagen mal irgendeine Kapelle die ELIAS GROBSCHNITT hieß. Der Name hat irgendwie soviel Anklang gefunden. Ich glaub sogar, daß ein so’n Urgroßopa von irgendeinem Ur-GROBSCHNITTler in dieser Kapelle war. Die Band hieß auch zur Gründung ELIAS GROBSCHNITT. Mit Elias konnten die meisten wenig anfangen, und so wurde das dann gestrichen.


Wildschwein und Rolf beim 89'er Konzert in Würselen.

Epicus Doom: Ihr habt ja auch allein mit GROBSCHNITT sicher schon viele verschiedene Musikrichtungen gemacht, oder?

Rolf Möller: Eigentlich schon, wenn man mal die ganzen Jahre passieren läßt, hat die Band eine Art Musik kreiert, die in Deutschland eigentlich keiner macht. Man ist sich mit dem Stil eigentlich immer ein bißchen treu geblieben, vor allem diese alten Alben, so wie "Rockpommel‘s Land", welche ja direkte Werke und Konzepte waren. Man hat sich immer irgendwas besonderes ausgedacht, was dann zu Markte gebracht wurde. Mittlerweile hat die Band dann, glaube ich, so um die 16, 17 LP’s gemacht. Es geht überall der rote Faden durch, man weiß, daß es GROBSCHNITT ist. In 20 Jahren erstellt man halt eine Menge Musik, zumal ja auch die Fans immer neugierig sind, ob die Band was originelles neues gemacht hat.

Epicus Doom: Wie kam es, daß "Rockpommel‘s Land" so sehr nach YES klang?

Stimme aus dem Hintergrund: YES war in Richtung "Rockpommel’s Land"!

Epicus Doom: YES waren aber vorher da.

Rolf Möller: Warte mal, 20 Jahre zurück ... Die Bands werden wohl gleichzeitig gestartet haben. Aber YES ist eigentlich doch ‘ne ganz andere Klamotte. GROBSCHNITT haben sich aber nicht daran orientiert. Denn die Band GROBSCHNITT hat sich sowieso sehr selten orientiert. Klar, Einflüsse hat jeder und man versucht ja immer gehörtes, was man gut findet, auch für die eigene Musik zu verwenden. Das geht ja bis heute noch so. Das ist normal. Die YES-Musiker werden sich auch irgendwo inspiriert haben lassen, obwohl sie natürlich begnadet gute Jungs sind. Alles ist doch von irgend etwas beeinflußt. Die eine Hälfte der Popmusik von den BEATLES und die andere Hälfte von den ROLLING STONES.

Epicus Doom: Aber auch das Cover dieser LP sieht sehr nach YES aus ...

Rolf Möller: Na, nun dreh mal die Zeit zurück. Das war 1977. Da war das eben alles so angesagt. Bilder formen Eindrücke. Wenn ich jetzt mal so meine Jugend vor meinem geistigen Auge vorbeiziehen lasse ... Ich bin 1973 zu irgendwelchen Konzerten gegangen, hab mir den Schädel zugezogen, hab mir ‘ne Matratze mitgenommen, ‘ne 2-Liter-Flasche Alkohol und hab mich ‘nen paar Stunden inne Halle gelegt. Da waren da so Festivals, die gingen über mehrere Tage. Das fing nachmittags um vier an und ging bis nachts um zwei. Die meisten schliefen sowieso ein, weil die betrunken oder stoned waren. Am nächsten Tag ging es um elf Uhr früh wieder weiter. Unendlich viele Bands. Da war das nicht wie heute, abtanzen, da lag da jeder und wunderschön ... Erst kamen GURU GURU, dann GROBSCHNITT, dann EPITAPH, dann NEKTAR und dann MYTHOS und wie die alle hießen. Heute ist das ja alles viel mehr Konsum geworden. Die Leute bezahlen und die Band kommt. Das ist wie Video oder Kino. Die Leute wollen unterhalten werden. Die bezahlen bis 50 Mark und lassen dann die Show auf sich einwirken. Bei vielen ist nicht mehr dieser Riesenanspruch dahinter, denn da ist mittlerweile ein immenses Angebot. 1977 gab es auch viele Bands, aber die Leute haben sich noch mit der Musik auseinandergesetzt. Heute ist es mehr Business. Damals zwar auch, aber in Deutschland noch mehr in den Kinderschuhen.

Epicus Doom: Früher wurdet ihr ja auch mehr in die Krautrock-Ecke reingedrängt, oder?

Rolf Möller: Ich wußte, daß die Frage kommt.

(In diesem Moment kommt Toni Moff Mollo rein und singt so lautstark, daß man sein eigenes Wort nicht versteht.)

Rolf Möller: Siehste, das war ein Alt-GROBSCHNITTler. Wenn du so einen 19 Jahre lang mitgemacht hast, läßt du schon Federn. Wo waren wir stehengeblieben? Die berühmte Krautrock-Ecke. Wunderbar, die Frage kommt natürlich immer wieder, weil ... diese ganze Geschichte mit Krautrock ist genauso dasselbe, wie mit der Neuen Deutschen Welle. Das sind alles Ausdrücke, die von den Firmen gemacht wurden. Damals war Krautrock einfach schick, "eh wieder ein Krautrock-Festival", mit den eben genannten Bands. Heute läuft dir dann so ‘ne Sache hinterher. Das finde ich sehr ungerecht, auch teilweise von den Medien, denn man muß wirklich respektieren, daß GROBSCHNITT eine Band war, die 20 Jahre überlebt hat. Eigentlich ein erstaunliches Phänomen. Das Problem ist halt, daß das heute so einen miesen Nachklang hat, genau wie Neue Deutsche Welle. Das hängt ‘ner Band wie GROBSCHNITT irgendwie nach. Aber GROBSCHNITT hat sich doch immer wieder verändert, allein dadurch, daß öfters mal ein neuer Musiker zu der Band kam. Nimm mal einen Auftritt wie heute abend. Es regnet in Strömen, wir spielen auf einer Open-Air-Bühne mitten in einem Bauernkaff und die Leute sind begeistert und gehen mit einem guten Gefühl nach hause. Das erfreut uns als Musiker und wir haben auch gar keinen anderen Anspruch. Das ist uns auf jeder Tour bewußt geworden. Dann ist es eigentlich Blödsinn aufzuhören, weil immer noch Leute da sind, die das noch hören wollen. Es gibt nicht nur einen harten Fankreis der hinter GROBSCHNITT herreist, sondern die Fans sind einfach mehrere Generationen. Es sind wirklich mittlerweile Familien mit Kindern da, wo die Mütter oder Väter vor 10, 15 Jahren die Band gut fanden und es jetzt immer noch gut finden. Ich finde, das sollte gerade in den Medien mehr anerkannt werden. Jede Band hat ihre Berechtigung, egal in welcher Schublade sie steckt. Und ich finde GROBSCHNITT hat wohl ein ziemlich breites Spektrum, was die Musik angeht. Jeder wird da irgendwie bedient. Natürlich müssen wir dann auch so alte Pfeiler wie "Rockpommel’s Land" oder "Solar Music" immer wieder spielen. Wenn wir die nicht spielen würden, wären die Leute sauer. Wir spielen das immer noch, wenn auch mittlerweile in etwas anderen Versionen. Wir könnten es aber nicht aus dem Programm streichen, selbst wenn wir keinen Bock hätten es zu spielen. Es macht uns ja auch Spaß es zu spielen. Für einen Musiker ist das ein Wiederholungsprozeß, wir spielen das dann 70 mal im Jahr, aber der Anreiz ist ja, daß wir es jeden Abend vor einem anderen Publikum spielen, und das gilt es ja zu überzeugen, daß wir es noch immer bringen.

Epicus Doom: Es ist ja auch so, daß heutzutage nicht mehr Qualität gefragt ist, sondern mehr Masse und leichtverdauliche Hitparadenkacke.

Rolf Möller: Da sprichst Du ja eine ganz andere Sparte an. Die ganze Musik hat sich ja dahin entwickelt. Alles hochtechnisiert. Es waren Zeiten da, wo nur Drumcomputer angesagt waren, nur Synthesizer usw. Aber mittlerweile geht es auch wieder zurück. Jetzt sind wieder harte Gitarren angesagt, oder mal wieder ‘ne alte Hammondorgel, die vor ein paar Jahren noch total verpönt war. Es werden einfach Trends gemacht. Der Normalkonsument stürzt sich dann darauf, so nach dem Motto: Nehmt und freßt. Von so was haben wir uns nie berühren lassen. Wir haben immer unsere Musik gemacht und wir sind noch immer da, wobei in 19 Jahren sehr viele Bands gekommen und gegangen sind. Obwohl ich dazu sagen muß, daß ich gar kein Alt-GROBSCHNITTler bin, ich bin eben auch erst ein paar Jahre dabei. Obwohl ich die Band schon immer kannte, denn wir kommen alle aus Hagen, und da kennt man sich halt. Die ALT-GROBSCHNITTler sind ja nur noch der Toni, Lupo und Willi.

Toni aus dem Hintergrund: Der Urknall, der findet immer noch statt.

Rolf Möller: Der Urknall, da kam das ganze Magma raus und die drei kamen mit raus.

Epicus Doom: Was hältst Du von Drumcomputern?

Rolf Möller: Da kann ich ja ganz besonders drauf. Ich hab mich mit den ganzen Drumcomputern auch auseinandergesetzt. Es gibt immer bestimmte Musikarten, wo man die einfach einsetzen muß, weil es bestimmte Sachen gibt, die ein Mensch nicht spielen kann. Es ist auch eine Zeitersparnis, denn Studio kostet Geld. Du hast ja auch die technischen Möglichkeiten einen Computer so einzusetzen, daß es dem Normalverbraucher gar nicht mehr auffällt. Teilweise werden ja auch Natursounds verwendet. Nur, finde ich jedenfalls, hat das alles irgendwann mal überhand genommen. Wenn du Radio hörst, hörst du immer die selben Sounds und die werden natürlich langweilig, weil die ganzen Rhythmen auch kerzengerade durchgehen. Ich weiß nicht, ob das dann das Wahre ist. Also meine Sache ist es nicht. Nur läßt es sich nicht mehr vermeiden, die Dinger einzusetzen und wenn es für eine Sache dienlich ist, ist es in Ordnung. Man muß sie nur vorsichtig einsetzen, sonst wird alles zu künstlich und hat mit dem Menschen gar nichts mehr zu tun. Otto Normalverbraucher ist heutzutage fähig, Musik zu machen. Er braucht nur einen technischen Durchblick, ein bißchen Musikalität und macht Musik. Ich weiß nicht, ob die Entwicklung dahin gehen sollte. Ich steh halt mehr auf Rock und möchte auch nichts anderes machen, da es einfach die ehrlichste Sache gegenüber den Menschen ist, die die Sachen kaufen. Ich hab selber mal so ein Konzert von so ‘ner Teenie Synthesizer Band, ach wie hießen die noch ... ach Depeche Mode, gesehen. Das war langweilig. O. K., die machen gute Sounds, aber ... Die Jungs kommen auf die Bühne, drücken auf einen Knopf und dann wird abgedanced. Ja, welcome to the machine. Ich meine, da muß jeder so mit arbeiten, wie er es für richtig hält. Man muß sich halt mit der Studiotechnik so vertraut machen, daß man die für seine Zwecke einsetzen kann und nicht übertreiben. Aber ich finde es wichtiger für einen Musiker, erst mal ein Instrument, sein Handwerk zu lernen, bevor er sich nur mit solchen Maschinen abgibt, und da denk ich, ist so ‘ne Rockband die beste Ausgangsbasis.

Epicus Doom: Hatten Eure Texte schon mal politischen Bezug, oder sind es nur Fantasy-Texte?

Toni: "Wir wollen leben" war sehr politisch.

Rolf Möller: Ich denke schon. Die Band hat sehr politische Platten gemacht, wie "Razzia" oder "Illegal". Da sind schon ein paar Sachen mit dem erhobenen Zeigefinger. Nur war GROBSCHNITT nie eine Band, die so völlig politisch war. Dafür haben wir andere Strategen hier in Deutschland, wie solche, die 3 Millionen auf‘m Konto haben. Dann tut man sich natürlich leicht mit so was. Ich sprech‘ von BAP oder so. Ich kenn den Wolfgang Niedecken persönlich. Dann ist das natürlich unheimlich einfach, sich dahin zu stellen und zu sagen, ich bin gegen das und jenes. Oder so’n Udo Lindenberg. Aber ob das alles dem Anspruch entspricht, wie’s dann sein soll, das sei noch immer dahingestellt. Wir vermeiden es halt dann, mit dem erhobenen Zeigefinger durch die Lande zu ziehen. Wir sind Musikclowns. GROBSCHNITT war immer so ‘ne Mischung aus Theater und Musik. Mal lachend, mal weinend. Es ist für jeden was dabei. Wenn du die Texte durchliest, sind so versteckte Sachen drin, worüber sich jeder seine Gedanken machen kann. Ich glaube auch, die Leute wissen das. Wir wollen uns aber nichts auf die Fahne schreiben. Als Musiker darfst du niemals in eine politische Ecke tendieren, denn entweder machst du Musik für alle oder für eine bestimmte Szene. Wir haben immer versucht ein breites Publikum anzusprechen. Ich glaube es ist uns auch geglückt.

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