Titel:

Erscheinungsjahr:

 

Grobschnitt Story Vol. 2

1998

Bestellnr.: CD: REP 4727-WR

CD 1

  1.

Tom Apple

3:19

15.

Der Skisprung

3:03
  2. Poona Express 5:35 16. Brutalrock 1:04
  3. Die Story von 1968 Pt. 1 4:07 17. Tom Apple (Live) 12:36
  4. Born To Be Wild 4:32 18. Remember '71 0:49
  5. Die Story von 1968 Pt. 2 1:18    CD 2   1. The Real Rider 6:12
  6. My Little Girl 2:25       2. Private Solar Excursion 10:43
  7. 15 Jahre später 0:41   3. Silent Movie (alt. Mix) 3:46
  8. Die Ernie-Show 15:18   4. Balli Balli 12:30
  9. Ernie's Reise 11:00   5. Die Salzmann-Show 9:48
10. Rockpommel's Land 6:11   6. Mary Green (Live) 11:03
11. Sonnenflug 4:02   7. Simple Dimple (alt. Mix) 5:12
12. Reicht das, Otto? 0:47   8. Herr Thiele

0:57

13. Die Mulattin 0:23   9. Nickelodeon (Playback)

7:39

14. Der Entenmörder 0:32 10. Severety Town (alt. Mix)

10:03

 

Text aus dem Booklet der CD

Es ist 1998 und es wird Zeit, die Geschichte weiter zu erzählen. Und vor allen Dingen wird es immer wichtiger, das Bild einer Band, die von sehr vielen noch immer als "der beste deutsche Live-Act" bezeichnet wird, denen nahezubringen, die diese Legende niemals auf der Bühne erleben konnte.

Es bestand stets eine Diskrepanz zwischen den LP-Veröffentlichungen und den Auftritten von Grobschnitt. Die oft gehörte Verlautbarung "ihr kommt auf Konserve längst nicht so rüber wie live" hatte durchaus ihre Berechtigung. Zum einen zeigt eine Studioaufnahme nur das Momentbild eines Arbeitsvorgangs, der mit mehr oder weniger Perfektion dargeboten worden ist, zum anderen sind Konzerte mit Publikum etwas ganz anderes als ein "Auftritt" im schalldichten Aufnahmeraum. Wie die meisten anderen Bands der Rockgeschichte war auch Grobschnitt dem unterworfen. Zum anderen jedoch gab es zwei grundlegende Unterschiede zu den meisten Bands:

Grobschnitt machte auf der Bühne viel mehr als "nur" Musik, und Grobschnitt "lebte" so lange, daß mehrere Generationen von Fans immer nur ihr spezifisches "Zeitalter" kennenlernten. Keiner, der beispielsweise die "Crew" begeistert abgefeiert hatte, als sie 1968 und 1969 in der Vestlandhalle zu Recklinghausen die Beat-Festivals abräumte, war 1976 bei der Uraufführung von "Rockpommel'S Land" dabei. Und keiner, der die Band 1972 mit zwei Drummern erlebte, sang 1989 "den Weg nach Haus" mit. Viele, die sich noch heute als eingefleischte Fans der Band betrachten, haben z. B. den "Baer" am Bass (bis 1974) oder "Mist" als Keyboarder (bis 1981) niemals auf der Bühne gesehen, da sie erst später dazustießen. Daher ist es wichtig, mit der "STORY" einen zeitübergreifenden Einblick zu schaffen, der aufräumt mit Gerüchten, Mutmaßungen und Neid.

Grobschnitt waren nicht nur "die Verrückten aus dem Sauerland". Sie waren auch kaum die typischdumpfen Vertreter einer schwerfälligen Teutonenmusik, die irgendwer irgendwann als "Krautrock" abstempelete. Ebensowenig waren sie die "Endsechziger Hippiekommune" mit ausgeflippten, hanfseligen Ideen. Grobschnitt war über Jahrzehnte hinweg eine unglaublich kreative Vereinigung von talentierten Musikern, deren Ideen ihrer Zeit weit voraus eilten.

Es ist müßig, wenn heutige Generationen z. B. Acts hinterherhecheln, die mit martialischem Gehabe und Feuereffekten ihren Dilettantismus und die eigene Geschmacklosigkeit übertünchen wollen. Bei Grobschnitt brannten die Bühnen bereits vor 25 Jahren! Und da waren allein Spaß und Musik der Zunder; mit Promotion und Profit hatte das nichts zu tun.

"Story II" bringt deshalb vermehrt Einblicke in die Show, hinter die Kulissen und Klangbeispiele, die bisher unveröffentlicht geblieben sind, egal aus welchen Gründen auch immer. So wird die Chronik der "Konserven" von Grobschnitt länger, bunter und vielseitiger und ähnelt dadurch mehr und mehr dem Charakter dieser einmaligen Band, über die man 1000 Stories schreiben kann.

EROC, September 1998


Kritik aus dem German Rock News Heft Nr. 5 aus 1998

Die Doppel-CD, randvoll mit Erinnerungen an die Anfänge und großen Erfolge der Band aus dem westfälischen Hagen, steht seit kurzem in den Plattenläden. Die Fans warten seit langem sehnsüchtig darauf. Erfreulich, diesmal heißt es, im gegensatz zum Vorgänger, nicht Eroc präsentiert .... Verantwortlich für die Story 2 ist er aber genauso wie für Teil 1. Da er bereits 1983 Grobschnitt verließ, bleibt der Zeitraum bis zum endgültigen Ende der Band 1989 unberücksichtigt. Dafür geht es weit zurück ind die Vergangenheit bis ins Jahr 1967, als es Grobschnitt noch gar nicht gab. Das ausführliche Booklet bietet reichlich Informationen und Fotos, und natürlich kommt auch Eroc zu Wort.

Los geht es mit dem bisher nie veröffentlichten "Tom Apple" aus dem Jahr 1973, einer Blues-Nummer, wie sie wohl von den wenigsten Fans erwartet wird. Gleich danach der bekannte "Poona Express" als Digitalremix. Wo der Unterschied zum Original ist, wird nicht so ganz deutlich. Noch nebulöserErocs Erklärung, daß man Aufnahmen, die durch Bandmaterialfehler vom Zerfall bedroht sind, nur durch Remixe retten kann. Einfach auf einen anderen Träger kopieren müßte doch auch funktionieren. Liest sich wohl nur nicht so gut... Dann erzählt Eroc seiner Tochter und deren Freundin "Die Story von 1968". Eine nette Idee. Dabei geht es um die Umstände bei einem Auftritt des Grobschnitt-Vorläufers Crew aus jenem Jahr. Musikalisches Beispiel für die Zeit "Born to be wild", einfach nur gecovert, nicht besonders originell. Und dann noch die 68er Version des Mayall-Songs "My Little Girl".

Endlich wieder Grobschnittklänge, ein 42 Sekunden langer Ausschnitt aus Powerplay in der Düsseldorfer Philipshalle 1981 mit dem Titel "15 Jahre später". Ich will ja nicht kleinlich sein, aber von 1968 bis 1981 hat es doch nicht ganz so lange gedauert. Zurück geht es in das Jahr 1978: "Die Ernie-Show". Einmalig Toni Moff Mollo in der Rolle des Titelhelden von Rockpommel's Land. Beim Hören tauchen automatisch die Bilder von damals wieder vor meinen Augen auf. Wer die Band niemals live erleben konnte, der hat etwas verpaßt. Davon kann er sich hier einen Eindruck verschaffen. Grobschnitt auf der Bühne war immer mehr als nur Musik und perfekte Show, spontane Gags gehörten ganz einfach dazu. Bekannt war die Gruppe auch für ihren guten Live-Sound, und der kommt hier bei "Ernie's Reise" super rüber. Nach einer alternativen Studioversion von "Rockpommel's Land" dann das Finale wieder Live. Einfach schön, recht kommerziell, sehr melodiös und dabei doch eher ungewöhnlich für die Hagener folgt "Sonnenflug". Mir gefällt der Titel, obwohl er vielleicht kitschig ist. Typische Spaß-Einlagen sind "Die Mulattin", "Der Entenmörder", "Der Skisprung" und "Brutalrock". Und danach nochmals "Tom Apple" aus dem Jahre 1973, diesmal live und noch dazu über zwölf Minuten lang. Ich kann nachvollziehen, daß das Publikum mit wenig Begeisterung reagierte, denn das Stück hat wirklich nichts, daß einen mitreißen könnte. Ganz einfach haarsträubend und provinziell die Begründung, das (nord)-deutsche Publikum sei mentalitätsbedingt völlig überfordert gewesen. Die Leute fanden die Darbietung wohl ganz einfach Scheiße. Die erste CD endet mit dem kurzen "Remember 71", einer Übungs-Session.

CD 2 startet mit "The Real Rider". Wirklich gut diese ursprüngliche, längere Version von "Space Rider". Mit "Private Solar Excursion" wird zum ersten Mal eine echte Improvisation der Band veröffentlicht. Super, genauso wie die folgende Ursprungsversion von "Silent Movie". Und dann "Balli" als Showmaster, einfach genial diese Persiflage auf das Fernsehen. Spaßig geht es weiter mit Toni als "Zaharzt Dr. Salzmann". Die Show endet Grobschnitt-typisch mit einem Riesenknall... "Mary Green" ist wohl den meisten bekannt. "Herr Thiele" und auch "Nickelodeon" hätte man sich sparen können. "Severity Town" klingt absolut trocken und emotionslos. Für Fans ist die Doppel-CD ein absolutes Muß. Neue Freunde werden die Grobs damit wohl kaum gewinnen können.

Rita Mitzkatis


Meine Meinung zu obiger Kritik und zur CD

Eigentlich ist mir völlig egal, ob ein Titel nur kopiert oder remixt ist, wenn nur die Musik gut ist. Ebenso sollte man nicht jedes Wort im Booklet auf die Goldwaage legen, denn es kommt doch nur darauf an, daß die Musik auf der CD gefällt, dann ist der Begleittext zwar noch von Interesse, aber doch eher nebensächlich. Allerdings muß die Frage erlaubt sein, warum der Alternativmix von Severity Town auf die CD geraten ist. Ich kann bei diesem Sück - im Gegensatz zu den anderen - keine großen Unterschiede zur LP-Version hören.

Die Stücke der CD sind zum größten Teil wie aus einem Guß aneinander gereiht, obwohl sie zu verschiedenen Zeitpunkten aufgenommen wurden. Dies wird vor allem bei den Stücken "Ernie-Show", "Ernies Reise" und "Rockpommel's Land" deutlich. Man hat beim Hören das Gefühl, daß es sich um eine zusammenhängende Aufnahme handelt. Laut Booklet sind die Stücke aus Aufnahmen von 1977, 1978 und 1981 zusammengesetzt. Auch ist die Klangqualität der CD von gewohnt hohem Standard.

Die Stücke "Born to be wild", "My Little Girl" und Titel 1 "Tom Apple" sind nicht so ganz nach meinem Geschmack, runden jedoch die Retrospektive der Band ab. Besser als die Studioversion (etwas heftiger Gesang von Wildschwein) finde ich die Liveversion von "Tom Apple". Hier ist deutlich zu spüren, welche Improvisationsqualitäten die Band schon damals besaß. Vor allem die - wie ich meine - hervorragenden Keyboardeinlagen von MIST wissen zu gefallen. Auch meine ich im Mittelteil zu hören, daß zwei Schlagzeuger am Werk sind.

Endlich sind Live-Gags der Band auf Platte zuhören. Die Stücke "Ernie-Show", "Balli Balli" und "Salzmann-Show" zeigen, welchen Spaß die Band bei ihren Auftritten hatte bzw. verbreitete. Auch vor meinen Augen lief beim Hören dieser Stücke ein Film der damaligen Darbietungen ab. Ob es Hörer, die damals nicht dabei waren, ebenso genießen können, wage ich allerdings zu bezweifeln. Für die, die es live erlebt haben ist es aber ein Hochgenuß.

Die schwächeren Titel - sind eh nur ganz wenige - kann man gut verschmerzen, da die  Spielzeit beider CD's jeweils 77 Minuten überschreitet. Ein absolutes Muß für jeden Grobschnitt-Fan. Schade ist eigentlich, daß der Zeitraum von 1983 bis 1989 nicht mit erfaßt wurde. Obwohl die Neue-Deutsche-Welle-Phase der Band mir nicht liegt (vor allem "Kinder und Narren"), gehört sie auch mit zur Dokumentation der Band.

EROC weist im Booklet beim Titel "Salzmann-Show" auf die STORY III hin. Hoffen wir nur, daß bis zum Erscheinen des Nachfolgers nicht wieder vier Jahre vergehen.


Kritik aus der Zeitschrift "Good Times" 1/99

Grobschnitt: Die Grobschnitt Story 2

Live tells the better stories. Im Falle von Eroc und seinem bunten Haufen traf das besonders zu. Wann immer sie eine Bühne erklommen, fiel die teutonische Verklemmtheit von ihnen ab, die ihre Studioproduktionen zu reichlich sterilen Angelegenheit machte. Auf zwei CD’s lernen wir nun die lockeren Grobschnitt kennen. Bei obskuren Sessions im Übungskeller oder auf den trostlosen Bühnen deutscher Dorfgemeinschaftshäuser eingespielt, klingt einiges von diesem Material nach verdammt inspirierter Musik (vor allem die Liveversion von "Tom Apple"). Anderes, etwa das 68er "Born To Be Wild"-Cover, atmet den Geist seliger Schülerbandzeiten. Und wiederum anderes ("Balli Balli") ist mit der Zeit recihlich verblasst. Aber so bunt ist das Leben eben.