Interview aus dem Herbstkatalog von Nautilus-Records

 

Das nachstehende Interview hat Martin Ludwig (Inhaber von Nautilus-Records und Mitglied der Band Nautilus) geführt. Wer mehr über die Band Nautilus wissen möchte (Eroc hat bei einigen Stücken mitgewirkt und remastert), der kann sich das Interview mit Nautilus unter www.stephan-schelle.de/emu/musiker.htm ansehen.

Teil 2

MARTIN: "Als die ´Wolkenreise´ rauskam und so erfolgreich wurde – waren da die anderen von Grobschnitt nicht enttäuscht, daß es nicht unter ´Grobschnitt´veröffentlicht wurde ? Das Stück wurde ja auch für die Grobschnitt-Show verwendet."

EROC: "Nein, die haben mich ja sogar noch gedrängt das Ding rauszubringen, ich wollte das gar nicht.Ich hab gedacht, das mit dem Akkordeon ist doch altmodisch, das kannst du nicht bringen in einer Rock-Band. Für die Show passte das gut, aber alle sagten ´Hey, das ist klasse, mach doch davon mal ´ne Platte´. Und dann haben mich die bei der Band gedrängt und die Plattenfirma auch zum Schluß und dadurch ist es erst mal rausgekommen.Nein, die waren da nicht neidisch, überhaupt nicht. Zumindest haben sie es mir gegenüber nicht gezeigt. Ja und die "Eroc IV" ist dann eben aus dem Erfolg heraus entstanden, daß die Plattenfirma sagte ´hey, du kannst ja schöne Musik machen – dann mach doch mal solche Sachen´. Aber ich war mit einem Bein noch so in verrückteren Dingen drin, deswgen "Krieg der Zwerge" (Eroc-Titel von 1982) und solche Sachen, wo ich mit Synthis noch experimentiert habe. Es war also nicht nur alles "Wolkenreise-geprägt". Und die fünfte, die "Changing skies" (1987) war dann schon, um schönes Handwerk zu präsentieren."

MARTIN: Wie sieht es denn mit den weiteren, noch nicht wiederveröffentlichten Grobschnitt-CD´s aus. Kommen die auch noch bei Repertoire heraus ?"

EROC: (Stöhn!) Gute Frage, die kann ich dir gerne beantworten. Lupo hat´s mir ja übel genommen, daß ich die alle rausgebracht habe – dabei hab ich die gar nicht rausgebracht, sondern die hat Repertoire rausbringen wollen und die Lizenz von Polydor erworben und mich als hauseigenen Masterer gefragt, ob ich die restaurieren möchte oder ob ich da befangen wäre und sie´s jemand anderen geben sollen. Da hab ich gesagt, nutürlich mach ich das , denn ich kenn den Chef-Masterer von Polygramm und komme an die Orginalbänder dran.Und das habe ich dann gemacht. Für außenstehende ehemalige Mitglieder stellte sich es dann so dar, als hätte ich die alle rausgebracht und in den sleeve-notes stünde auch zuviel Eroc drin und zu viele Bilder von mir. Also weiß ich nicht. Die sleeve-notes sind von Repertoire gemacht worden – die hab ich gesehen, als sie fertig waren. Da hab ich also auch nichts mit zu tun. Aber was soll´s. Lupo wollte das blockieren. Er hat bei Repertoire angerufen und da haben die einfach nur gesagt: ´Wieso, wir haben die Freigabe von Polydor als Weiterverwerter und fertig´. So ist das gelaufen. Ob Polydor das Recht dazu hat, das entscheidet sich jetzt auch unter anderem in dem Prozeß, den ich noch führe gegen Polydor. Das ist auch der Knackpunkt: Polydor merkte plötzlich – ich rede immer von Polydor, aber das sind die Nachfolger von Metronome. - - Motor Music ist ja Polydor-Unterabteilung. Jetzt heißen sie inzwischen Universal, das ändert sich ja schon täglich inzwischen. Die haben dann gemerkt, daß das läuft und haben die "Grobschnitt-Story 1" auch selbst rausgebracht. Die gab´s ja zuerst bei Metronome. Als die dann pleite gingen, haben sie das Ding eingestellt. Dann hat Repertoire die Rechte erworben und hat die wieder herausgebracht und dann merkte Polydor, daß Repertoire die gut verkauft und hat sie auch wieder auf den Markt gebracht. Und dann merkte Polydor, daß auch diese Grobschnitt-Reissues gut laufen und hat einen Sampler gemacht "Best of Grobschnitt", mit "Jumbo" und richtig schönen Sachen. Einen Querschnitt, von dem ich nie wieder etwas gehört habe. Das einzige, daß ich von diesem Sampler jemals hörte, war, daß der Chef-Masterer von Polygramm, ein langjähriger Freund von mir, mich anrief und mich fragte, wie er das denn jetzt machen sollte, welches denn jetzt die richtige Version wäre von "Vater Schmidt" und das hab ich ihm dann auch sagen können. Was dann also im Moment zu dem Schluß führt, daß Polydor an Repertoire nichts mehr freigibt. Repertoire wollte "Ballermann" (1974), "Illegal" (1981), wollte alles machen und auch von mir remastern lassen, aber sie kriegen im Moment keine Freigaben von denen. Was widerum zwei Gründe haben kann, da kann man nur spekulieren: entweder wollen die´s irgendwie selber machen, wobei sie haben´s teilweise ja schon selber rausgebracht, oder sie wollen verhindern, daß es besser rauskommt. Oder sie sind einfach stinkesauer, weil sie mitgekriegt haben, daß ich für Repertoire arbeite und gegen sie den größten Prozeß der Musikgeschichte führe (wer mehr darüber erfahren will, dem sei die Grobschnitt/Eroc-Seite auf der Stephan Schelle Homepage empfohlen). Also wissen wir nicht, ob und was da noch herauskommt. Ich werde bei Repertoire nachhaken und fragen ob sie da weiter baggern können, die Rechte zu kriegen, denn ich würde das gerne in guter Qualität herausbringen, aber wie gesagt, da müssen andere gefragt werden, das kann ich nicht entscheiden."

MARTIN: "Eine Frage zu "Eroc III" (1978). Darauf waren ja Kommentare zu einer damals angesagten Musikrichtung....Yes, Genesis und so..."

EROC: "Ach das Telefonat ! Das hab ich jetzt wieder gefunden – das gesamte. Das ist unser Automechaniker, der Peter Falke. Der hat damals für die Band immer alles repariert, langjähriger Freund von mir, den ich leider seit zwei Jahren aus den Augen verloren habe; aber wir haben immer kräftig Spaß zusammen gehabt. Der hat damals so eine Meinung vertreten – er war immer so der typische Hagener. Er spricht eben diesen Dialekt, das ist also nicht gestellt. Er war eigentlich auch immer ein aufmerksamer Beobachter der Band, denn er konnte vor und hinter die Kulissen kucken und was er damals gesagt hat, war gar nicht mal so dumm, wenn ich mir das heute anhöre. Wir sind wirklich einen Trend hinterher gelaufen. "Rockpommel´s Land" ist nach den Sachen von Yes und Genesis entstanden und Mist (Keyboarder Volker Karst) war eindeutig ein Riesenfan dieser Bands und hat dann auch gesagt ´das können wir auch´. Und das hat einigen Fans sicherlich auch gestunken Wenn wir vorhin (s.Teil 1 des Interviews) darüber gesprochen haben, daß vielen Leuten gestunken hat, daß dann irgendwann da die Neue Deutsche Welle reingewirkt hat bzw. diese Love & Peace-Geschichte, hat zum damaligen Zeitpunkt vielen Leuten gestunken, daß diese "Rockpommel´s Land"-Geschichte kam, u.a. auch mir und Hunter. Wir waren nämlich gar nicht dafür, diese Rock-Oper zu machen, aber Lupo, Mist und Wildschwein wollten das durchdrücken. Wir hatten ja früher, vor dieser Zeit mit Grobschnitt einen anderen Stil, die erste oder "Ballermann" oder noch früher bei der "Crew" (Grobschnitt-Ur-Formation). Die Leute, die uns noch von der "Crew" her kannten, die waren ja schon bei der ersten Grobschnitt (1972) skeptisch und sagten ´wie, mit Orchester ? Was soll denn der Quatsch ? Ihr könnt doch richtig tolle Blues-Musik machen. Was soll den dieses Zeug jetzt ? ´ Und dann halt bei "Rockpommel´s Land": ´was soll denn diese langweilige Oper, ihr habt doch vorher so gute Stücke gemacht´. Also, es gibt in der Grobschnitt-Zeit mehrere Abschnitte und ich möchte fast sagen, mehrere Generationen von Fans, die sich mit den Wandlungen nie so ganz abfinden konnten Man muß aber das Gesamte sehen und daß möchte ich auch in den "Grobschnitt-Stories" zeigen, daß auch vor Grobschnitt die Leute tolle Musik gemacht haben oder auch zur Zeit der ersten LP Sachen gemacht haben, die nie herausgekommen sind und tierisch gut waren, die live immer aufgeführt worden sind. Ein Stück z.B. wie "Die Maschine" oder "Das Teelied", das kennen ja heute nur die allerersten Fans. Die sagen dann auch `Mensch, ich möchte unbedingt mal ne Aufnahme von "Fallstone" haben. Hast du schon mal "Fallstone" von Grobschnitt gehört ? "

MARTIN: "Noch nie !"

EROC: "Ich hab´s ausgegraben. Das ist ein Power-Stück, mit zwei Drummern, das ist klasse. Wir haben damals damit die Bühnen abgeräumt. Das war zu der Zeit unserer ersten LP, das war unser Repertoire. Und viele Leute, die eben nicht aus dem Hagener Umkreis kamen, kannten das ja nicht. Die lernten uns erst durch die LP´s kennen. Und für die mußten wir dann natürlich hauptsächlich das LP-Repertoire präsentieren und hatten diese alten Stücke irgendwann rausgeschmissen. Deswegen kennen also Unmengen von Grobschnitt-Fans nicht das komplette Repertoire. Und dazu soll die "Story" dienen, um mal aufzuzeigen, was es da gegeben hat."

MARTIN: "Aber ihr habt doch sicher auch durch "Rockpommel´s Land viele Leute dazu gewonnen – mich zum Beispiel."

EROC: "Jein. Ich habe eine Aufnahme von "Rockpommel´s Land" aus dem Jahre 75 oder 76 in Hamburg. Ist sehr schön aufgenommen. Sauber gespielt. Und das besondere an diesem Konzert war, daß nach "Rockpommel´s Land" kaum einer klatschte. Wir haben "Rockpommel´s Land" gespielt und ich sage mal frech heraus: in den ersten beiden Jahren hat keine Sau das Stück gut gefunden. Die fanden das langweilig die Leute. Ende der 70er, vier, fünf Jahre später, dann schrien die ersten Leute nach "Rockpommel´s Land". In den 80ern wollten es dann alle hören. Es dauerte unmäßig lange, bis das richtig rund gekommen ist. Natürlich haben uns Leute dadurch kennengelernt, aber es dauerte lange. Ich weiß auch nicht, warum. Aber als ich ausgestiegen bin, wurde immer noch "Rockpommel´s Land" gespielt und heute schreien die Leute immer noch danach. Also da ist eine gewisse Trägheit gewesen. Als Künstler machst du ja was und bist auch damit einverstanden, aber du möchtest ja auch weiterkommen. Irgendwann haben wir dann auch "Solar Music" nicht mehr spielen wollen. Aber die Leute wollten es hören. Das ist das alte Problem: du gehst zu den Stones und willst "Satisfaction" hören und die spielen dir dann neue Stücke vor. Ist ja klar. Wenn ich zu Jethro Tull gehe, möchte ich ja auch "Song for Jeffrey" hören, weil das nach wie vor meine Lieblingsnummer von Tull ist. Obwohl, ob sie das heute noch spielen ?"

MARTIN: "Manchmal schon."

EROC: "Gut, dann ist der Anderson schlau geblieben. Aber, wie gesagt, für "Rockpommel´s Land" war es ein harter Weg. Erst als es die Leute öfters gehört hatten, haben sie es lieb gewonnen und auch die Details schätzen gelernt."

MARTIN: "Wie gefällt´s dir aus heutiger Sicht ? Überhaupt diese Musikrichtung..."

EROC: "Es ist das, was es eigentlich immer war: "Collagerock". Conny Plank (Produzent) sagte damals immer ´ihr seid ein Kur-Orchester. Ihr setzt euch dahin, studiert jede Note ein und spielt es dann möglichst schön runter´. Es ist eine artistische Übung für musikalisches Handwerk. Eigentlich find ich´s im Nachhinein schön und putzig. Eher putzig als schön und sehr akurat gespielt. Also, ich hab mich inzwischen damit abgefunden, daß es mir gefällt. Zu "Rockpommel´s Land" möchte ich noch eines anmerken: wir haben das damals auf vier großen 2 Zoll-Tapes aufgenommen auf 76 mit einem dbx-Codierungssystem und als die Produktion fertig war, haben wir, Conny Plank und ich, die Produktion geteilt. Der Conny hat zwei Spuren genommen – die erste Hälfte und ich zwei Spuren – die zweite Hälfte. Und wir haben gesagt, jeder von uns hat die Hälfte. Damit kann keiner von uns mit dem Werk etwas anfangen und es gerät nicht in falsche Hände. Der Conny ist dann bekanntlich Anfang der 80er verstorben. Was aus den beiden Bändern geworden ist, weiß ich nicht. Ich hab jetzt irgendwann seine Frau angeschrieben, aber die hat gar nicht geantwortet. Wahrscheinlich gibt´s das alles gar nicht mehr. Aber meine Hälfte der beiden Orginale habe ich. Ich habe also die Hälfte von "Rockpommel´s Land" auf 24-Spur. Ich könnte es, sofern ich irgendwo ein professionelles dbx auftreibe, was es lange nicht mehr gibt, aber irgendwo gibt´s bestimmt noch eins, könnte ich das vielleicht noch mal digital remixen. Also auch in modernster Qualität neu mischen, nicht nur remastern und dann neu herausbringen. Da träum ich noch davon. Irgendwann schaff ich das."

MARTIN: "War ´Rockpommel´s Land´ die erfolgreichste Grobschnitt-Platte ?"

EROC: "Es gab drei: ´Solar Music Live´, ´Rockpommel´s Land´ und ´Illegal´. Die sind alle über 100.000 gekommen."

MARTIN: "Welchen Kontakt hast du noch zu ehemaligen Grobschnitt-Mitgliedern ?"

EROC: "Der Volker Mist hat mich ein paar Mal angerufen. Der hat da in Bremen eine kleine Plattenfirma an der Hand, für die hab ich auch schon gemastert. Da ist also ein Kontakt zustande gekommen und eben auch der Kontakt, daß er mir mal seine CD´s geschickt hat, die ich dann auch an Winfrid Trenkler weitergegeben habe, weil ich sie schön finde. Da ist also ein loser Kontakt da. Ansonsten habe ich eigentlich nur zu dem alten Baer Kontakt. Mit dem hab ich ein paar Kinder-Produktionen gemacht und wir wollen auch weiterhin so Späße machen. Zu Lupo habe ich tatsächlich auch Kontakt, weil der läßt hier seine "Laser & Visionen-Show" mitunter vertonen. Da mach ich Ansagen für die Show. Aber das ist rein beruflich. Da kommt er dann auch, sagt was er haben will und wir schwätzen ein bißchen, aber da werden keine alten Themen angeschnitten. Da mach ich dann halt als Auftragsproduktion solche Intros oder so. Von Toni habe ich lange nichts mehr gehört, von Wildschwein auch nicht. Milla rief nach der "Story 2" an. Der freute sich und fand die richtig gut. Hunter war mal hier vor zwei Jahren. Für den hab ich seine "Los Invalidos" gemastert. Die hat er bei sich im Studio aufgenommen und die ist einfach klasse. Die ist so wie Extrabreit in der Urform. Nur witzig. Nur Spaß. Also da gibt es hin und wieder zu einigen noch gute Kontakte."

MARTIN: "Ich hätte jetzt mal eine ganz blöde Frage...."

EROC: "Die gibt es nicht."

MARTIN: "Bei mir schon. Wenn du die Möglichkeit hättest, eine "All-Time-Band" zusammen zustellen, für welche Musiker würdest du dich entscheiden ? Sagen wir mal in der klassischen Rock-Besetzung."

EROC: "Oh Gott !"

MARTIN: "Siehste..."

EROC: "Also, am Schlagzeug Cozy Powell, aber der ist schon gestorben. An der Gitarre Frank Zappa, aber der ist auch schon tot. Das heißt, ich weiß nicht, ob ich Hendrix oder Zappa nehmen würde. Zappa war natürlich technisch überragend, aber auch sehr verspielt und sehr verliebt in seine Soli. Ich könnte auch Harvey Mandell nennen, aber den kennt wohl kaum jemand. Vielleicht auch Carlos Santana, weil der also auch sehr viel schöne Soli gespielt hat, die mich auch wirklich berührt haben, auch vom Ausdruck, nicht nur von der Technik..Am Bass ? Pino Palladino vielleicht, der früher bei Paul Young gespielt hat mit seinem Fretless. Keyboarder ist so ne Sache. (überlegt) Auf jeden Fall nicht Rick Wakeman."

MARTIN: "Dachte ich mir..."

EROC: "Ja, also Keyboarder sind ja heutzutage fast alles nur noch Programmierer. Vielleicht würde ich Brian Auger nehmen. Der sollte seine alte B 3 Hammond auspacken. Keith Emerson war mir immer zu exzentrisch. Der ist auch Skorpion wie ich und hat immer ein bißchen zu sehr auf seine Orgel eingehackt – hatte wohl Sexualprobleme, sonst hätt er das Ding nicht so gespielt. Brian Auger war für mich technisch irgendwie besser, schärfer, aussagekräftiger. Als Sänger bzw. Sängerin, ja nun - wenn ich von Jim Morrison und Janis Joplin absehe - mir hat immer der Chris Farlowe gefallen, der auch mal bei Collosseum war. Aber da gibt´s ne Menge. Mir gefällt heute z.B. auch Tom Jones wieder. Nicht zuletzt, weil ich seine Sachen remastert habe und da waren Sachen dabei, die kannte ich überhaupt nicht. Da habe ich gemerkt, was das für ein tierischer Sänger ist, der wahrscheinlich auch nur seinem Macho-Image folgen mußte, um zu verkaufen, aber unter der Hand sicher ganz tolle Sachen gemacht hat.

MARTIN: "Wenn wir gerade beim Mastering sind. Mußt du die Musik mögen, wenn du sie masterst, oder sagst du, du kannst alles mastern, was dir unter die Ohren kommt ?"

EROC: "Das ist eine schwierige Frage, weil ich habe ein unglaublich breites musikalisches Spektrum. Ich kann mir also von irischer Folklore bis hin zur Peking-Oper, von Metal bis Stockhausen, von Marschmusik bis Country sehr viele Sachen anhören, die klasse sind. Ich hab mir gerade ein paar tolle Country-CD´s aus Amerika bestellt, die man hier gar nicht bekommt, wo Songs drauf sind, die so was von gut sind, daß mir die Tränen in die Augen steigen, wenn ich die höre. Simpel, aber genial gemacht. Es gibt Musik, da kann ich weniger mit anfangen. Manchmal kommen also wirklich diese Gröhl-Metal-Bands hier rein. Da singt dann einer, als hätte er wirklich schon Kehlkopfkrebs im dritten Stadium. Entschuldigung, ist hart gesagt, aber es klingt so. Oder als hätte er mit Napalm gegurgelt, sagen wir mal so. Und singt dann nur noch von Tod und Hölle, Pest und Teufel. Das muß ich dann auch mastern, daß es hinkommt. Das gefällt mir dann nicht so. Da geh ich dann wirklich mehr nach technischen Gesichtspunkten vor. Aber meistens finde ich an den meisten Sachen auch Gefallen. Und wenn ich daran Gefallen finde, fällt das Mastern leichter. Wenn ich da wirklich merke, daß da Tom Jones im Studio gesungen hat und mach die Augen zu und stell mir vor, wie der da schwitzend die Power in diese Songs reinbrachte, dann weiß ich, was der will, dann muß das rauskommen. Und wenn die Tic Tac Toes da ihre Messages verbreiten, wo ich früher völlig voreingenommen war und gesagt hab, was sollen diese Retortenbands, die können doch nicht mal bis drei zählen, bin ich eines besseren belehrt worden. Die Songs, die die jetzt auf der neuen CD gemacht haben, die sind zum Großteil richtig toll. Die Texte sind auch klasse. Die sagen genau das aus, was die erlebt haben und nichts anderes will ja Rockmusik im weitesten Sinne vermitteln. Das eben jemand seine eigenen Erlebnisse raus singt oder schreit und damit andere erreichen kann, die sich damit identifizieren können. Und in diesem Sinne gibt es einen Riesenhaufen wunderschöner Musik auf dieser Welt, die auch alle ihre Daseinsberechtigung hat und die ich auch gerne mastern würde."

MARTIN: "Was glaubst du, müßten die Elektronikmusiker tun, um aus ihren Mauerblümchendasein zu schlüpfen. Ich meine jetzt natürlich mehr die sogenannte klassische EM, nicht Trance und Techno und so."

EROC: "Die Elektroniker haben tatsächlich ein paar ernsthafte Probleme. Gerade jetzt habe ich mal wieder von einem jungen Künstler so eine Elektronikproduktion bekommen. Der macht den Kapitalfehler, den die meisten machen. Er kann mit der Musik nicht das rüberbringen, was er möchte. Er interpretiert in die Musik mehr hinein, als für den unbedarften Zuhörer dabei herauskommt. Das klang also wirklich so, als liefe da eine Rhythmusmaschine und er hätte dazu gespielt. Die Integration, das Verweben von rhythmischen und musikalischen Sequenzen, das war überhaupt nicht gelungen. Da spielte wirklich einer einfach zu einer Rhythmusmaschine, mit relativ schönen Klängen, aber schöne Klänge reichen heute nicht mehr, du mußt ja was vermitteln. Und ich hab schon Elektroniker gehört, die mehr in sich hineinspielen als aus sich heraus. Aber du mußt, wenn du Zuhörer erreichen und dann im weiteren Sinne auch Erfolg haben willst, aus dir "herausspielen". Du mußt so spielen, daß das, was du als Künstler fühlst, durch die Luft, durch die Instrumente, durch die Musik transformiert wird auf den Zuhörer zu, daß der das empfangen kann und in sich selber die Resonanzen entdeckt, daß es ihn berührt. Das muß funktionieren. Und wenn das nicht kommt, dann klappt es nicht, dann hast du keinen Erfolg. Dann können es sich die Leute zwar anhören und auch schön finden, so wie man ein Denkmal schön findet, aber es berührt sie nicht. Warum fahren denn so viele Kiddies auf Tic Tac Toe ab ? Weil die genau sagen, was die Kiddies berührt und wenn´s nur das Wort "Scheiße" ist, das sie zu Hause nicht sagen dürfen. Aber die Identifikation ist da. Und mit den elektronischen Sachen ist es so, die sind ja sehr abstrahiert. Da ist ja wenig oder gar kein Text dabei, das sind eigentlich nur Klänge und die, dadurch daß die Elektroniker auch meinen, sie wären da immer ganz weit vorne dabei mit ihren Entwicklungen, greifen die natürlich unter Umständen auch auf Harminiesachen zurück, die manchem Zuhörer einfach nicht im Rückenmark sitzen. Es ist zu anstengend zuzuhören. Entweder sie greifen auf Klischees zurück und spielen zehn Minten a-moll und dann zehn Minuten d-moll und das ist ausgelutscht, das kommt nicht mehr. Oder sie spielen sehr experimentell und es kommt nicht rüber, weil die Zuhörer sich da erst rein arbeiten müssen und wer hat heutzutage noch Lust sich in Musik rein zu arbeiten ? Das ist schwierig geworden. Und deswegen würde ich den Elektronikern doch empfehlen, sich umzuhören, was an Handwerk schon da gewesen ist. Wenn jetzt zum Beispiel einer herkommt und ich frag ihn, ob er Terry Riley kennt. ´Ach ja´, sagt er, ´den kenn ich doch, der macht doch Rap und hatte da jetzt einen Hit´. Richtig, hatte er. ´Warum´, sagt er, ´soll ich mir den denn anhören, den New Yorker Rapper da ? ´ ´Nein´, sag ich, ´du sollst dir Terry Riley anhören. Den Terry Riley, der 1974 mit seinem Moog und weißem Gewand auf die Bühne gegangen ist und Andachten zelebriert hat.´ ´Ja den kenn ich nicht´. ´Ja wieso´, sag ich, ´du machst doch elektronische Musik´. ´Ja ja, sicher. Ich hab auch einen Yamaha-Synthesizer´. ´Schön, prima´, sag ich, ´stell ihn in die Ecke. Nein, es gab schon vor dir Leute, die elektronische Musik gemacht haben und die haben Meilensteine gesetzt.´ Ich will nicht immer Ashra, Popul Vuh oder Tangerine Dream beschwören, die kennt man ja. Klaus Schulze ist ja nun Pflicht-Legende. Es gab aber auch andere und es gab verdammt gute andere. Und man muß doch als Künstler, wo man heute in einer Welt lebt, wo alles optimiert wird, das Einmaleins können und wissen, worauf man aufbauen kann. Es kann doch nicht jeder davon ausgehen, daß er die Elektronische Musik neu entdeckt hat. Das tun aber viele. Die machen Kinderschrittchen auf ihren Instrumenten, da lach ich mich krank drüber. Diese Pipi-Melodiechen - ich kenn einen Musikdozenten, der nennt das immer "Clo-Melodiechen" – welche die machen, kannst du nicht mal als Kinderlieder verkaufen. Auf der anderen Seite gibt´s aber auch Elektroniker, die mich richtig beeindrucken, die mich berührt haben. Ein anderes Problem ist – nehmen wir mal Klaus Schulze als Beispiel. Der hat tolle Sachen gemacht, er hat aber notwendigerweise seinen Stil öfter geändert. Er hat auch relativ moderne Sachen gemacht in letzter Zeit und sich damit, verdammt nochmal, viele seiner Uralt-Fans vergrault. Hat auch neue dazugewonnen, aber ich kenn welche, die sagen ´ach Schulze, den hör ich mir nicht mehr an, was soll ich mit dem Gejaule´. Das ist immer das Problem des Künstlers. Du willst dich weiterentwickeln, willst auch zeitgemäß sein, willst auch neue Sachen machen und die Leute hinken da etwas hinterher und hängen noch den alten Sachen nach. Die Leute, die heute diese Dance-Remixe machen, sind ja auch Elektroniker. Ich hab jetzt von einem Typ aus Schweden einen Dance-Remix bekommen. Der arbeitet mit variablen Filtersequenzen, so wie wir das früher mit dem Prophet gemacht haben. Der kennt sich völlig aus mit der Materie, der hat Sequenzen drin, der hat Sounds drin, die richtig gut sind. Er macht das sehr kommerziell, die Kartoffelstampfer-Bass-Drum drunter, aber das sind genauso Elektroniker. Der hat seinen Rechner da stehen und seine Synthis, genauso wie die Trance- und New Age-Musiker auch, nur das die eben rhythmisch nicht so konkret sein dürfen. Deswegen kann man da nicht sagen, die Elektroniker stehen allein da. Ich als Elektroniker würde mir heute Dance anhören und das ganze Techno-Zeug sowieso, weil da interessante Impulse rüberkommen, die man gut gebrauchen und auch weiterentwickeln kann. Auch auf dem Gebiet der ruhigen elektronischen Musik. Aber es ist leider in Deutschland immer so gewesen – und da nehm ich mich gar nicht aus – daß viele Elektroniker immer so vor sich hiogearbeitet und komponiert haben. In ihrem Zimmerchen, mit ihrem Synthesizer, Mama im Nebenzimmer und ich bin das Genie und mach mein Ding hier und nicht kucken, was da passiert und dort passiert. Du mußt wissen, was links und rechts passiert, allein schon, um manche Sachen nicht zu machen. Andere machen auch Fehler und wenn man das hört und sagt ´Mensch, diese Klangfarbe vom Synthesizer Yamaha soundso, die benutzt der ja schon´. Nimm nur ein Beispiel: dieses Scheiß-Indio-Sample, das der Gabriel in seinem "Sledgehammer" drin hat, das hab ich so oft gehört, das hör ich auch heute noch ständig in der Musik, das ist irgendein Programm von irgendeinem Synthesizer, diese Indio-Flöte. Ich mochte das Ding sowieso nie, aber so viele Idioten haben das ausgelutscht bis zum geht nicht mehr. Damit kannst du heute nichts mehr reißen. Ich hör´s aber immer wieder. Aus solchen Sachen muß man lernen und sagen ´das mache ich bewußt nicht, das ist gar nicht mein Ding´."

MARTIN: "Erzähl doch bitte noch etwas, welche Sachen aktuell bei dir anstehen bzw. die du noch planst."

EROC: "Hauptsächlich beschäftige ich mich mit dem Mastering, wo ich sehr viele Sachen aus den 60er und 70ern klanglich aufbereite. Von Johnny Cash bis Frank Zappa eigentlich alles was es gibt. Da sind genauso gut sieben CD´s von Ian Gillan dabei wie zehn CD´s von den Yardbirds. Nächste Woche bekomme ich Produktionen von Trevor Horn, also Frankie Goes To Hollywood, Art Of Noise und Propaganda. Und dann bin ich natürlich mit einem Fuß auch in der aktuellen Musikszene drin. Ich habe Philip Boa wieder als Kollegen und Freund gewonnen, wir arbeiten wieder zusammen (Anm.: zwischen Eroc und Boa lief ein langjähriger Prozeß). Ich mastere im Moment seine zweite Single mit Live-Aufnahmen, hab auch sein gesamtes Album gemastert und er hat mich jetzt darauf angesprochen, ob ich nicht künftig auch Stücke für ihn wieder mischen könnte. Auf der anderen Seite habe ich diesen Auftrag Tic Tac Toe bekommen, wo ich als Mischer und Masterer des Albums engagiert worden bin, was ich auch mit sehr viel Spaß und Freude und zur Zufriedenheit aller machen konnte. Was gar nicht verkehrt ist, denn der sogenannte alte Eroc mit seinen Füßen in den 70ern hat ja damals schon die neuesten Sachen und modernsten Trends in sich aufgesogen und auch bei Grobschnitt mit eingebracht. Wir waren auch modern und in vielen Sachen unserer Zeit voraus. Deswegen ist es für mich auch heute ein großer Spaß, die modernste Mädchenband der Nation mitzugestalten. Davon kann man nur lernen. Und ich hab davon gelernt – auch klanglich. Wie der Produzent, der Börger, hier vorgeht – der arbeitet auch mit Samples, der arbeitet mit Sequenzen, genau wie viele Elektroniker. Wie der seine Klangbilder gestaltet und was der für Vorbilder hat, das war für mich zum Teil wirklich neu. Zum Beispiel wußte ich nicht, daß man so viel Höhen fahren kann auf einer CD, daß die auch so grell klingen kann, wenn man möchte. Sie klingt nicht unangenehm, sie klingt einfach nur frisch. Da hat er mir auch so ein bißchen den Weg in der Richtung gezeigt. Das läuft also zur Zeit. Ich denke, aus Philip Boa wird sich weiter was entwickeln und die Oldie-Restaurierung läuft auch immer weiter. Da kommen also Anfragen en masse. Ich kann nicht klagen über Arbeit, was leider meine eigene Musik etwas in den Hintergrund drängt."

MARTIN: "Dazu meine letzte Frage. Gibt es denn eine weitere Zusammenarbeit mit Urs Fuchs (Farfarello), mit dem du deine letzte CD gemacht hast ?"

EROC: "Das mit Urs war eine schöne Sache. Er ist leider weggezogen und wohnt im Westerwald, das ist ein bißchen weit weg. Die Zusammenarbeit hat mir sehr gut gefallen, weil der Urs ein sehr, sehr netter Mensch ist. Ich habe aber inzwischen schon wieder drei Farfarello-CD´s zusammengestellt, aus alten Aufnahmen und diese gemastert. Also die Ecke lebt immer noch weiter. Über eine weitere Zusammenarbeit wird im Moment nicht gesprochen. Aufgrund privater Probleme ist er auch ein wenig abgetaucht. Ich möchte gerne weitermachen und ich möchte auch ohne Urs weitermachen, denn Eroc & Urs Fuchs, das war eine schöne Geschichte, aber es war eben nicht genau das, was ich machen möchte. Ich möchte eigentlich noch etwas experimenteller arbeiten, nicht ganz so songmäßig. Ich war eigentlich auch immer der Elektroniker, der die Werksounds verachtet hat und der wirklich seine eigenen Klänge zusammengebaut hat. Das kommt daher, weil ich in einer Zeit angefangen habe, wo man sich die Klänge auf dem Synthesizer noch selbst machen mußte. Beim Moog mußte man halt die Oszillatoren so stimmen, bis du einen Sound hattest. Da gab´s keine Werksprogramme. Später dann, beim Prophet, konnte man sich die Sounds abspeichern – das war ja schon wirklich toll damals. Aber als dann die Japaner mit ihren "Tischhupen" inklusive Werksounds auf den Markt kamen, die alle nur nach Peking-Oper klangen, da hab ich das Handtuch geschmissen. Da hab ich gesagt, das tust du dir nicht an. Deswegen möchte ich auch weiterhin Klänge entwickeln und mit denen dann arbeiten. Nur – das braucht Zeit. Einen Klang entwickelt man nicht mal eben. Da mußt du schon was von Elektronik, von Schwingungsstrukturen und so weiter verstehen und kucken, wie du das übereinbringst. Und wenn man ihn dann hat, muß er auch musikalisch verwertbar sein. Nicht jeder Klang taugt irgendwie für schöne Sachen. Und dann muß man sich natürlich auch sehr sensibel hinsetzen und erfühlen, welche Stofflichkeit hat der Klang, wie "fühlt" man den Klang. Nicht jeder Klang klingt angenehm. Es gibt Klänge, die sind ätzend, die sind nervig. Die gehen dir ins Gehirn und fräsen. Und es gibt Klänge, die sind wunderschön. Da lehndt du dich zurück und willst nur noch diesen Klang hören. Und das dann noch zu einer Musik zusammenzubauen, das ist dann schon ganz schöne Arbeit. Da ist es sicherlich einfacher, beispielsweise diesen Korg Triton anzuschmeißen. Der hat dann tausende Programme und du suchst dann einfach nur, welcher Klang berührt mich, welcher gefällt dir und mit welchem möchte ich was machen. Das funktioniert natürlich auch, nur der Frisör von nebenan hat den gleichen Synthesizer und den gleichen Klang und schon bist du nicht mehr allein damit. Deswegen ist also der andere, mühsame Weg sicherlich lohnender, aber halt auch nicht so schnell produktiv. Deswegen wird es wohl auch noch etwas dauern, bis ich was zustande kriege. Ich hab einen ganzen Schrank voller Klänge schon fertig und auch sehr interessante Sounds und Samples, die ich gerne irgendwo einbauen möchte. Aber mal kucken, wohin es mich treibt..."

 

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