Teil 3 des EROC-Interviews

Stephan: Auf den Wiederveröffentlichungen sind auch einige Bonustitel enthalten. Auf der Internetseite von Repertoire war lediglich zur ersten GROBSCHNITT LP/CD "Grobschnitt" kein Bonustitel angedruckt.

Eroc: Hoho. Nichts? Da sind 31 Minuten GROBSCHNITT Live von 1971 drauf. Mit zwei Schlagzeugern aufgenommen im September '71 in Hagen, im Volkspark, in der Konzertmuschel als Open-Air-Konzert. Die Symphony Live, noch nie gehört vorher. Phantastische Version. Aufgenommen mit diesem Mikrophon.

Stephan: Angeben war, daß bei "Jumbo" sowohl die englische wie auch die deutsche Version auf einer CD ist. Auf "Rockpommels Land" dann das Stück Tontillon.

Eroc: Ja. Weil Tontillon hat was damit zu tun, mit "Rockpommels Land", es ist ein Stück aus "Rockpommels Land".

Stephan: Und wie kam das Stück dann auf Deine LP "Eroc 3" und nicht schon auf die "Rockpommels Land"?

Eroc: Weil da kein Platz mehr drauf war. Es ist auch kein Stück, was mit "Rockpommels Land" in Verbindung ..., doch ..., es ist schwer zu erklären. Ein Teil von Ernie's Reise gefiel mir so gut, daß ich zu Mist und Hunter gesagt habe, "Komm laß und das doch mal improvisieren." Und dann haben wir es zum Warmspielen im Studio einfach mal so 'ne halbe Stunde lang improvisiert. Und ich hab die besten Teile daraus dann genommen und "Tontillon" draus gemacht. Echoeffekte eingebaut, Sounds eingebaut und das habe ich dann auf meine dritte mit genommen. Aber es gehört thematisch zu "Rockpommels Land". Die Repertoire-Leute fragten mich ganz jupidu, "Eroc, Du hast ja mal mitgespielt, hast Du vielleicht mal ein Paar alte Fotos oder irgendwas, was man vielleicht als Bonustrack nehmen könnte?" Ich sag "Gerne, was wollt Ihr haben?" Dann haben wir uns entschlossen eben auf 'ne CD, auf die CD's Bonustracks drauf zu machen, weil soviel Platz da drauf ist. Die erste ist ja nur 40 Minuten lang auf LP. Und diese Symphony Live von '71, das ist dann also ein Leckerbissen für die Leute die damals dabei waren, und es gehört mit zur ersten.

Stephan: Die "Solar Music" ist jetzt komplett auf CD, inklusive der fehlenden 13 Minuten?

Eroc: Ja, die noch fehlten, weil einfach auf der LP kein Platz war. Und ohne Schnitt in der Mitte natürlich, es geht in einem durch. Wir mußten übrigens, daß will ich noch einflechten, wir mußten auch Germanophon Paroli bieten. Germanophon ist eine Schwarzpressungsfirma, die die erste und "Jumbo" in englisch und deutsch schon rausgebracht hatte.

Stephan: Auf CD?

Eroc: Ja auf CD. Die auch die "Eroc eins" auf CD rausgebracht hatten. Hab ich da liegen, kostet 39,00 Mark, ist von einer Vinylplatte mit Knistern runtergespielt. Schwarz verkauft, keiner verdient daran, nur diese Schweine. Inzwischen haben sie aber die IFPI ?????? am Hals, den Verband der Tonträgerhersteller. Die jagen die mit allen Mitteln. Die wissen wo die sitzen. Die sitzen in Luxemburg. Und es gibt Fans, die haben sich das alles schon gekauft und waren über die Qualität fürchterlich erzürnt. Und jetzt hat natürlich Repertoire da 'ne Bresche geschlagen und gesagt, "Wir bringen jetzt Jumbo auch deutsch/englisch und zwar in der richtigen Qualität." Und wenn Du Dir die CD anhörst, also ich kann immer nur die Meinung von den Fans wiedergeben. Die sind vom Stuhl gefallen, wie gut das klingen kann.

Stephan: Ja, jetzt kommen natürlich einige Fragen zu Deiner Solokarriere. Wann bist Du darauf gekommen eine Soloplatte zu machen?

Eroc: Jau. Ach das war damals so ... Wir haben ja ... "Eroc eins", "Eroc zwei", das lief ja immer parallel zu GROBSCHNITT. Toni und ich, wir haben uns zum Beispiel oft getroffen um Sachen für die Show auszudenken, Gags und Späße. Ham' zur Probe auch mal was aufgenommen, irgendwie Irrsinnslieder oder sowas. Nicht alles wurde von den anderen toleriert und vieles wurde abgeschmettert. Aber es gefiel uns dann und ich habe dann gesagt, "Weißt Du was, wir können das ja auch selber rausbringen." Der Knackpunkt kam eigentlich durch Günter Körber, das war der erste A&R-Manager der Metronome, der mit uns was zu tun hatte. Den gibt's heute noch, der hat das Sky-Records-Label gegründet, der Körber. Und der hat bei mir zu hause zufällig mal eins meiner Stücke gehört mit dem Namen "Horrorgoll". Das war so eine Klangcollage mit Fasingeffekten und ganz verrückten Sounds. Und das gefiel dem so unglaublich gut, da sagt der, "Hör mal, das ist ja genial. Bring das auf Platte raus." Ich sagte, "Scheiße, will sich doch keiner anhören. Das hab ich hier für meine Freunde gemacht. Wenn wir mal bekifft sind, dann ziehen wir uns das mit Kopfhörer rein." "Jaa," sagt er "was meinst Du wieviel Leute noch bekifft sind. Bring das doch mal raus." Ja und dann hat der mich quasi dazu getrieben die "Eroc eins" zu machen. Und das ging dann einfach so weiter. Nur richtig wurd es dann erst mit der "Eroc 3" bekannt, mit der "Wolkenreise". Die hab ich ja bekanntlich für die Söldner-Show, für so'n Theaterstück gemacht, als Anfangsmusik. Und das lief dann im Vorprogramm zu dieser Show und die Leute waren immer ganz begeistert. Der ganze Saal klatschte mit, wenn diese "Wolkenreise" ertönte. Ja und dann habe ich gedacht, bringst'e es auch mal irgendwie mit auf so'ne LP von dir, auf die "Eroc 3", die ja auch schon 'ne Collage aus verschiedenen Zeiten war, ähnlich wie die "Grobschnitt Story". "Eroc 3" war die erste Grobschnitt Story. Und dann ging das los. Dann hat die Metronome gecheckt, daß man damit wohl Geld verdienen kann. Da haben sie 'ne Single draus gemacht. Da haben sie mir die Musikverlage auf den Hals gehetzt. Bis auf's Scheißhaus sind die mir hinterher gerannt. Ich saß echt auf'm Klo, auf'm Bauernhof, da klopft da einer an die Scheibe. "Herr Eroc ich muß mit Ihnen sprechen, Musikverlag Intersong. Ich hätte gern mit Ihnen gesprochen." Ich war richtig sauer. Aber es mußte wohl so sein. Und dann hat sich das Ding verselbständigt. Ja und dann war ich schon drin in dem Geschäft der Plattenmacherei und hab's dann eben weitergeführt.

Stephan: Was mir vor allem auffällt, wo Du die "Wolkenreise" gerade ansprichst. Zum Schluß gibt's so 'ne kleine Passage aus "Oxygene". Wie kam das?

Eroc: (Pfeift diesen Part und lacht). Ja da drauf sind wir ja damals alle abgefahren. Das war das absolute Kiffer-Stück. "Oxygene" hab ich am schönsten gehört in Widesande in Dänemark, direkt neben einem Leuchtturm. Und wir lagen da in Widesande auf diesem kleinen Heidestandplatz zwischen den Dünen. Und dieser riesige Leuchtturm fing dann nach Sonnenuntergang an zu leuchten und drehte sich da oben mit seinem Lichtfinger und -zeiger über uns. Und wir hörten "Oxygene" aus den mitgebrachten Stereoboxen. Und das war einfach so wunderschön, daß ich das Thema als kleinen augenzwinkernden Fingerzeig mit Gruß an Jean Michel Jarre, der wahrscheinlich die "Wolkenreise" nie gehört hat, so von Kollege zu Kollege eben rüberfunken wollte. Und es haben tatsächlich einige Leute bemerkt, wie ich höre.

Stephan: Ja das ist nicht zu überhören. Vorhin war aus Deinen Antworten herauszuhören, daß Du mit Toni so einige Späße, Gags usw. ausgedacht und gemacht hast. Wart Ihr die beiden verrücktesten aus der Gruppe?

Eroc: Toni war neben Detlef Rohr der verrückteste aus der Band. Er hatte immer Sinn für's skurrile, für's witzige. Die Showideen sind meist von uns beiden ausgeheckt worden. Zum Beispiel die weltberühmte Salzmann-Show, der Zahnarzt auf der Bühne. Ich war damals sehr viel in Dänemark, auf 'ner kleinen Insel. Hab mich dort oft zurückgezogen, komponiert, gearbeitet. Einmal war Toni mit. Und da sind wir am Strand spazieren gegangen, barfuß durch die Wasserpfützen geplanscht und haben immer so gesungen, "Tralali, tralala, der Wassermann ist da. Salzwasser, was?" "Jaa, was ist das eigentlich für'n Salzmann, der hier Salzwasser hingeschüttet hat?" "Wieso Salzwasser?" "Ja koste das doch mal." Da haben wir erst mal jeder einen Schluck genommen, haben gekotzt, sind weitergegangen und wieder "Der Wassermann ist da, der Wassermann ..." "Hör mal, wieso Wassermann? Das muß doch ein Salzmann sein, der hier Salzwasser hingeschüttet hat." Also war es der Salzmann. Auf einmal sagt Toni, "Hör mal Erce, Salzmann, ja sicher. Hör mal da gibt's doch einen Zahnarzt in Hagen, der heißt Dr. Salzmann. Da war ich früher sogar." Ich sag, "Du warst bei Dr. Salzmann?" "Ja, Salzmann in der Elberfelder Straße." Ich sag "Kenn ich nicht. Ich bin bei Ittershagen." "Nöö," sagt er "Ittershagen, der hat mir mal 'nen Milchzahn mit dem Finger gezogen, da hat meine Mutter ihm eine geklebt." Ich sag "Toni, das ist doch ein tolles Thema für 'ne Show." "Ja, ja sicher, hör mal Salzmann, genau. Wir machen die Salzmann-Show." So sind wir drauf gekommen. Und dann wurde die Salzmann-Show dann da in der dänischen Einsamkeit ausgeheckt. "Ja erst mal muß auf die Bühne ein Zahnarzt her." " Ja, wer macht den Zahnarzt?" "Natürlich Toni, klar." "Und wer macht den Patienten?" "Ja wer sonst, Erce natürlich, der macht ja jeden Scheiß mit." "Ja erst mal brauchen wir einen Bohrer." "Ja boah, mach ich," sagte Toni. Toni war ja Kunststoffschlosser und baute dann in seiner Werkstatt diesen riesigen Kunststoffbohrer aus Hostalit Z, das ist irgendein Kunststoff. Dann wurde eine riesige Spritze, zum naßspritzen gebaut. Hat alles Toni gebaut. Ja und dann ging's los. Toni war der Zahnarzt, Ballermann die verrückte Schwester  Devil und ich dann der Hauptpatient. Was die mir damals ins Gesicht gespritzt haben, weiß ich nicht. Aber ich wurde jedesmal so naß gemacht. Manchmal schmeckte es ein bißchen nach Wein, manchmal schmeckte es etwas salzig. Was da drin war weiß ich nicht. Ich hoffe nicht, daß sie reingeschifft hatten. Aber es war zumindest lauwarm. Und manchmal war's eiskalt und das war schauerlich. Aber ich hab mitgespielt. Das ist, wenn man professionell auf der Bühne steht, unumgänglich. Und diese Shows, ob's nun die Salzmann-Show war, oder die Söldner-Show oder, ja gut die Zauberer-Show, oder was immer, die sind also entweder kollektiv bei den Saufabenden ausgeheckt worden, oder auch sehr oft von Toni und mir im Grundkonzept zusammen entwickelt worden.

Stephan: Die Shows waren ja immer ziemlich lang.

Eroc: Ja.

Stephan: Finden sie denn auch irgendwann mal ihren Weg auf CD? Oder war das mehr so eine Sache, die man nur live erleben konnte?

Eroc: Äh, wart mal. Band 80 ist die Salzmann-Show. Muß ich mal gucken. Soll ich die mit drauf nehmen? Salzmann-Show, hättest Du die gern auf CD?

Stephan: Klar, warum nicht.

Eroc: Dann kommt sie auf "Story 2". Nehmen wir sie jetzt mit. Ich hab mich die ganze Zeit gefragt, ob das jemanden interessieren könnte, aber ...

Stephan: Mit Sicherheit, mit Sicherheit diejenigen, die das damals miterlebt haben.

Eroc: Also ich hab sie auch noch live aus Berlin in einer sehr schönen Version. Man sieht natürlich nichts. Ich hab Fotos davon, wie die Kandidaten die Päckchen überreicht bekommen. Das kann ich fotografisch darstellen, aber ich hab's aber auch aufgenommen. Schreib ich mir gleich auf, Salzmann-Show. Den Jumbo-Trailer wollte Kurt Mitzkatis haben, "Ich bin der GROBSCHNITT-Jumbo, bring Musik euch ins Haus, drum wetzt mal schnell die Nadel, und legt mich schleunigst auf." Das war der Jumbo-Trailer, wurde einmal im WDR 2 aufgeführt. Aber Salzmann-Show bring ich jetzt rein, weil ich such noch ein Paar Dinge. Wenn "Solar Music" nicht kommt, hab ich noch Platz. Salzmann-Show Berlin plus Originale, geht diese Woche über die Bühne. Also kriegst Du Deine Salzmann-Show. Natürlich können wir das machen. Ich hab zum Beispiel den Ölberg, die Ölberg-Show, die nur noch die ganz alten Grobschnitts kennen.

Stephan: Die kenne ich leider nicht.

Eroc: Ne, die war ganz skurril. Da trat Gott Vater persönlich auf. Die war also ganz hammerhart. Es gab so viele Shows.

Stephan: Ich hab, bevor ich Euch das erste Mal live gesehen hab, das muß so 1977 gewesen sein, einiges aus der Zeitung und von Leuten, die Euch damals in der Aula gesehen haben, erfahren. Da wurde nur gesagt, die dürfen da nicht mehr auftreten, der Hallenwart hat fast einen Herzkollaps gekriegt.

Eroc: Ja, mit dem Feuer und so.

Stephan: Die Verantwortlichen waren alle fast am Boden zerstört. Und das war natürlich genau das, was - ich sag mal so Leute wie mich - dann neugierig gemacht hat. Und das mußte ich dann einfach mal sehen.

Eroc: Ja klar, wir haben so manche Halle abgefackelt. Das verrückteste Erlebnis war im Sauerland, in irgendeiner Schützenhalle. Die war oben auf 'nem Berg, in irgendeinem Kaff, ich weiß nicht mehr wo das war. Da haben wir gespielt und es war irgendwie Herbst. Und dann haben wir natürlich unseren Nebel und Feuer gemacht, in der Halle. Und dann haben die natürlich auch gelüftet. Und wir haben abgebaut und kamen raus und da war so ein Nebel draußen, wir konnten kaum mit den Lkw's wegfahren. Wir sind gefahren, wir sind 40 Meter den Berg runter gefahren, da war alles klar. Da haben wir zurück geguckt, da war die ganze Spitze von diesem Hügel wo die Halle war eine riesen Nebelwolke. Da hatte der Dampf von der Halle den Nebel da oben kondensiert und hat da oben total Nebel gemacht (lacht). Also wir haben schon ..., die Beethovenhalle in Bonn, die haben wir nicht abgebrannt. Wir haben da gespielt, danach war das Parkett versaut. Danach durfte nie wieder 'ne Rockband da spielen. Wir waren die letzte Rockband, die in der Beethovenhalle in Bonn gespielt hat, weil wir Brandflecken auf's Parkett gemacht hatten. Aber ein Jahr später ist die Halle abgebrannt. Warum? Weil der Typ, der oben drüber seine Dachgeschoßwohnung hatte, im Bett mit einer Zigarette eingeschlafen ist und hat die Halle abgefackelt (lacht). Wir haben gelacht!!!

Stephan: Man muß ja sagen, Eure Konzerte waren ja immer wie 'ne Fete. Wenn man das so gesehen hat, da war ....

Eroc: Ja was ist 'ne Band ohne Publikum? Gar nichts.

Stephan: Ja ich hab viele andere Bands gesehen. Ob das jetzt in der Westfalenhalle war oder ob das in anderen großen Hallen war. Das waren wirklich die "großen" Bands, Genesis oder wer auch immer, Supertramp, oder was damals so in war. Da hatte ich immer das Problem, daß ich statt auf's Konzert zu gehen, mir auch gut zu hause die Platte auflegen können. Es war wirklich fast immer 1 zu 1 umgesetzt. Man wußte nicht, spielen die im Playbackverfahren, oder was ist da los.

Eroc: Bei GROBSCHNITT nicht, da haben wir auch schon mal in die Kacke gegriffen.

Stephan: Und bei Euch war das natürlich immer was ganz anderes.

Eroc: Ja weißt Du, wir wollten ja auch unseren Spaß haben. Die Leute wollten ihren Spaß haben und wir wollten unseren Spaß haben und das beste war doch, wenn wir alle zusammen unseren Spaß hatten. GROBSCHNITT ist mit der Resonanz des Publikums gewachsen und gestorben. Wenn die Leute gut drauf waren, dann wurde es ein Superkonzert. Wenn die Leute schlecht drauf waren, wie zum Beispiel sehr oft in Westfalen, Warburg oder so.... Das lernt man übrigens, wenn man durch Deutschland tourt. Die Mentalitäten ...

Stephan: ... sind sehr unterschiedlich.

Eroc: In Niederbayern sind die euphorisch. Im kölner Raum hast du sowieso immer stehenden Applaus gekriegt. In Geseke, Soest, da sind sie so'n bißchen so "Nun unterhaltet uns mal ein bißchen, wir haben schließlich bezahlt." Obwohl, wenn du sie kriegst, wie in Meschede usw., dann stehen die. Wenn sie genug in der Birne drin haben, dann läuft das. Und je mehr die Leute aus sich herauskamen, um so mehr kam die Band aus sich heraus. Es gab natürlich auch die professionelle Art, wenn die Leute absolut nicht kamen, mußte gekämpft werden, dann kriegten wir die Leute schon. Es war zum Beispiel in Saarbrücken in der Europahalle, das werde ich nie vergessen, die Leute standen und standen und jubelten uns zu, Toni und mir, wie wir die Ansage zu "Rockpommels Land" machten. Das war so phantastisch. Ich hab gesagt, "Toni, jetzt wird gebadet." Wir beide mit einem Hechtsprung in die Leute rein. So wie es heute diese nachgemachten Punkbands machen, hatten wir das schon 1977 gemacht. Wir sind in die Leute gesprungen, die haben uns auf Händen getragen bis zum Mischpult, bis zu Franz. Da haben wir Franz die Hand geschüttelt. Da haben uns die Leute auf Händen zur Bühne zurück getragen und dann ging das Konzert weiter. Wir meinten, wir müßten jetzt in der Menge baden und das klappte. Und die Leute, die haben uns umarmt. Und das war einfach dieses Gefühl, GROBSCHNITT ist 'ne Band von uns. Das Publikum hat sehr schnell gemerkt, daß GROBSCHNITT die Band ist, die zu uns kommt. Wir haben in allen Sauerlandkäffern gespielt, die es gab. Genesis hat sich nicht weiter als bis Dortmund getraut. Sonst hätten sie einen auf die Mütze gekriegt für ihre Scheiße. GROBSCHNITT ist nach Sundern gefahren und nach Geseke und nach Winterberg und nach Schmallenberg und nach Kreuztal und nach Siegen und nach Gießen und nach Wetzlar und in jedes Kaff sind wir gefahren und haben dort unsere Sachen hingebracht. Wir kamen mittags an, da standen die Leute an der Straße, "Wann kommen sie endlich. Oh, da kommen die Wilden wieder." Und schon wenn die Brocken ausgeladen waren, stand schon das halbe Kaff um die Halle und wollte mithelfen. Und die Leute durften auch, "Na klar, komm hier." Es war einfach irgendwie Identifizierung möglich. Und dadurch, daß wir natürlich auch so'n bißchen - ich will das jetzt nicht unbedingt auf mich zurückführen - so diese Mentalität auch rüberbringen konnten. Toni ist der Hagener, der Dialektmensch, da verstand man ihn auch hier in der Gegend. Es war irgendwie so ein bißchen stammtischmäßig und ein bißchen grobschlächtig. Das kam eben gut an. Es war nicht zu intellektuell, obwohl es war auch intellektuell. Es war auch nicht zu bollerig, zu primitiv und es war genau die richtige Mischung. Wir sprachen die Gymnasiasten an, die scheiß Oberschüler - wie sie immer hießen bei uns - weil wenn die Oberschüler mit aufgebaut hatten, gab's immer nur Punk. Weil die konnten keine Kiste anpacken. Die haben immer nachgedacht, "Wie packe ich die an?" Während, wenn die Rocker mit angepackt haben, dann klappte immer alles. Die haben einmal zugepackt und dann lief das. Wir konnten also beides. Wir konnten also bollerig sein, wir konnten die Biertrinker ansprechen, wir konnten aber auch die Feinsinnigen ansprechen. Und wir kamen eben zu den Leuten hin. Und es war billig. Wir haben für fünf Mark in der Schützenhalle gespielt.

Stephan: Das erste Konzert von Euch habe ich in einer Veranstaltungsreihe des städtischen Theaters (Sauerlandtheater) gesehen. Da kostete ein Abo mit sechs Konzerten ca. 36 Mark, also 6 Mark pro Konzert. Das war schon genial. Und Euer Ding funktionierte auch bei uns, obwohl der Saal nur Sitzplätze hatte. Und ein Saal nur mit Sitzplätzen war das für Konzerte, wie ihr die damals gemacht habt, nicht tödlich?

Eroc: Nö. Mit Sitzen... Es gab ja auch was zu sehen, es gab ja auch genügend Optik. Du mußt ja nicht nur hören, sondern .... Und andererseits, es hat die Leute auch von den Stühlen gerissen (lacht). Wenn man jemand vom Stuhl reißen will, müssen ja erst mal Stühle da sein (lacht), oder?.

Stephan: Das ist richtig. Um noch mal auf Toni zu kommen, der ist ja lange Zeit bevor er in der Band gesungen hat als Lichttechniker angestellt gewesen.

Eroc: Nein, Toni fing viel früher an und zwar direkt schon 1972. Wir übten damals immer noch in dieser Schulaula. Und Toni war einer von den Leuten, die sich immer ihre Nase an der Scheibe platt drückten, und hören wollten, was da drin passierte. Irgendwann habe ich sie dann reingelassen, weil ich es nicht mehr sehen konnte. Und dann saß da Toni mit seinem Freund Porneaux und die fanden das klasse. Die kamen jeden Nachmittag. Immer wenn wir geübt hatten, waren die da und guckten zu. Es ging mir schon auf den Sender. Irgendwann habe ich dann gesagt, "Paßt auf Roadies, kommt helft mal mit aufbauen." "Ja, dürfen wir das denn?" Ich sag "Komm hier, abbauen. Zack. Komm Roadie." "Was ist denn ein Roadie?" Ich sag, "Das sind Aufbauhelfer." "Wie, sind wir jetzt Aufbauhelfer?" Ich sag "Natürlich seid Ihr Aufbauhelfer, mitkommen." Ja und dann war der erste Schritt getan, dann waren die auch schon beim Auftritt dabei. "Ja wir fahren mit, wir helfen da auch mit." Und schon waren Toni und Porneaux dabei, als Aufbauhelfer. Später hat dann Toni - mehr dabei schon als Techniker - so'n Paar Sachen bedient. Und irgendwann ist er dann auch immer mitgefahren und sein Freund Porneaux ist auch lange Zeit noch mitgefahren. Es waren die ersten beiden Roadies, die wir hatten. Bei Toni ist das dann so geblieben. Der blieb dann dabei, hat sich mehr und mehr integriert. Wir haben uns auch angefreundet und haben zusammen - wie gesagt - viel Blödsinn gemacht. Und Toni hat dann die Lichtanlage bedient, relativ früh. Immer von der Bühne aus, war also mittendrin im Geschehen. Und da er ja nun so als kleine Frohnatur / große Frohnatur auch immer viel, viel Spaß an der Sache hatte, war er irgendwie mit dabei. Und später haben wir dann auch eben entdeckt, daß er relativ gut singen konnte. Das hat er dann ausgebaut und fing dann zur "Illegal"-Zeit auch an mit zu singen.

Stephan: Also da begann das Ganze.

Eroc: Da begann das Ganze. Und er hat ab und zu auch ein bißchen Conga gespielt. Also Toni war immer mit dabei, von Anfang an, als gute Seele und als Helfer und später auch als Musiker.

 

Interview-Menu