Teil 1 des EROC-Interviews

Stephan: Du warst neben Wildschwein und Lupo einer der Mitbegründer der Band ELIAS GROBSCHNITT im Jahr 1970.

Eroc: Ja, richtig. Und zwar haben Lupo und ich schon vor ELIAS GROBSCHNITT mit Wildschwein zusammen in der CREW gespielt. Schon von Anfang an - seit der Gründung 1966 - war Lupo mit dabei. Wildschwein kam ein bißchen später. Und nachdem die CREW sich 1969 aufgelöst hatte, machte jeder so sein eigenes Süppchen. Ich machte mit Wildschwein zusammen Free-Jazz unter dem Namen WUTPICKEL und Lupo machte zusammen mit Baer und Felix unter dem Namen CHARING CROSS eine sogenannte Hardrockband. Das ging ein Jahr lang nebeneinander und dann fanden sich beide Formationen einfach mal zu einer Session zusammen und beschlossen zusammen zu bleiben, mit zwei Schlagzeugern. Das war dann die erste GROBSCHNITT-Formation.

Stephan: Es resultierte also daraus, daß zwei Bands zusammengeführt wurden und deswegen zwei Schlagzeuger...

Eroc: Zwei Bands, richtig, genau. Zwei Bands, die hervorgegangen waren aus der ursprünglichen alten CREW.

Stephan: Und die Crew hat welche Art von Musik gespielt? Wenn man den Namen CREW BLUES SESSION hört, könnte man meinen, daß Ihr viel Blues gespielt habt.

Eroc: Ja. Die CREW hat also 1966 angefangen zu spielen, nachzuspielen. Viele Titel von den damals gängigen Sachen, BEATLES natürlich, aber hauptsächlich Sachen wie STEPPENWOLF, THEM, Arthur Brown, VANILLA FUDGE, Hendrix, CREAM, YARDBIRDS und WHO und so weiter. Also diese ganzen gängigen 60'er Popbands haben wir nachgespielt und natürlich auch Rhythm & Blues, wie es damals hieß. Rhythm & Blues-Gefühl kam immer wieder durch, von John Mayall zum Beispiel, die haben uns viel Spaß gemacht. Und eben dann auch eigene Stücke in diesem Stil. Die CREW nannte sich dann später in der Endphase CREW BLUES SESSION, das klang einfach besser.

Stephan: Es hat dann aber eine ganze Weile gedauert, bis die erste LP herauskam.

Eroc: Ja. Wir haben eine Studioaufnahme mit der CREW BLUES SESSION gemacht, das war im Jahr 1968 im Megaton-Studio. Das Stück hieß "Around Here" (Anmerkung: wurde auf der LP "Eroc 3" unter dem Titel "He's Around Here" veröffentlicht). Da hatten wir ein Beat-Festival gewonnen, in Recklinghausen. Haben da fürchterlich abgesahnt. Es war dieses legendäre Beat-Festival in der Festlandhalle. Wo von Hagen aus die CREW startete, mit zwei Reisebussen und 28 Personen, waren alles Fans mit Transparenten. Es war also ähnlich wie später bei GROBSCHNITT eine feste Fangemeinde der CREW, die also überallhin mitfuhr. Und wenn die CREW auf die Bühne kam, da war immer Punk angesagt damals. Also wir haben etliche Male das Equipment von der Bühne gespielt. Es war eine ganz wilde Band. Und wir haben dementsprechend auch bei diesen Beat-Festivals abgeräumt. Und als Hauptpreis gab's dann 'ne Plattenaufnahme für einen Sampler. Und da hatten wir schon eine Plattenaufnahmen '68 aufgenommen. Aber dann, als die CREW aufgelöst und GROBSCHNITT formiert wurde, dachte erst mal keiner an Schallplatten, sondern wir wollten Musik machen. Es war damals noch nicht so der Zwang dahinter 'man muß Schallplatten machen' als Band. Man machte Musik um Spaß zu haben und um Konzerte zu geben und mit den Leuten Spaß zu haben. Und der kommerzielle Aspekt Schallplatte, das war eigentlich mehr was für Popbands, oder sowas. Und die Industrie hatte auch noch gar nicht - zumindest hier in Deutschland noch gar nicht - realisiert, daß es Bands überhaupt gab. Das ist ja erst mit der Gründung des Brain-Lables 1972 forciert worden. Und da war dann natürlich GROBSCHNITT mit am Start. Aber wir hatten zunächst mal überhaupt gar nicht vor Schallplatten zu machen, als wir die Band gegründet hatten.

Stephan: Aber die Theatereinlagen, die man von den GROBSCHNITT-Liveauftritten her kennt, hatten damals noch nicht so den Stellenwert?

Eroc: Jein. Die Theatereinlagen sind aus einer Verlegenheitslösung entstanden. Die CREW früher hatte immer ein großes Problem. Das Problem hieß zwischen den Stücken die Gitarren zu stimmen. Es gab ja noch keine Stimmgeräte. Und so entstanden mehr oder weniger lange Pausen, die manchmal auch sehr langweilig waren. Da machte schon mal der ein oder andere ein bißchen Spaß um die Zeit zu überbrücken. Und wie es auch bei den Beatbands der ausgehenden 60'er so war, mitunter versagte auch mal das Röhrenequipment, was es damals noch gab. Es mußte zwischen den Stücken was repariert werden. Und da war es immer ganz nützlich, wenn irgend jemand irgend etwas machte. Ans Mikrofon ging, bißchen Entertainment, irgend welche Scherze, irgendwelche Gags machte. Und das war eigentlich immer schon mit dabei. Wir hatten ja immer Spaß auf der Bühne und der Spaß kam auch in den Saal rüber. Und wir haben uns auch nie für irgendwas geschämt. Also wenn irgend etwas kaputt ging, dann wurde es eben repariert. Die Leute mußten halt warten und das haben die auch getan. Der Spaß ist eigentlich immer dabei geblieben. Bei GROBSCHNITT passierte dann also wirklich zwischen den Stücken manchmal soviel unvorhergesehenes, aus reiner Lebensfreude heraus, daß das also dann schon auch Methode bekam. Je mehr Tourneen, ich meine wenn du jeden abend spielst, passiert an der selben Stelle zwar nicht immer das gleiche, aber doch immer irgendwas, und irgendwann schaffst du dir auch so'n kleines Repertoire an, von Gags und Licks und Späßen. Und daraus sind dann auch richtig geplante, konzipierte Einlagen nannten wir das, später dann Theatereinlagen entstanden.

Stephan: Man kriegte das auch mit. Und auf der "Grobschnitt Story Vol. 1" ist ein Stück mit drauf, bei dem eine solche Panne überbrückt wird "Die Panne von Osnabrück". Da merkt man, daß das schon sehr locker rüberkommt,

Eroc: Richtig.

Stephan: gar nicht so als tragisch angesehen wird.

Eroc: Es war 'ne echte Panne. Und man muß halt aus der Panne was machen. Und wir hatten alle dann richtig Spaß. Und der Schlüsselsatz: "Spiel doch nicht Milla, dann haben wir auch kein Knacken.", der hat also soviel Heiterkeit ausgelöst, bei den Leuten damals und auch heute bei denen, die die Story hören. Ich hab Musikerkollegen hier, liebe Freunde von mir, die Band FARFARELLO, die ich auch produziert habe, die lachen heute noch darüber.

(Ein plötzlich auftretendes Bohrgeräusch ertönt während des Interviews.) Wieso muß dieser Nachbar jetzt anfangen zu bohren, ist ja schauerlich.

Stephan: Im Booklet der CD "Wolkenreisen" war zu lesen, daß Du eine ganze Reihe von Instrumenten spielst (Piano, Gitarre, Baß, Akkordeon, Mellotron, Synthesizer, Schlagzeug). Wie hast Du denn überhaupt angefangen Musik zu machen?

Eroc: Ja, das ist ein weit gestecktes Feld. Also grundsätzlich ist zu sagen, daß man in der Szene der Popularmusik sehr viele frustrierte Schlagzeuger gefunden hat. Bestes Beispiel: Phil Collins, dem hat das Trommeln auch nicht gereicht. Oder Udo Lindenberg. Ich habe eigentlich angefangen als Bassist 1965, weil niemand wußte was ein Bassist ist. Das waren immer abgespeckte Gitarristen, die hatten nur vier Drähte auf der Gitarre. Die waren zwar dicker, aber es waren trotzdem nur vier. Und die machten irgendwelche tiefen Töne. Die gehörten in die Musik rein, aber mit Musik hatte das nichts zu tun. Deswegen habe ich mich dieser Sache mal angenommen und mir so'n Ding gekauft und probiert. Und es war schauerlich. Man kriegte nach drei Tagen Üben sofort Blasen an den Fingern und was vernünftiges hören konnte man nicht. Und ein vernünftiges Lied konnte man auch nicht drauf spielen. Es gab nur ein Lied was ich damals spielen konnte, das hieß: "Mr. Bassman". (Eroc führt das Lied stimmlich vor) Das hab ich dann geübt, aber mehr war da auch nicht drin. Dann habe ich damals natürlich auch Bands Live und übers Fernsehen gesehen. Was mich immer mehr beeindruckt hat, war die Trommel. Damals gab's einen Schlagzeuger der hieß Keith Moon. Das war einer der göttlichsten Artisten am Schlagzeug. Damals gab's einen Trommler, den möchte ich nach wie vor als Trommler bezeichnen, der hieß Ginger Baker. Der war sowas von phantastisch, ich hatte nur noch Tränen in den Augen, als ich das gesehen habe. Und das ist natürlich für einen kleinen Jungen, der auf der Schule ist und irgendwie auch mit den Kameraden mithalten will das attraktivste, ein Paar dicke Trommeln aufzubauen und draufzuhauen. Und da habe ich mich dann sehr angestrengt. Ich hab dann also zusammengespart für ein gebrauchtes Schlagzeug und hab mir das richtig draufgeschafft. Hab nächte-, tage-, wochen-, jahrelang geübt, bis ich's gut konnte. Und gute Schlagzeuger waren ja auch gefragt. Und da hat sich das halt so ergeben, daß ich bei den Trommeln geblieben bin. Hab dann aber später - relativ später - also eigentlich schon nach zwei, drei Jahren entdeckt, daß das Schlagzeug überhaupt kein Instrument in dem Sinne ist. Man kann nämlich auf jeder dreckigen Wandergitarre ein Lied spielen, aber nicht auf'm Schlagzeug. Beim Schlagzeug braucht man immer einen der mitspielt. Und da hab ich mir natürlich dann auch - Baß hatte ich ja noch, Gitarre hatte ich irgendwo her - auch diese Instrumente ein bißchen zur Brust genommen. Und versucht, auch kreativ Lieder, Harmonien, Gefühle, Klänge zu machen, was auf'm Schlagzeug nicht möglich war. Und hab das daneben immer weiter forciert. Hab also mit Instrumenten experimentiert, rumkomponiert, gespielt, neben dem Schlagzeug. Und es hat sich eigentlich zweigleisig entwickelt. Die Instrumente mehr im privaten Bereich und das Schlagzeug im sogenannten professionellen Bereich bei der Band. Obwohl, es gab eine Zeit bei GROBSCHNITT im Anfang, da hab ich bei "Solar Music" auch Keyboard gespielt. Schlagzeug und Keyboards gleichzeitig. Da haben wir mit zwei Keyboardern gespielt und ich hatte spezielle selbst gebaute Synthesizer. Mit den Füßen lief die Baßtrommel und das Hi-Hat und mit den Händen habe ich mich umgedreht und Sounds gemacht. Das wissen die wenigsten noch, aber es ist durch Mitschnitte sogar dokumentiert.

Stephan: Du hast Dir also alles autodidaktisch beigebracht?

Eroc: Meine Erfahrung nach 25 Jahren im Tonstudiobereich hat ergeben, daß gelernte Musiker in vielen Fällen leider Fachidioten sind. Ich hab mit brillanten Musikern zusammengearbeitet. Mit Musikern zum Beispiel aus der Jazz-Szene aus der Richtung Miles Davis, mit Musikern aus der Rock-Szene sowieso, mit Musikern aus der Theater- und Konzert-Szene, Geiger, Violinisten. Der letzte war Paul ..... , ein phantastischer Flötist aus England. Das sind zum Teil alles Leute, den Paul will ich jetzt ausnehmen, die ihr Handwerk unglaublich beherrschen. Du schreibst denen eine Note auf und die spielen die vom Blatt, die spielen die gerade. Du schreibst denen drei Noten hintereinander, schreibst fis, gis, cis, Klaus 7, das spielen die dir sofort runter. Und wenn du dann sagst, interpretiere das doch mal ein bißchen, bring mal die eigene Note rein, mach die Melodie doch mal ein bißchen anders, daß sie ein bißchen mehr ausdrückt, dann können die das nicht. Dann stehen die da, "Ja was denn? Ja welche Note? Ja wie denn? Ja wie lang soll ich die Note denn dann spielen?" "Nein, spiel mal frei, spiel mal richtig frei." "Ja Moment, was heißt frei? Nur zur Hälfte an die Noten halten, oder soll ich ...?" Das kommt daher, daß wenn man wirklich perfekt werden will auf einem Instrument, man ein Übungspensum hinlegen muß, das also vier bis acht Stunden pro Tag als das Mindeste voraussetzt. Wer soviel übt, der wird natürlich gut, der wird ein phantastischer Handwerker, aber die Kreativität bleibt in vielen Fällen auf der Strecke. Deswegen - also die Erfahrung habe ich gemacht - alleine meine Zusammenarbeit mit Phillip Boa zum Beispiel. Phillip Boa ist, möchte ich nicht sagen ein bedienter Handwerker auf einem Instrument, aber er war kreativ. Er hat also, eben auch aus der Unwissenheit heraus, aus der musikalischen Unwissenheit heraus, geniale Sachen gemacht. Bei einem Stück zum Beispiel kam er an mit irgendwelchen Gitarrenriffs, die er spielte und legte Dur und Moll gleichzeitig übereinander. Es darf nicht funktionieren, aber es hatte was und wir haben es so gemacht. Deswegen bin ich immer der Meinung gewesen, wer musikalisch - also handwerklich - sehr gebildet ist, ist sehr oft kreativ auf der Schattenseite. Und ich hab viel lieber mit Musikern zusammengearbeitet, die auf ihrem Instrument nicht die Virtuosen waren, aber wirklich originelle eigene Sachen gebracht haben. Und bei mir war das so, daß ich also das Handwerk nicht oder überhaupt nie gelernt habe, da man a) für Schlagzeug sowieso mit Noten nicht weit kommt und b) da ich auch immer zu wenig Interesse dazu hatte und zu faul war einfach Noten zu üben. In 'ner Band brauchte man das nicht. Wenn man mit ein Paar Freunden Musik gemacht hat, hat man sich abgesprochen. Spielst du g, c, f, fertig, hattest du deine Harmonien, brauchtest du keine Noten für. Und die Melodien so im Kopf behalten usw. Bei GROBSCHNITT konnte nie einer Noten. Es ist alles aus dem Kopf entstanden, aus dem Kopf gespielt worden. Und Noten? Nein, gelernter Musiker war ich nie.

Stephan: Was bedeutet denn Eroc überhaupt? Das könnte man als Abkürzung für Ehrig-Rock oder Elektronik-Rock oder was sonst verstehen.

Eroc: Nöö. Soll ich es Dir ganz ehrlich sagen?

Stephan: Na klar.

Eroc: Ja, ich heiß ja eigentlich Ehrig mit Hausnamen. Und das ist für die Westfalen schon mal undenkbar, weil die Westfalen müssen immer den Ehring dareinbringen. Du kannst 20 mal aufs Amt gehen und sagen, "Guten Tag, Ehrig mein Name." die schreiben Ehring, schreiben die einfach hier. Weil in Westfalen gibt's nur Ehring und Ehringshausen und fertig. Gut, es hat ja jeder seinen Spitznamen. In der Schule hattest Du ja einen Spitznamen und ich einen Spitznamen und jeder hatte einen Spitznamen. Und in der Beatzeit, hieß ich nun mal Eric. Wie Eric Burdon oder sowas, ist klar. Da hatte jeder einen englischen Spitznamen. Gut, Eric klingt ja schon fast so wie Eroc, aber nicht ganz. Das Geheimnis hinter der Geschichte ist, daß wir in einer Schulaula geübt haben, viele Jahre lang. Und dort hat uns der Hausmeister immer das Mädchenklo aufgeschlossen - abends - das wir dann auch mal, nicht immer draußen in die Büsche gehen mußten. Und auf dem Klo hingen so wunderschöne Lampen über den Spiegeln. Die Lampen einer lüdenscheider Lampenfabrik namens ERCO. Die Lampenfirma gibt's heute noch. Und ich fand die Schilder so schön. Ich hab die abgeknibbelt und hab die auf mein Schlagzeug geklebt (lacht). Und dann stand auf dem Schlagzeug ERCO. Folglich nannte mich Toni Moff Mollo ab damals nur noch Erco. Und Erco ist mein alter Spitzname bei GROBSCHNITT. Und irgend jemand, ich glaub es war Wildschwein, der kannte mich ja noch als Eric, der hat das dann umgedreht und hat dann Eroc draus gemacht. Weil da ERCO stand, hat er Eroc draus gemacht. Das war dann so'n Schimpfwort.

Stephan: Es kommt in einigen Texten vor, daß Du mit Erce bezeichnet wirst. Wie kam das?

Eroc: Das ging dann noch weiter. Dann hat sich Eroc eingebürgert und ich hatte dem dann auch einen Sinn gegeben, mit meinem schönen Stempel, den ja jeder inzwischen kennt. Und irgendwann, viele Jahre später bekamen wir dann einen Roadie namens Udo Klemm-Gießing. Den hatten wir bei der Jumbo-Aufnahme in Conny's Studio kennengelernt. Der stammte aus dem lippischen. Die Lipperländer sind ja noch viel schlimmer als die Westfalen, die kriegen ja die Zähne überhaupt nicht auseinander. Die sprechen ja nur noch so: "Hömma, weisse ich bin ja aus Lemgo, ja, oder Detmold, aber is ja auch egal, is alles Lipperland." Und der sprach so. Und ich sag, "Hör mal, hast Du was mit Deinen Polypen?" "Wieso? Hömma, hömma Erce, jetzt stell Dich ma nich so an!" Und dieser Lipperländer brachte den Begriff Erce auf. Und das ist so unglaublich gut das Wort, das hat sich sofort eingebürgert. Und deswegen heißt's eigentlich bei vielen auch immer noch Erce. Weil das klingt auch westfälisch. Der Hagener kann das so richtig aussprechen.

Stephan: Ihr habt ja alle so Pseudonyme gehabt, wie Wildschwein, Lupo usw. Was war der Grund?

Eroc: Lupo hieß schon Lupo in der Schule. Also, der war ja mein Banknachbar.

Stephan: Hat das was mit den Comics zu tun? Im Razzia-Tourheft stand, das er u. a. auch gern Fix und Foxi gelesen hat.

Eroc: Nöö, der hatte immer so eine glänzende Nase (lacht). Ich weiß nicht warum er Lupo hieß. Also, der ist ja bei uns irgendwann in die Klasse gekommen - auf der Realschule -. Er war Sitzenbleiber, kam von einer Klasse runter und hieß schon Lupo. Den kannte jeder nur als Lupo und es blieb so. Und Wildschwein hieß irgendwann Wildschwein, ich weiß es nicht, frag ihn selbst. Ich glaub es hängt mit seiner Frau zusammen. Und Toni heißt mit bürgerlichem Namen Rainer Loskand. Irgendwann kam er in die Aula und brachte ein silbernes Zigarettenetui mit, hatte er an der Straßenecke gefunden. Stand Toni drauf. Das fand er so toll, seitdem hieß er Toni. Und sein wichtigster Spruch, monatelang: "Ich heiß nich Toni, ich heiß Rainer, das weißt'e doch." "Ja Toni, Du heißt Rainer. Also Toni komm mal hierhin." Und dann hieß Toni eben Toni. Und der Baer heißt eben Baer, ja wenn Du den siehst, weißt Du warum der so heißt. Und Mist, ja, das ist eine etwas weniger schöne Geschichte. Sagen wir mal, er stammt aus dem norddeutschen Bauernland.

Stephan: Thema Vorprogramm. Du hast ja auch viele Soundcollagen gemacht.

Eroc: Das Vorprogramm, ja.

Stephan: Und grade auch im Vorprogramm waren ja viele interessante Geschichten und Lieder zu hören. Und beim kürzlichen Hören Deines Stücke "Seitenwind" kamen Erinnerungen an die Liveauftritte hoch. Ich habe das Gefühl, als wenn auch das ein Stück aus dem damaligen Programm ist.

Eroc: Ja, das war in einer etwas anderen Version - ohne Schlagzeug war's - die Musik zum Zauberer.

Stephan: Mit Text unterlegt?

Eroc: Ja mit Text. Aber der Zauberer war ja kein Vorprogramm, das war ja ein Theaterstück. Das Vorprogramm war bei GROBSCHNITT immer so die Notlösung, weil jede Band, die was auf sich hielt, hatte natürlich 'ne Vorgruppe. Und das war bei uns irgendwie gar nicht möglich. Bei unserm Gerödel auf der Bühne, bei dem ganzen Aufwand und bei der Länge des Programms noch 'ne zweite Band mitzuschleppen. Und da haben wir das vom Tonband kommen lassen. Und das hat sich über mehrere Dekaden hin immer weiterentwickelt. Wir hatten zum Beispiel die Russendekade, da Stand mitten im Saal ein Stahlmast mit drei Sportplatzlautsprechern. Und da lief nur russische Musik drüber, über einen alten Röhrenverstärker, total verzerrt. So schauerlich, daß die Leute schon zu Franz hingekommen sind und ihm was vor die Fresse hauen wollten. "Hör mal, mach die Scheiße aus, das klingt ja fürchterlich." Und dann immer diese russischen Chöre, so ganz schauerlich war das. Aber das gefiel mir sehr gut, weil ich bin neben einer Russenkaserne aufgewachsen. Und ich erinnere mich noch, wie ich dreijähriger da rumgerannt bin und die hatten ihre Volksempfänger auf den Fenstern stehen, es war herrlich. Es ist für mich das Größte, Russenmusik über Blechlautsprecher (lacht). Später haben wir dann so kleine Gags eingebaut, ins Vorprogramm, Musik so zum aufheitern, zum schmunzeln. Das Vorprogramm war immer für uns hinter der Bühne sehr wichtig, weil wir kannten's genau. Und wußten an welcher Stelle das jetzt ist und wußten ganz genau wieviel Zeit wir noch haben.

Stephan: Also praktisch ein Countdown.

Eroc: Countdown. Wenn das Vorprogramm lief, war das Ding nicht mehr zu stoppen. Dann wußten wir genau, jetzt kommt das Stück, da mußten wir die und die Klamotten schon anhaben. Jetzt kommt das Stück, da mußten die Gitarren gestimmt sein, jetzt kommt das Stück, Hände waschen und jetzt kommt das Stück, da müssen wir gleich raus. Das lief dann also quasi schon als Bestandteil der Show, als Countdown, wie Du sagst, ab.

Stephan: Mein absoluter Liebling des Vorprogramms, ich hatte es Dir bereits schon mal geschrieben, ist "Otto's Mops".

Eroc: "Otto's Mops" ist von dem genialen Ernst Jandl. "Loch doch, so loch doch." Genau das war Ernst Jandl. "Otto's Mops" oder wie ging das noch? "Anna, Anna naß, Anna, Hosi Anna, Anna naß, Hosi naß, Anna naß" (lacht) ich weiß nicht mehr genau. Das ist ein Österreicher, der also mit Wörtern Bauklötzchen gespielt hat. Ein phantastischer Typ. Ich hab einige Sachen von ihm damals gekannt, die auch nicht im Vorprogramm waren. Ich weiß gar nicht was aus dem geworden ist. Aber er hat so tolle, ja Lyrik ist das ja nicht, ich weiß nicht wie man es bezeichnen soll, aber so tolle Sachen gemacht. Ich hab ihn auch mal im Fernsehen gesehen, unglaublicher Typ. "Otto's Mops" war natürlich das Beste.

 

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