Irmi's erstes Mal (Konzert im Werkhof  18.05.2007)
         
 


Ich gebe es zu: ich bin infiziert. Die Ansteckung erfolgte übrigens nicht schleichend, nein, keineswegs. Die Inkubationszeit betrug gerademal wenige Minuten, am Anfang des Anfangs, schon hatte mich das Fieber gepackt. Was allerdings nicht verwundert, denn wer bei solch einem Intro noch gelangweilt in den Socken bleibt, der sollte wirklich besser zum Bastelnachmittag im Seniorenstift gehen.

Tja, was soll ich sagen, seither ist nichts mehr wie es war. Auch ich, völlig jungfräulich in dieses „erste Mal“ geraten, gehöre zu denjenigen, die mit glasigen Augen Worte wie „Wahnsinn“ und „genial“ stammelten oder kopfschüttelnd und mit offenem Mund nicht wussten, ob sie nun lachen oder weinen sollten. Auch ich, für die Grobschnitt seither nichts als nur ein Name zu ein paar klangvollen Songs auf einer CD war, wurde von dieser Riesenwelle, die ohne Vorwarnung von der Bühne schwappte, überspült und mitgerissen.

Als Jürgen mich vor Wochen freudejauchzend einlud zu „DEM Ereignis“, welchem er wohl schon seit Monaten ( oder Jahren? ) entgegenfieberte, hatte ich nicht den leisesten Schimmer einer Ahnung, was mich erwarten würde. Dass er mir versicherte, Grobschnitt gelte oder galt als die beste deutsche Live-Band ihrer Zeit, beeindruckte mich nicht besonders. Das sagen viele Bands von sich und viele Fans von ihren Bands, so dachte ich. Da ich aber für Konzerte immer zu haben bin und durch Jürgen schon Anyone’s Daughter und Sylvan kennen- und lieben lernen durfte, vertraute ich auch diesmal seinem Geschmack und sagte spontan zu. Klar würde ich nach Hagen fahren, die drei Stündchen wackelt man ja auf der linken A....backe runter. Und natürlich war ich auch neugierig, sowohl auf die Musik als auch auf jene Verrückten, die jedes Jahr nach Betzdorf gondeln, um in musikalischen Erinnerungen zu schwelgen.

Zum Glück waren es Verrückte der harmlosen Sorte, sehr nette noch dazu, wie ich zuerst im Bentheimer und schließlich im Werkhof erfreut feststellen konnte. Besonders Harald, dessen Hilfsbereitschaft beispielhaft war. Der Conny und Günni am Bahnhof auflas, sich unermüdlich um Jürgen im Rollstuhl kümmerte, Günni soufflierte, Andreas verarztete und jederzeit einfach ganz selbstverständlich überall war, wo er gebraucht wurde. Wären alle Menschen ein wenig wie er, wär die Welt um ein Vielfaches netter. Irgendwie war’s wie ein Familientreffen, jeder kannte jeden, es gab ein buntes „Hallo“ und „Ei wie?“ und ich sah kein Gesicht, das nicht lächelte. Und alle waren nett zu mir. Obwohl es in dem Keller unerträglich heiß war und mir schon vor dem Konzert der Schweiß aus allen Poren krachte, war ich mächtig gespannt auf das, was da kommen würde.

Und dann ging’s los......siehe oben..... mit solch  brachialem Klang, einem Traum von Musik, der einen vom ersten Ton an völlig in seinen Bann zog. Wer erwartet hatte, eine Handvoll alter Säcke vorzufinden, die sich kurz vor der Rente nochmal gemächlich im Ruhm längst vergangener Tage suhlen, der sah sich gründlich getäuscht. Die grauen Kerle, die da wie Gummibälle über die Bühne hüpften, waren Lebensfreude pur, waren sprudelnde Gegenwart und souveräne Perfektion. Der Funke zündete, und der Saal stand in Flammen. Allein Millas Strahlen war sowas von mitreißend, dass man einfach glücklich war, da sein zu dürfen. Milla gefiel mir übrigens „oben ohne“ wesentlich besser als auf den alten Fotos mit der dunklen Wollmatte, wo er noch aussah, als ob er gerade zum Mon chi chi Jahrestreffen ginge. Die ersten Worte von Willi waren wie eine Zauberformel, und es gab keinen, der sich dieser Magie hätte entziehen können.

Und dann die Jungs. Ich weiß nicht, ob es je eine Band gab, die es gewagt hat, Väter und Söhne zusammen auf die Bühne zu stellen. Ein Experiment, das schnell in die Hose gehen kann. Zu verschieden sind die Geschmäcker, zu unterschiedlich die Generationen. Meint man! Doch auch hier: grenzenlose Überraschung und tiefster Respekt!  Vollendeter kann ein Zusammenspiel nicht sein. Besser können Musiker sich nicht ergänzen. Wer es nicht anrührend fand, wenn Papa und Sohn lächelnd und stolz, Schulter an Schulter, ihren Part spielten, der kann kein Herz im Leib haben. Und als der „kleine“ Manu so hinreißend sein Solo ablieferte, dachte ich, Mensch, lasst die Girlies in den Saal, und die Strichmännchen von Tokio Hotel können künftig zuhause bleiben.

Es war ein Konzert, das eigentlich nur aus Höhepunkten bestand. Musik, in die man eintauchte, um darin zu versinken. Songs, die man gehört und eine Show, die man erlebt haben muss. Bilder, die unauslöschlich in die Erinnerung eingebrannt sind. Und eine ungebremste Begeisterung, auf der Bühne wie im Saal, die man mit Worten kaum beschreiben kann.

Ich ahnte nicht, dass dreieinhalb Stunden so kurz sein können. Dass ich mich bei einem Stück, das vierzig Minuten dauert, noch enttäuscht fragen könnte, warum es jetzt so plötzlich aufhören muss. Ich hätte noch ewig da stehen und zuhören können. Ich wäre nicht müde und mir wäre nicht langweilig geworden. Es war einfach unbeschreiblich. Später im Hotel suchte ich nach Worten. „Die Musik war so.....voll...so....“ „Fett“, ergänzte Jürgen lächelnd. Und ich nickte und sagte: „Ja, voll fett!“

Dass ich am nächsten Morgen traurig war, abreisen zu müssen, versteht sich von selbst. Zu gern hätte ich diesen Abend noch einmal durchlebt, noch einmal zwischen diesen lachenden, weinenden , singenden und jubelnden Menschen gestanden und eine Band gefeiert, die siebzehn leere Jahre einfach weggespielt und im Sturm die Herzen aller Anwesenden erobert hat. Es war das Comeback des Jahrhunderts!

Mit Schrecken erfuhr ich dann von Willis Erkrankung. Konnte die Enttäuschung aller nachempfinden, die diesen zweiten Abend nicht mehr erleben durften. Vor allem derjenigen, die an diesem Tag erst angereist waren. Hätte ich zu ihnen gehört, ich wäre so unwissend nach Hause gefahren, wie ich gekommen war. Umso erfreuter war ich zu hören, dass es im Oktober (hoffentlich!) ein Wiedersehen geben wird. Der ColosSaal ist mein Heimathafen. Völlig klar, dass die Tickets schon gebucht sind und ein dickes rotes GS im Kalender prangt.

Die Fahrt nach Hohenlimburg war eine Traumreise durch tief beeindruckende Klänge, Erlebnisse, Gefühle, die ich nie mehr vergessen werde. Danke, Jürgen, es war einmalig!

Was mich seither begleitet, ist Millas Strahlen. Und ich hoffe, dass dieses Bild der grenzenlosen Freude bis Oktober anhält. Dann hol ich mir ein neues. Ganz sicher!

Tief beeindruckt,

Irmi Schwarz

 

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