Bereits zum siebten Mal
luden Anke und Markus Grigat zum mittlerweile internationalen Grobschnitt
Fantreffen nach Betzdorf ein. Was vor Jahren in einem kleinen Jugendheim
mit einer Teilnehmerzahl von ca. 20 Leuten begann, hat sich mittlerweile
zu einer renommierten Veranstaltung gemausert, zu der die Anhänger der im
Jahr 1989 aufgelösten Hagener Band aus allen Himmelsrichtungen strömen. Ob
mit dem Motorrad aus Berlin oder per Combi aus den Niederlanden, sie alle
waren extra für diesen Tag angereist, um in alten Erinnerungen zu
schwelgen. Und das konnten sie auch nach Herzenslust.
Wie schon in den Vorjahren
wurde auch dieses Jahr wieder einiges geboten. Neben den ehemaligen
Musikern Eroc und dem Baer hatte sich auch der Meister des Mischpultes,
Geheimrat Günstig, der bei den Auftritten der Band so viele Male für den
guten Sound gesorgt hatte, zu einem Besuch hinreißen lassen. Hier wird
auch wieder deutlich, dass neben der Band auch die Roadies und Techniker
mit zur großen Grobschnitt-Familie gehörten.
Aber nicht nur diese Gäste
verschönerten den Tag. Vor allem der Berliner Band ROMIX ist es zu
verdanken, dass mal wieder echtes Livefeeling verbreitet wurde. Außerdem
hatte der WDR-Rockpalast ein Team nach Betzdorf geschickt um Interviews
mit Eroc, dem Baer und den Fans für eine Sendung über Krautrock, die Ende
2005 / Anfang 2006 ausgestrahlt werden soll, zu machen. Und nicht zu
vergessen, Frank Jacobs, der sein Projekt, eine Dokumentation über
Grobschnitt, vor zwei Jahren begann. Er präsentierte einen gut
halbstündigen Ausschnitt seines Werkes.
Um 18.00 Uhr war der
offizielle Beginn der Veranstaltung in der Stadthalle von Betzdorf. Bis
zum Programmbeginn in der Halle selbst, hatten die Anwesenden genügend
Zeit sich zu unterhalten, CDs zu kaufen oder Autogramme von Eroc und Baer
zu ergattern. Eroc hatte zu diesem Treffen seine brandfrischen, neu von
ihm remasterten CDs „Eroc 1“ und „Zwei“ mitgebracht. Die beiden CDs sind
nicht nur klanglich aufpoliert worden, sie enthalten darüber hinaus auch
noch einige Bonustitel und ausführliche Linernotes. Gut gefiel mir auch die Idee, an Willi und Lupo
eine überdimensionale Postkarte zu schicken, auf der sich alle Anwesenden
mit Angabe des Wohnortes eintragen konnten. Da wollen wir doch mal sehen,
ob die beiden nicht doch hinter ihrem Ofen hervorgelockt werden können und
bei einem zukünftigen Treffen mal reinschauen.
Dann wurde gegen 20.00 Uhr
das Programm mit kurzen Ansprachen von Markus, Eroc und dem Baer eröffnet.
Es folgte auf der Großbildleinwand ein Livemitschnitt eines
Grobschnittkonzertes vom 24.03.1986 aus dem Alabama in München, das während der
Sonnentanz-Tour entstand.
Als nächstes stellte Frank Jacobs
seine Dokumentation „Grobschnitt Reloaded“ vor. Wir hatten das
außerordentliche Vergnügen gut eine halbe Stunde des noch nicht komplett
fertigen Werkes zu bestaunen. In diesem Film, den Frank äußerst liebevoll
gestaltet hat, kommen einige der Musiker zu Wort (Eroc, Baer, Mist, Toni,
Hunter). In sehr anspruchsvollen Bildern wird die Geschichte der Band von
den Musikern selbst in teils sehr humorvollen Worten geschildert. Für
diese Präsentation, erntete Frank tosenden Applaus. Baer meinte daraufhin
zu Frank, dass er mit dem Film sehr nah am Mythos Grobschnitt dran gewesen
sei. Ich selbst halte dies für eine Untertreibung, denn ich bin der
Meinung, dass Frank es auf den Punkt gebracht hat und das bestätigte sich
auch bei den Gesprächen mit anderen Fans, die förmlich eine Gänsehaut bei
dem Film bekommen hatten. Man kann gespannt sein, wie das fertige Werk
(evtl. noch bis Ende 2005) als DVD aussehen wird. Für jeden Grobschnitt-
und Krautrockfan ist dieser Silberling dann ein absolutes Muss.
Geheimrat Günstig hatte am
Abend noch einen Auftritt im Hagener Werkhof (dort ist er Tontechniker).
Er konnte aber mit einem Kollegen tauschen und sich so abends auf den Weg
nach Betzdorf machen um das Feeling dieses Fantreffens aufzusaugen. Von
den Fans wurde er entsprechend herzlich aufgenommen. Im Vorraum nahm er
sich genug Zeit, mit den Fans zu fachsimpeln.
Es folgte mit dem Auszug
aus dem Abschiedskonzert in Hagen (04.12.1989) eine weitere
Konzertaufnahme von Grobschnitt aus der Konserve bevor sich dann die Band ROMIX aus Berlin anschickte, die Fans live zu rocken. ROMIX, die derzeit
aus den Musikern Stefan (Gitarre und Gitarrensynthie), Nils (Bass), Rolf
(Schlagzeug) und Thorsten (Gesang und Keyboards) bestehen, begannen gleich
mit einer Jam, die aus einem Medley einzelner Grobschnittsongs
zusammengebastelt war. Dabei hatten die vier eigene sehr rockige Elemente
eingebaut, was mir sehr gut gefiel. Das klang schon sehr viel versprechend und
zeigte, was die Jungs musikalisch drauf hatten. Es folgten Klassiker der
Band wie z. B. „Der Clown“, „Vater Schmidt’s Wandertag“, „Magic Train“,
„Come On People“, „Anywhere“ und natürlich „Solar Music“. Zwar war ihre
Version nicht ganz so lang wie die der Bandlegende, aber sie hatte
dennoch eine Menge Drive und zeigte wieder wie gut sie ihre Instrumente
beherrschen.
Als Zugabe folgte dann das
unwiderstehliche „Sahara“ zu dem die vier in arabisch aussehenden
Gewändern auf die Bühne kamen. Auch sonst hatten sie einige kleine
Showelemente parat. Bei „Der Clown“ hüpfte Thorsten in ein Clownskostüm,
bei „Magic Train“ ließen sie einen surrealistischen bzw. psychedelischen
Film, der eine Bahnfahrt zum Inhalt hatte, auf die Leinwand projizieren.
Und wie hoch
der Spaßfaktor sein kann wenn man überdimensionale
Luftballons ins Publikum wirft, konnte man bei "Vater Schmidt's
Wandertag" erleben. Bei "Solar" Music" gab es dann noch ein paar kleine
feuertechnische Einlagen. Ähnlich wie
bei Grobschnitt stellte sich die Band zu den Klängen von der „Symphony“
vor. Es ist wirklich aller Ehren wert, dass die vier aus reinem Idealismus
und Spaß an der Freude einen kostenlosen Auftritt absolvieren und dafür
bis zum Exzess proben und den Weg von Berlin auf sich nehmen. Das lässt
dann auch den einzigen Kritikpunkt in den Hintergrund treten, denn mit
Thorstens Gesang komme ich leider immer noch nicht so recht klar (sorry
Thorsten). Er ist für mich der einzige Schwachpunkt in dem Quartett. Zwar
kann Thorsten singen, seine hohe Stimme passt für meinen Geschmack aber
nicht zu den meisten Grobschnitt-Songs. Das wurde besonders bei Titeln wie
„Der Clown“ deutlich. Die Jungs setzten zum Ende hin noch einen drauf,
denn sie verschenkten!!!!! an die Besucher CDR's mit den Stücken „Come On
People“ und "Sahara", die Eroc für sie gemastert hat.
Nach diesem viel
umjubelten Auftritt war dann wieder Grobschnitt aus der Konserve angesagt.
Man könnte es mit den Worten aus „Dinner For One“ bezeichnen: „The same
procedure as every year“. Denn gegen 24.00 Uhr stand das legendäre 78’er
Konzert aus dem Rockpalast auf dem Programm. Dieser Auftritt wurde damals
von den Zuschauern besonders honoriert, wurde Grobschnitt doch seinerzeit
zum besten Rockpalast-Liveact gekürt. Das Teil kann man sich immer wieder
ansehen. Für mich war an dieser Stelle aber Schluss, da es in der Nacht
wieder nach Hause ging.
Fazit: Das
Grobschnitt-Fantreffen ist für mich, wie für viele andere, zu einem festen
Termin im Jahr geworden, auf den ich nicht verzichten kann. Wer sich
einmal dieser Faszination hingegeben hat, der wird wohl auch beim nächsten
Mal wieder dabei sein.
Kostenlose CDR von ROMIX
Stephan Schelle,
22.05.2005